Singen auf AbstandInterview mit Oberbergs Kreischorleiter Dr. Dirk van Betteray
Wie schwer trifft Corona die oberbergische Chorszene?
Betteray: Ich rechne damit, dass weitere Chöre aufgeben werden, nämlich vor allem die Vereine, denen es ohnehin nicht gut ging. Wenn die Proben wegen Corona lange ausgesetzt wurden, merken die Sänger und Sängerinnen, dass sie diese Abende ohne den Chor ausfüllen können. Besonders schwierig ist das bei Kindern und Jugendlichen, die sich andere Hobbys suchen.
Was kann man dagegen tun?
Ich habe mit meinen Ensembles schon nach Pfingsten angefangen, zumindest in den einzelnen Stimmen zu proben. Es hilft, dass es in einigen Orten unserer Region große Räumlichkeiten gibt, die unter anderem auch meinen Chören coronakonforme Gesamtproben ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise die Morsbacher Kulturstätte, die Bielsteiner Aula sowie mehrere Kirchen. Dort kann man die Sänger weit voneinander aufstellen. Diese Möglichkeiten haben andere Chöre nicht.
Aber Proben allein bringt einen Chor auf Dauer auch nicht weiter.
Ganz genau, man muss auf ein Ziel hin proben. Ich möchte darum vielleicht schon zum Jahreswechsel gern kleine Konzerte veranstalten, auch wenn das finanziell ein Desaster werden dürfte. Gerade das ältere Publikum weiß einen Sitzabstand von 1,50 Meter zu schätzen. In der Bielsteiner Aula bedeutet das, dass 40 Sänger und Sängerinnen meines Projektchors vielleicht nur 50 Zuhörer haben werden, weil mehr Leute nicht in den Saal passen.
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Wie lange hält die Szene das noch aus?
Früher hieß es: „Singen ist gesund.“ Leider fürchten Chormitglieder und Zuhörer, die selbst oder deren Angehörige zu Risikogruppen gehören, dass das derzeit nicht gilt, und dafür habe ich volles Verständnis. Die Chorsänger und -sängerinnen brauchen eine Gemeinschaft, die aber nur eingeschränkt möglich ist. Singen auf Abstand ist immer etwas steril. Und wenn die Vereine auf Dauer keine Konzerte oder Feste veranstalten, kommen sie auch bald in eine finanzielle Schieflage. Wir wissen nicht, wie es in einem halben Jahr aussieht. Man kann nur auf Sicht fahren.
Interview: Reiner Thies