Naturschutz könnte gefährdet werdenOberberger Bauern kritisieren neue Gülleverordnung
Oberberg – Ausgerechnet die für mehr Umweltschutz gedachten Änderungen der Düngeverordnung könnten in Oberberg das genaue Gegenteil bewirken: einen massiven Abbau des Vertragsnaturschutzes durch die heimische Landwirtschaft. Dabei treffen die Gründe, die zu den verschärften Regeln führen, für Oberberg gar nicht zu.
Auf bis zu 1000 Hektar schätzte Olaf Schriever von der Biologischen Station diesen möglichen Abbau in Oberberg und Rheinberg jüngst in der Sitzung des Kreisausschusses für Landwirtschaft und Umweltschutz. CDU, FDP/FWO/DU, Grüne und AfD hatten Anträge eingebracht, wie mit den Auswirkungen der neuen Düngeverordnung umzugehen sei.
Oberberg: Nirgendwo wurde der Vertragsnaturschutz mehr gesteigert
1750 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche werden derzeit nach den Vorgaben des Vertragsnaturschutzes bewirtschaftet. Dazu gehören die extensive Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden, das Anlegen von Streuobstwiesen, der Schutz von Ackerrandstreifen und die Förderung der Artenvielfalt.
226 Betriebe haben sich im Rahmen des Oberbergischen Kulturlandschaftsprogramms (Okula) dazu verpflichtet. „In keinem Kreis in NRW wurde der Vertragsnaturschutz so gesteigert wie in Oberberg“, sagte Helmut Dresbach, der Vorsitzende der Kreisbauernschaft: „Das macht mich stolz.“
Schmale Tallagen und steile Hänge, die ohnehin nur schwer zu bewirtschaften und weniger ertragreich sind, bieten Lebensraum und Rückzugsgebiet für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Die Flächen dürfen nicht oder nur wenig gedüngt und nur von wenigen Tieren beweidet werden. Als Ausgleich bekommt der Landwirt für jeden Hektar Okula-Fläche 430 Euro im Jahr.
Neue Düngeverordnung bringt Bauern in Bredouille
Die neue Düngeverordnung ändert wesentliche Regeln: Bislang durften je Betrieb im Durchschnitt jährlich 170 Kilogramm Stickstoffdünger, also Gülle, je Hektar aufgebracht werden. Die Vertragsnaturschutzflächen wurden – obwohl dort nicht oder kaum gedüngt wird – eingerechnet. So konnten auf einer Wiese durchaus auch 340 Kilo Gülle landen, aber so lange die Vertragsnaturschutzfläche nicht gedüngt wurde, blieb es beim Durchschnitt von 170 Kilo, rechnet Joachim Tichy von der Landwirtschaftskammer in Lindlar beispielhaft vor.
Dass die Vertragsflächen künftig nicht mehr eingerechnet werden dürfen, bringt vor allem die Bauern in die Bredouille, die mit ihren Güllemengen nah am 170-Kilo-Limit sind. Doch wohin mit der Gülle? Logische Konsequenz wäre, dass die Bauern die Abmachungen für den Vertragsnaturschutz beenden, um auch dort wieder Gülle aufbringen zu können. Das wäre weder im Sinn der Landwirte noch des Naturschutzes.
Neue Flächen anpachten, den Gülleüberschuss anderswo loswerden oder den Tierbestand verkleinern, sind für die Landwirte ebenfalls keine echten Optionen. Mehr Flächen gibt es nicht, genügend Gülleaufkäufer auch nicht, wenn alle Bauern dasselbe Problem haben. Und mit weniger Tieren den Betrieb wirtschaftlich zu führen, ist angesichts des Preisdrucks kaum machbar.
Nitratwerte in Oberberg deutlich geringer
Grund für die von der EU geforderte Verschärfung der Düngeregeln sind die überhöhten Nitratwerte im Trinkwasser, wie sie auch in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens vorkommen. In Oberberg liegen die Werte aber nicht über den gesetzlich zulässigen 50 Milligramm, sondern mit durchschnittlich neun Milligramm je Liter Rohwasser der Talsperren deutlich darunter. Möglich gemacht hat das die seit vielen Jahren gut funktionierende Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft – Oberberg ist damit Modellregion.
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Aber trotzdem sollen die neuen Vorgaben auch hier gelten. Die bringen die Bauern in Rage und die Kreispolitik dazu, sich mit einer Resolution an Bund und Land zu wenden. Einen von CDU und FDP/FWO/DU vorgelegten Text verabschiedete der Umweltausschuss einstimmig. Darin wird der Bund aufgefordert, in unbelasteten Regionen wie dem Oberbergischen keine Regelungen in Kraft zu setzen, die den Vertragsnaturschutz gefährden könnten. Und das Land soll alle Möglichkeiten nutzen, die Folgen der neuen Düngeverordnung für unbelastete Gebiete so gering wie möglich zu halten.
Grüne sehen „deutlichen Handlungsbedarf“
Keinen Zuspruch gab es für den Vorstoß der Grünen, durch bessere Angebote beim Vertragsnaturschutz die Bauern dazu zu bringen, ihre Viehbestände zu reduzieren und die finanziellen Nachteile so auszugleichen. Gleichzeitig sehen die Grünen „deutlichen Handlungsbedarf“, weil immer noch mehr an Gülle und Gärresten in den Kreis importiert als aus dem Kreis exportiert würden.
Die Vermutung liege nahe, dass bei einzelnen Betrieben die Grenze von 170 Kilo Stickstoff je Hektar überschritten werde. Dies mittels eines Gutachtens genau festzustellen und zugleich die Betriebe mit Intensivtierhaltung schärfer zu kontrollieren, war Kern des AfD-Antrags, der aber ebenfalls keine Mehrheit fand.