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Imker in SorgeAsiatische Hornissen breiten sich immer mehr in NRW aus

Lesezeit 7 Minuten
Eine Hornisse jagt eine Honigbiene.

Eine Hornisse jagt eine Honigbiene. (Symbolbild)

Ist der Stich von Hornissen schmerzhafter als der von Bienen und Wespen? Zwei Expertinnen klären auf über die Insekten und die neue invasive Art.

Hornissen haftet ein schlechter Ruf an. Sie seien aggressiv und gefährlich. Ein Stich soll viel schmerzhafter sein, als der einer Biene oder Wespe, heßt es oft. Dabei sind viele dieser Behauptungen eben nur dem schlechten Ruf des Insekts geschuldet.

So sehen es die beiden Nabu-Expertinnen Angelika Leistikow und Andrea Klein-Roos aus Oberberg. Sie arbeiten dort ehrenamtlich im Arbeitskreis Hornissen- und Wildbienenschutz und beraten die Leute zu den Tieren. Sie sind zum Beispiel zur Stelle, wenn jemand ein Nest in seinem Garten gefunden hat, aber nicht weiß, um welche Tiere es sich handelt, ob sie möglicherweise gefährlich sind.

„Das ist eine unserer Aufgaben“, erklärt Andrea Klein-Roos, die seit 2021 Teil des Arbeitskreises ist. „Wir beantworten Fragen und beraten rund um Hornissen und Wespen. Wir erhalten aber auch Fragen zu anderen Arten wie Hummeln oder Wildbienenarten.“ Allein im vergangenen Jahr führte der Arbeitskreis in Oberberg mehr als 200 Beratungsgespräche. Denn es war ein gutes Jahr für Hornissenvölker. Ob es dieses Jahr auch so sein wird, ist ungewiss, denn das hängt viel vom Wetter und von Temperaturen ab und ist regional sehr unterschiedlich.

Hornissen-Nester in Rollladenkästen: So darf umgesiedelt werden

Angelika Leistikow hat 2007 den Arbeitskreis im Naturschutzbund Oberberg gegründet. Sie kümmert sich seitdem auch um die fachgerechte Ausbildung von Schädlingsbekämpfern, Imkern und Feuerwehren in Bezug auf Umsiedlungen und Artenbestimmungen. Auch Mitarbeitende von Umweltämtern schule sie in Seminaren mit Teilnehmenden aus ganz Deutschland, berichtet sie.

Die Mitglieder des Arbeitskreises kennen sich also gut mit den brummenden Insekten, Leistikow und Klein-Roos sind selbst Imkerinnen. Sie beraten nicht nur, sie dürfen auch Umsiedlungen durchführen. Dafür braucht es aber bestimmte Bedingungen.

„Wir dürfen die Tiere nur umsiedeln, wenn sie einen Bauschaden auslösen oder die Menschen den Tieren regelmäßig in die Quere kommen“, erklärt Andrea Klein-Roos. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn Wespen oder Hornissen ein Nest in einem Rollladenkasten gebaut haben, oder an der Tür einer Gartenhütte, wo die Menschen regelmäßig rein und raus müssten, und wo vielleicht keine Flugumleitung der Tiere möglich sei.

„Vor allem am Rolladenkasten ist das so eine Sache, da Hornissen Ausscheidungen verursachen, die riechen wie Jauche und dann auch große, übelriechende braune Flecken verursachen können“, sagt Angelika Leistikow.

Vom Aussterben bedroht – Hornissen sind in Deutschland streng geschützt

Wichtig sei aber, dass jede einzelne Umsiedlung von Hornissen nur mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde erfolgen dürfe und nur von Fachleuten wie den beiden Expertinnen durchzuführen sei. „Wir können aber auch nicht einfach kommen und die Tiere mitnehmen“, sagt Andrea Klein-Roos.

Hornissen können nämlich nicht so einfach „entfernt“ werden, weil sie streng geschützt sind. Sie gelten als vom Aussterben bedroht. Eine Umsiedlung eines Volkes bedeute immer auch einen großen Eingriff in dessen Lebenszyklus. Auch bei einer fachgerechten Umsiedlung kann es passieren, dass das Volk eingeht. Deshalb sollte eine Umsiedlung nur eine Ausnahme sein, heißt es beim Nabu Oberberg. Nur in Notfällen erteilt die Untere Naturschutzbehörde eine solche Ausnahmegenehmigung.

