Ein Pedelec statt UrlaubOberbergs Fahrradhändler erleben bislang unbekannten Ansturm
- Das Coronavirus sorgte deutschlandweit für große Einschränkungen in der Freizeitgestaltung der Gesellschaft.
- Nun, da die Maßnahmen weitestgehend gelockert sind und das Wetter sehr gut ist, erfreut sich das Fahrrad wieder großer Beliebtheit.
- Das erleben die Fahrradhändler und -werkstätten in der Region.
Oberberg – „So einen Boom habe ich in 46 Jahren noch nie erlebt. Es ist der absolute Wahnsinn!“ Thomas Klein strahlt. Vor seinem Geschäft Zweirad-Klein in Bielstein stehen die Kunden Schlange. Wer ein neues Rad kaufen möchte, muss vorher einen Beratungstermin vereinbaren. Ob er dann überhaupt ans Ziel seiner Wünsche gelangt, ist keineswegs sicher. „Manche Modelle von E-Bikes und Mountainbikes sind zu 100 Prozent ausverkauft, der Markt ist leer gefegt. Wir haben jetzt schon unsern Lagerbestand verkauft, der eigentlich bis Ende August reichen sollte“, berichtet Klein.
Lars Oberndorf aus Bergneustadt ist einer der Kunden, die vor der Tür auf Einlass warten. Er hätte bis Ende November auf sein neues Rad warten müssen, erzählt er. Da habe er sich lieber ein gebrauchtes gekauft, jetzt steht er an für Ersatzteile. Auch auf die müsse man lange warten, fürchtet sein Hintermann Markus Limburger aus Ruppichteroth, an dessen Rad eine Felge kaputt ist. In der Werkstatt herrscht Hochbetrieb, rund sieben Wochen warten Kunden auf eine Reparatur. Da muss Azubi David Mischnick kräftig mit anpacken.
14 Stunden Arbeit am Tag
Bei Udo Dusynski vom Zweirad-Shop in Waldbröl sind es „nur“ vier Wochen, bis ein Bike wieder flott ist. Während des Lockdowns haben die Werkstätten nur Notreparaturen durchgeführt, Beratung gab’s am Telefon. Und jetzt? „Es ist kaum zu schaffen“, stöhnt der Dieringhauser Händler Rüdiger Hackländer. Er und seine Frau arbeiten täglich 14 Stunden. „Im Sommer ist immer viel los. Aber dieser chaotische Run ist eindeutig eine Auswirkung der Corona-Zeit.“ Viele Kunden hätten Geld für den Urlaub eingeplant, jetzt sei die Reisen storniert, das Geld auf dem Konto, die oberbergischen Berge dank E-Bike genussvoll zu erklimmen. Oder gleich eine Woche lang der Moselradweg in Angriff nehmen, wie Reinhard Buchholz und seine Frau, die gerade ihre E-Bikes bei Zweiradmeister in Waldbröl aus der Inspektion abholen.
Hier wie bei fast allen Fahrradgeschäften geht schon lange niemand mehr ans Telefon. „Keine Zeit“, sagt Mitarbeiter Robin Hannes. Nachrichten werden am Abend beantwortet, es gibt Abholabende für Kunden nach der regulären Geschäftszeit, Aushilfen wurden eingestellt, um den Andrang zu bewältigen. „Die Fahrradbranche gehört auf jeden Fall nicht zu den Verlierern der Krise“, sagt Hannes. Er hat beobachtet, dass viele Käufer sich nach der Urlaubsabsage spontan zum Kauf eines neuen Rades entschließen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Helen Frank aus Nümbrecht lässt sich erst einmal ausführlich beraten. Sie nutzt ihr Rad in der Freizeit, fährt auch mal bis nach Köln. Jetzt will ihr Arbeitgeber sie beim Kauf eines E-Bikes unterstützen, damit will sie dann auch zur Arbeit fahren. „Viele Modelle können aber erst im Herbst geliefert werden“, warnt der Verkäufer.
Fahrradreifen werden dagegen nicht knapp, beruhigt Pressesprecherin Doris Klytta vom Reifen-Hersteller Schwalbe. „Wir hören zwar von den Händlern und Werkstätten, dass sie nicht mehr wissen, wo oben und unten ist, aber wir sind gut bevorratet und haben keine Engpässe.“ Nicht zuletzt deshalb, weil die Firma eigentlich fürs Frühjahr eine große Werbeaktion geplant habe, die Corona zum Opfer fiel.