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Kunst der BeschränkungLindlarer Tischler baut Tiny-Büro für Arbeiten im Homeoffice

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Das Tiny-Büro ist fertig zur Auslieferung.

Lindlar – Der Drucker surrt neben dem Nachttisch, der Laptop blinkt vom Bügelbrett und nur eine Tür weiter feiern die beiden Kinder die unterrichtsfreie Zeit gut gelaunt und vor allem laut. „Wir haben beschlossen, dass wir baulich etwas verändern müssen und zwar zügig“, erinnert sich Markus Kilian an jenen Tag mitten in der Pandemie, an dem die Nerven der Familienmitglieder endgültig blank lagen. Zu viele Kilians mit zu vielen Interessen auf zu wenig Raum.

Markus Kilian ist 45 Jahre alt und arbeitet als technischer Berater in der Holzbranche. Er lebt mit seiner Familie im fränkischen Hohenlohekreis im Regierungsbezirk Stuttgart. Ohne Vorwarnung hat Corona den Kindergarten, die Schule und das Büro unter das heimische Dach verlegt. Kilian arbeitet im Schlafzimmer gleich neben dem Bett, die Muster für seine Kunden lagern zur Hälfte im Keller, der Rest im Keller der Eltern. „Wir haben einen großen Außenbereich, aber keine Möglichkeit, das Haus auszubauen“, betont Kilian.

350 Kilometer weiter nördlich, im Lindlarer Industriepark Klause, kreischt gerade die Kappsäge los, um das Familienleben der Kilians langfristig zu befrieden. Tischlermeister Ralf Döpper (47) hat von den Baden-Württembergern den Auftrag zum Bau eines sogenannten Tiny-Büros erhalten – praktisch ein Arbeitszimmer auf zwei Achsen, das in den Garten der Kilians rangiert werden soll. Wer sich nun einen kargen Verschlag für das Familienoberhaupt vorstellt, ist allerdings auf dem Holzweg.

Die Außenverkleidung aus Holz wird montiert.

Sechs Meter lang und dreieinhalb Meter hoch ist das Tiny-Büro, das Döpper in Holzständerbauweise auf einem Anhängergestell montiert hat. Vier große Fenster zwischen dem mehrschichtigen Fichtenholz sorgen für viel Licht und sind so eingebaut, dass sie nach außen öffnen. „Das spart drinnen natürlich Platz“, nickt der Lindlarer Tischlermeister.

Wie transportiert man ein Tiny-Büro?

Für das deutsche Straßenverkehrsrecht sind die immer beliebter werdenden Tiny-Bauten noch ziemliches Neuland. „Eine Möglichkeit ist die Zulassung als Wohnanhänger“, erklärt Jens Opitz, Kfz-Sachverständiger und im Gewerbegebiet Klause ansässig. Voraussetzung dafür sind allerdings eine Schlaf- und Kochgelegenheit.

Die Alternative: Das Grundgestell wird als Anhänger zugelassen, der Tiny-Aufbau als Beladung eingestuft. Allerdings griffen dann die Vorschriften zur Ladungssicherung, betont Opitz. Heißt: Verschraubungen müssen mit einfachem Bordwerkzeug gelöst werden können, zum Beispiel mit einer Zange. (sfl)

Das mobile Arbeitszimmer mit der knallroten Tür wurde mit Holzfasern gedämmt, besitzt Strom- und Netzwerkanschluss und soll später einmal neben dem Schreibtisch eine kleine Sitzecke beherbergen. Die besagten Muster ziehen aus den Kellern in einen Eckschrank.

Die Fenster sind eingebaut und die Wände verkleidet.

An zwei bis drei Tagen pro Woche will Markus Kilian sein neues Reich künftig nutzen – natürlich auch im Winter. Für Wärme sollte ursprünglich ein kleiner Pellet-Ofen sorgen. „Andere Tiny-Haus-Besitzer haben mir davon aber abgeraten. Der Raum wird dabei wohl schnell zu warm, während der Boden eiskalt bleibt“, erklärt Kilian. Gemeinsam mit Ralf Döpper verlegt er nun eine elektrische Fußbodenheizung, die per Funk aus dem Wohnhaus aktiviert werden kann. „Im besten Fall kann ich nach dem Aufstehen auf den Knopf drücken und spätestens nach dem Frühstück ist das Büro warm“, ist Kilian optimistisch.

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Insgesamt sechs Wochen Bauzeit hat Ralf Döpper in das ungewöhnliche Projekt investiert. Er hoffe, dass das Tiny-Büro made im Bergischen nun auch heil in Franken ankomme, verrät der Tischlermeister mit einem Augenzwinkern. Zum Wochenende ist Döpper gen Süden gestartet – bewusst zu einer Zeit, in der nur wenige Lastwagen über die Autobahnen rauschen (siehe auch Kasten). Aus ganz unterschiedlichen Gründen erwartet die gesamte Familie Kilian die Fracht sehnlich.