Angelika Leistikow arbeitet in einem weißen Schutzanzug daran, Wabenetagen eines Hornissennestes wieder zusammenzusetzen.

Bei einer Umsiedlung eines Hornissenvolkes setzt Angelika Leistikow die Wabenetagen in ihrer natürlichen Reihenfolge und mit ihrem natürlichen Abstand wieder zusammen.

Vor kurzem hat Angelika Leistikow ein Hornissenvolk umgesiedelt, das sich in einem Rollladenkasten niedergelassen hatte. „Um die Tiere zu entfernen und an einem anderen Ort anzusiedeln, fängt man am bestehenden Nest erst alle Flugtiere ab. Die kommen dann in einen sogenannten Fangkasten“, erklärt Angelika Leistikow. Wenn alle Flugtiere gefangen sind, „geht man an die Waben und klebt sie in einen Hornissenkasten. Man nimmt dann alles mit und klebt das neue Einflugsloch der Hornissen mit perforiertem Papier zu. Das Nest wird an einen anderen Ort gebracht, dort fressen sich die Hornissen langsam durch das Papier frei, weil dort Licht durchscheint, und orientieren sich neu.“

Das sei deshalb wichtig, damit die Tiere nicht zu aufgeregt sind, wenn sie am neuen Heimatort – der übrigens mindestens drei bis vier Kilometer vom ursprünglichen Nest entfernt sein sollte – herauskommen. Wenn sie sich durch das zugeklebte Loch erst langsam frei fressen müssten, beruhigten sie sich oft. Sind die Tiere nämlich zu aufgeregt, fliegen sie einfach wild weg und dann ist das Volk dem Untergang geweiht.

Verbreiteter Irrtum: Bienengift ist stärker als Hornissengift

Werden die Mitarbeitenden des Arbeitskreises im Nabu Oberberg zu Hilfe gerufen, können sie schon anhand der Nester und ihrer Farben erkennen, um welche Arten es sich handelt.

Dabei beobachten die beiden Nabu-Mitarbeiterinnen auch ein Umdenken der Menschen, wo Hornissen doch sonst eher gefürchtet werden. „Besonders toll ist es, dass einige Leute inzwischen auch sagen, dass sie gern ein Hornissenvolk im Garten hätten, denn die fangen die Wespen weg und sind kaum aggressiv.“

Es sei ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Hornissen aggressiv und besonders gefährlich seien. Dabei ist das Gift eines Bienestachels sogar stärker als das eines Hornissenstachels, informiert der Nabu Oberberg auf seiner Webseite. Außerdem interessieren sich Hornissen im Gegensatz zu einigen Wespen nicht für unseren gedeckten Kaffeetisch oder das Fleisch vom Grillabend.

Menschen müssen keine Angst haben, wenn sie Hornissen im Garten haben

„Hornissen werden eigentlich nur aggressiv, wenn man auf ihr Nest haut“, berichtet Angelika Leistikow. Und selbst wenn man vor ihrem Einflugsloch stehe, seien die Tiere oft noch nicht sofort bereit, zuzustechen, sagt auch Andrea Klein-Roos. „Ich habe auch einmal aus Versehen vor einem Einflugsloch eines Nestes gestanden“, erzählt die Imkerin. „Eine Hornisse flog direkt auf Brusthöhe in mich hinein. Sie schüttelte sich kurz und flog dann in einem Bogen um mich herum in ihr Nest. Dass sie sich nicht entschuldigt hat, war alles.“

„Uns ist vor allem wichtig, dass die Menschen in aller Regel keine Angst vor unseren heimischen Hornissen haben müssen, auch wenn sie bei ihnen im Garten ein Nest haben“, betont Angelika Leistikow. Das schönste für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen des Arbeitskreises sei es, wenn die Tiere nach einer Beratung an Ort und Stelle bleiben könnten.

