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Namen durch NS-Zeit belastetZwei Straßen in Nümbrecht sollen umbenannt werden

Lesezeit 4 Minuten

Demnächst Geschichte? Die Otto-Kaufmann-Straße in Nümbrecht soll bald Gouvieuxstraße heißen. Bisher ist sie die Verlängerung der Gouvieuxstraße.

Nümbrecht – Die Otto-Kaufmann-Straße soll in Gouvieuxstraße, die Dr.-Schild-Straße in Nümbrechter Straße umbenannt werden. Über einen entsprechenden Antrag, den die Vorsitzenden aller im Rat vertretenden Fraktionen sowie Bürgermeister Hilko Redenius gemeinsam einbringen, soll das Gremium am Donnerstag, 4. März, beraten und beschließen.

Hintergrund sind Vorwürfe, die schwer wiegen und die mit der Vergangenheit Otto Kaufmanns und Dr. Heinrich Schilds in der Zeit des Nationalsozialismus zusammenhängen. Informiert wurde die Gemeinde in Sachen Kaufmann kürzlich von Michael Kamp, dem Leiter des LVR-Freilichtmuseums in Lindlar.

Vorgehensweise des Verschleierns

Er belegt, dass sich Kaufmann „mit dem Regime mehr als notwendig arrangiert hat und die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus als weltanschaulicher Erzieher vertreten und verbreitet hat“, so Kamp. Schon bei seiner Entnazifizierung und erst recht anlässlich der Verleihung des Albert-Steeger-Stipendiums an ihn im Jahr 1973 habe er seine „heimatkundlichen“ Forschungen während der NS-Zeit verschwiegen. Kamp: „Diese Vorgehensweise des Verschleierns macht ihn und seine Arbeit absolut unglaubwürdig.“

Vier Zitate aus Kaufmanns Schulchronik

„Vom 10. - 24. März 1935 wurde der Lehrer (. . .) beurlaubt, um in Marienberghausen und Köln bevölkerungsbiologische Erhebungen für die Ausstellung des NSLB ,Rasse, Volk, Familie’ (. . .) durchzuführen.“

„Wir besuchten zweimal die von der Ortsgruppe des NSLB veranstaltete Ausstellung,Rasse, Volk, Familie’ (. . .). Beim Aufbau und Zeichnen großer Schaubilder und -tafeln war der Lehrer leitend beteiligt und wochenlang beschäftigt.“

„Als Kreissachbearbeiter für Sippenforschung im NS-Lehrerbund hatte ich die Ahnentafeln vieler Berufskameraden zu prüfen und an die Gauverwaltung weiterzuleiten (. . .)“

„(. . .) schlimmstenfalls um einige Wochen Krieg gegen das schuldbeladene, verbrecherische Polen.“

Kamp belegt seinen Vorwurf unter anderem mit dem Inhalt der Chronik der „Hilfsschule Gummersbach“, die Kaufmann zwischen 1934 und 1941 selbst verfasst hat. Auszüge daraus hat er der Nümbrechter Verwaltung zukommen lassen. Kamp schickte sie auch dieser Zeitung, nachdem im Januar hier ein großer Bericht über Kaufmanns Arbeit als Mundart- und Heimatforscher veröffentlicht worden war – mit dem Hinweis: „Wussten Sie nicht, dass Otto Kaufmann ein überzeugter Nazi war?“

Leitende Funktionen im NS-Regime

Kamp untermauert seine Forschungen, die im Kontext mit einem Buchprojekt über die Geschichte des Nationalsozialismus im Bergischen Süden stehen, mit Zitaten aus der Schulchronik (siehe Textkasten) und verweist auf die Liste von Kaufmanns Funktionen im NS-Regime, darunter: „Ortsgruppenführer“ der „Ortsgruppe Gummersbach im Reichsverband“ des Jugendherbergswerkes mit dem Ziel, im Kreisgebiet für die weitere Verschmelzung der Jugendherbergen mit der Hitlerjugend zu sorgen.

Ebenso hatte Kaufmann eine leitende Funktion bei der „Gleichschaltung“ der Sportvereine inne, so Kamp. Darüber hinaus sei er Mitinitiator der NS-Propaganda-Ausstellung „Familie, Volk, Rasse“ im Kreisgebiet gewesen und habe ab Dezember 1935 die „Arbeitsgruppe für Sippen- und Volkstumsforschung“ unter besonderer Berücksichtigung „der Familien- und Sippenforschung auf erbbiologischer Basis“ geleitet.

Redenius fiel aus allen Wolken

Bürgermeister Hilko Redenius fiel aus allen Wolken, als er über die belastete Vergangenheit des weithin geschätzten und zu Lebzeiten vielfach ausgezeichneten Otto Kaufmann erfuhr. Redenius betont, Sinn von Straßenbenennungen sei, verdiente Persönlichkeiten der Gemeinde zu ehren und damit ihre Vorbildfunktion hervor zu heben. Das treffe nach den neuen Erkenntnissen auf Otto Kaufmann nicht mehr uneingeschränkt zu. Redenius begrüßt es, dass die Anträge auf Straßenumbenennung interfraktionell gestellt werden.

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In Historikerkreisen heißt es, Kaufmanns Engagement in der NS-Zeit sei dort bekannt gewesen. Marcus Dräger, Vorsitzender der oberbergischen Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins, sagte auf Anfrage: „Otto Kaufmann hat sich um die Heimatforschung sicherlich verdient gemacht. Man darf seine NS-Vergangenheit nur nicht hinten runterfallen lassen. Otto Kaufmann war mehr als ein Mitläufer, er war vor 1945 ein überzeugter Nationalsozialist.“

Weitere Diskussionen über Straßenbenennungen

Auf die Historie Dr. Heinrich Schilds (1895-1978) hatten vor Jahren Nachfahren der in Nümbrecht lebenden und inzwischen verstorbenen KZ-Überlebenden Rahel Grünebaum hingewiesen. Bei Recherchen war Bürgermeister Redenius auch auf das „Gutachten zu den ,Arisierungs’-Vorwürfen gegen Hedwig Bollhagen“ von Dr. Simone Ladwig-Winters gestoßen. Darin heißt es, dass Schild, der spätere Nümbrechter Bürgermeister und Landrat des Oberbergischen, seine Position ausgenutzt habe, um 1934 in Brandenburg die „Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik Marwitz“ weit unter Preis von der jüdischen Besitzerin zu übernehmen.

In der Bauausschusssitzung nach der Ratssitzung soll auch mit Anwohnern, interessierten Bürgern, Heimatvereinen und Aktiven in der Städtepartnerschaft generell über Straßenbenennungen diskutiert werden.