Neue MöglichkeitenWas geht noch beim Wipperfürther Einzelhandel?
Wipperfürth – „Click and collect“, „Click and meet“, call and meet“, neben vielen Sorgen, Nöten und Einschränkungen beschert uns die Pandemie auch eine Reihe wahlweise schicker oder fragwürdiger Anglizismen, die die eine oder andere Möglichkeit des Einkaufens beschreiben. Mit Termin aber ohne Test, mit Test aber dafür ohne Termin, bis zur Ladentür oder ganz rein, mittlerweile gibt es einen Dschungel an Angeboten für Menschen, die das Shopping nicht gleich ganz ins Internet verlagern möchten. Um zu sehen, wer was darf und wie er oder sie es umsetzt, machen wir uns auf zu einem Bummel durch die Wipperfürther Innenstadt.
Freitagvormittag, es ist kalt und zugezogen, kein Wetter zum Flanieren. Trotzdem ist der Wochenmarkt gut besucht und auch die Untere Straße ist durchaus belebt. Die FFP2-Maske ist natürlich obligatorisch. Wir starten in der Bergischen Buchhandlung am Markt. Wohlgemerkt in der Buchhandlung, denn da dürfen wir rein.
„Bücher gehören laut dem neuen Infektionsschutzgesetz zum Grundbedarf“, so erklärt es uns Martina Halbach. Die Stadt hat es mit dem Oberbergischen Kreis abgeklärt und die Öffnung, in Halbachs Fall mit bis zu sechs Personen gleichzeitig, erlaubt, nachdem es zu Wochenanfang noch Unklarheit gegeben hatte.
Endlich mal wieder stöbern
Natürlich ist der Wunsch nach der vollständigen Öffnung da, damit endlich wieder Leben in die Stadt kommt, erzählt die Buchhändlerin. Aber auch so sind ihre Kundinnen und Kunden froh, endlich mal wieder stöbern zu können. „Es geht einen Schritt weiter“, sagt Martina Halbach. „Es ist wie ein Lächeln im Gesicht“. Eine Kundin sagt: „Ich bin froh, wenn die Zeit um ist. Es wäre schön, mal wieder draußen einen Kaffee trinken zu können und Leute zu treffen“.
Weiter geht es zur Parfümerie Gottmann an der Unteren Straße. Hier versperrt ein Tisch den Eingang hinter der Schiebetür. „Call and meet“ ist angesagt, also anrufen, bestellen und abholen. „Es läuft schleppend“, erzählt Verkäuferin Laura Schmitz. „Viele denken wahrscheinlich, dass wir gar nicht offen haben“, sagt sie. Und wenn, dann kämen Kunden nur, wenn sie ganz konkret etwas brauchen. Eine Parfümerie lebt eben auch davon, dass man sich umschaut und mal einen Duft ausprobiert. Geht aber gerade nicht.
„Können schnell handeln, weil wir klein sind“
Gehen würde es bei RehaMax. Weil es sich um medizinischen Bedarf handelt, ist das Sanitätshaus an der Unteren Straße Apotheken gleichgestellt. „Wir haben immer offen gehabt, auch in den strengeren Zeiten“, sagt Tatjana Schroeder. Hier liegen die Probleme zum Teil anders gelagert. Viele Kundinnen und Kunden sind schon älter und kommen schlecht aus dem Haus oder trauen sich vielleicht auch nicht. Wenn dann jemand anruft und sagt, er brauche zum Beispiel einen orthopädischen Strumpf, dann packt Tatjana Schroeder eine Auswahl ins Auto und fährt hin. „Wir können schnell handeln, weil wir klein sind“, sagt sie. „Wir versuchen einfach, so viel wie möglich hinzukriegen“.
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Noch kleiner als das Sanitätshaus ist der Weltladen an der Marktstraße. 35 Ehrenamtliche verkaufen hier fair gehandelte Produkte aus der ganzen Welt, unter anderem auch Lebensmittel. Und weil das so ist, dürfen auch Kunden rein, erklärt Eva Kollenberg, die heute Dienst hat. Aber immer nur ein Kunde und der darf dann auch nur Lebensmittel kaufen, der Rest der Ware ist mit Bändern abgesperrt. Warum man bei Lidl Rasenmäher und aufblasbare Stand-up-Paddle-Boards kaufen darf, bleibt unklar. „Uns erreichen mittlerweile täglich Hilferufe von unseren Händlern und Herstellern“, erzählt Eva Kollenberg. „Weil wir deren Produkte nicht verkaufen dürfen, bleiben auch die auf ihrer Ware sitzen“, sagt sie.
Zwischen Unverständnis und Zuversicht
Man muss nicht alles verstehen. Gar nichts mehr versteht Timmy Ficocelli, Inhaber des Juweliergeschäftes Riesener. Der temperamentvolle Mann schäumt und will uns gar nicht mehr weglassen. „Was sich unsere Politiker da ausdenken, finde ich nur noch lächerlich“, sagt er. „Ich darf meinen Kunden zu Hause Trauringe zeigen, aber die dürfen nicht zu mir in den Laden, dabei habe ich hier genug Platz“. Er hat noch viel mehr auf dem Herzen, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Ausgesprochen gute Laune hat dagegen Manfred Drecker. Er betreibt das Modegeschäft New Sox und obwohl auch er von vielen Sorgen und Problemen berichtet, wirkt es so, als sei bei ihm das Glas immer mindestens halbvoll. „Sonst gab es hier auch mal einen Kaffee, aber das geht natürlich gerade nicht“, sagt Eva Schmitz, die mit ihrem Mann da ist, der ein neues Hemd braucht. Anrufen und abholen, das ist auch die Regel, an die Manfred Drecker sich halten muss. Seit Mitte Januar, so erzählt er, steht er jeden Tag mindestens zwei Stunden in seinem Laden. Präsent sein, ehrlich sein, „das erste ist, wir helfen euch“, das ist seine Devise. Und seine Stammkunden danken es ihm. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt Drecker. Seine größte Sorge ist, dass die Innenstädte absterben. „Wenn die Läden erst weg sind, dann wird gejammert“, sagt er.