Wir wollen Mensch und Tier zusammenbringen.
Andrea Klein-Roos, Mitarbeiterin beim Nabu Oberberg

„Manchmal rufen mich die Leute auch an und sagen, wie schön es ist, die Hornissen zu beobachten. Und wie richtig unsere beratende Einschätzung war.“ Das sei der größte Lohn, so auch Andrea Klein-Roos. „Wir wollen Mensch und Tier zusammenbringen. Denn das ist nichts anderes als das Zusammenleben mit der Natur und die Leute sehen ja, das ist gar nicht schlimm.“

Problematischer wird es allerdings, wenn wir nicht über heimischen Arten, sondern über eingewanderte Arten sprechen. Die gibt es nämlich auch. So wie die asiatische Hornissenart „Vespa Velutina“, die zurzeit einigen Wirbel verursacht.

Die Asiatische Hornisse könnte heimischen Bienen gefährlich werden

Das Umweltportal des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr in NRW (Lanuv) meldete, dass die Vespa Velutina sich „derzeit rasant in Nordrhein-Westfalen“ ausbreite. Diese Asiatische Hornissenart „ist eine aus Südostasien stammende, kleinere Verwandte der Europäischen Hornisse“, teilt das Umweltportal mit. Sie werde als „potenzielle Bedrohung für heimische Bienenvölker“ gesehen. Das macht vielen Imkern Sorgen.

Nach aktuellen Angaben der Fundkarte des Lanuv wird auch deutlich, dass die Velutina durchaus in unserer Region gesichtet wird. Im Oberbergischen und Bergischen (weißflächig hervorgehoben) verzeichnet die Karte keine aktuellen Sichtungen der Velutina. Laut Angelika Leistikow gebe es jedoch gerade erst eine vor wenigen Tagen von ihr bestätigte erste Sichtung einer einzelnen Vespa Velutina in Hückeswagen in Oberberg. Im Rhein-Sieg-Kreis gab es im Juni 2023 eine Sichtung in Much. Darüber hinaus konzentrieren sich mehrere Fundorte der asiatischen Hornisse eher in Richtung Köln und des Rhein-Erft-Kreises.

Als potenzielle Gefahr bestätigen das auch die beiden Expertinnen des Nabu Oberberg. „Die Velutina gilt als invasive Art und muss gemeldet werden, wenn sie gefunden wird. Sie wird dann auch abgetötet“, sagt Andrea Klein-Roos.

In Frankreich mache sie wohl Probleme, „da die Insektenpopulation in einigen Landstrichen allgemein sehr weit zurückgegangen ist, weil die Velutina dort ohne natürlichen Feinde jagt.“ Die Velutina bedrohe durchaus heimische Arten – auch bei uns, betont Andrea Klein-Roos. Die Velutina müsse auch bei uns im Auge behalten werden, gerade weil sie in Nachbarländern zu so einem großen Problem wurde. Es gebe aber keinen Grund zur Panik.

Sichtungen der Asiatischen Hornisse müssen bei den Behörden gemeldet werden

Wer eine asiatische Vespa Velutina sieht, kann sie von einheimischen Hornissen daran unterscheiden, dass sie etwas kleiner, aber vor allem wesentlich dunkler ist. Ihre Beine sind jedoch gelb.

Vergleichsbilder stellt der Nabu Oberberg auch auf seiner Internetseite zur Verfügung. Die Velutina nistet im Gegensatz zu heimischen Hornissen, die dunkle Höhlen bevorzugen, lieber im Freien. Nester können zum Beispiel in Baumwipfeln gefunden werden. Allerdings wurden auch schon Nester in Gartenboxen oder unterm Dach gefunden. Zur tatsächlichen Bestimmung der Art sollten immer Fachleute hinzugezogen werden.

Eine Asiatische Hornisse (Vespa velutina nigrithorax) wird von einem Biologen mit einem weißen Handschuh gehalten.

Die asiatische Hornisse Vespa Velutina ist kleiner als heimische Hornissen und hat eine dunklere Farbe.

Wer eine Velutina sieht, kann die invasive Art bei den Umweltämtern des jeweiligen Landkreises melden, bei Mitarbeitenden von Nabu-Ortsgruppen oder auch bei der unteren Naturschutzbehörde und direkt über das Umweltportal NRW, am besten immer mit Foto.