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Angst um die FamilieUkrainer aus Oberberg organisieren Lieferungen ins Kriegsgebiet

Lesezeit 5 Minuten

Rosenmontag machten sich Menschen aus Oberberg auf den Weg, den Transporter stellte eine Lindlarer Firma.

Oberberg/Wien – Sie sitzen am Steuer, um Hilfslieferungen ins Kriegsgebiet zu bringen. Sie organisieren Hilfe oder bangen um Angehörige: Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist auch für Menschen in Wipperfürth und Lindlar, die aus der Ukraine stammen, nichts mehr normal.

Wir sprachen mit ihnen. In diesem Bericht nennen wir teils bewusst nur die Vornamen unserer Gesprächspartner. So sind zum Beispiel Artur und Inna aus Oberberg unterwegs, um selbst Hilfsgüter in das Kriegsgebiet zu transportieren. Die vollständigen Namen und Wohnorte sind der Redaktion aber bekannt.

Hilfslieferungen des Blau-Gelben Kreuzes

Seit dem frühen Rosenmontag sind Artur (33) und Inna (32) auf dem Weg in die Ukraine, die sie 2016 verlassen haben. Artur arbeitet in Lindlar im Oni-Werk, Inna in Wipperfürth in einer Kanzlei. Die Sonne ist gerade über dem Wiener Autobahnkreuz aufgegangen, als wir sie am Telefon erreichen.

Die Müdigkeit zerrt an den beiden Gummersbachern, aber für ein Nickerchen sind sie viel zu aufgeregt. Erst vor einer halben Stunde hat das im Osten der Ukraine geborene Paar die nächste Hiobsbotschaft erhalten. Ausgerechnet auf dem Friedensplatz, dem zentralen Platz von Innas Heimatstadt Charkiw, schlägt am Dienstagmorgen eine Rakete ein. Nach und nach trudeln Videos und Fotos von Freunden auf den Smartphones der Oberberger ein, die die Zerstörung in der mit rund 1,4 Millionen Einwohnern zweitgrößten Stadt des Landes zeigen. „Dieser Ort heißt Friedensplatz. Das muss man sich einmal vorstellen. Die Russen beschießen einen Friedensplatz“, wiederholt Inna fassungslos.

Unterwegs zur Grenze

In einem Transporter legen sie seither Kilometer um Kilometer gen Osten zurück. Das Fahrzeug hat Arturs Arbeitgeber Wolfgang Oehm zur Verfügung gestellt und zwar ohne jedes Zögern. „Dafür sind wir unheimlich dankbar“, lobt Inna den Chef.

Auf der Ladefläche haben die Gummersbacher Medikamente, Babynahrung, Schlafsäcke und Hygieneartikel gestapelt, die am Wochenende beim Deutsch-Ukrainischen Verein „Blau-Gelbes Kreuz“ in der Kölner Südstadt abgegeben wurden. „Es waren so viele Menschen dort, die Spenden gebracht und die Sachen sortiert und eingeladen haben“, erinnert sich Inna Heber. Nun gehe es darum, die Hilfe in die Ukraine zu bringen.

Ausgeguckt haben sich die Oberberger eine Route über Ungarn und Rumänien. Genauer solle es nicht werden, zu unsicher ist derzeit auch die Prognose, wo sie die Grenze überqueren und welche Region sie danach ansteuern können. Dass ihr Gepäck aber inzwischen praktisch überall gebraucht wird, steht für die beiden fest.

Zumindest bevor sie auf ukrainischen Boden rollen, wollen sie eine kleine Pause einlegen. Innas Gedanken sind vor allem bei ihren Eltern, die die Ost-Ukraine verlassen wollen, aktuell aber festsitzen. „Wir weinen sehr viel“, berichtet sie.

Kontakt zu Angehörigen halten

In Lindlar bangt Polina um ihre Familie, die am Stadtrand von Kiew lebt. Polina ist 41 Jahre alt, hat einen fünfjährigen Sohn. „Meine Vorfahren kamen aus Russland – wir sprechen mit unserem Sohn Russisch, nicht Ukrainisch“, erklärt die Lindlarerin, die deshalb fürchtet, zur Zielscheibe anti-russischer Stimmung zu werden, obwohl sie klar für die Ukraine Position bezieht.

Kontakte in Oberberg

Eine Halle für HilfsgüterGesucht wird eine Halle in Oberberg. Wer helfen möchte, kann sich über Facebook an Valentyna Butulay wenden oder über Telefon 0151/400 30 968. Dringen benötigt würden außerdem Hygieneartikel für Frauen und Kinder.

Dolmetschen Wer in Oberberg Hilfe bei der Übersetzung benötigt, kann sich an Polina in Lindlar wenden, sie spricht Deutsch, Russisch und Ukrainisch. Den Kontakt vermittelt unsere Redaktion in Wipperfürth. Schreiben Sie dazu bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Übersetzung“ an die Adresse: redaktion.wipperfuerth@ksta-kr.de

Erst vor drei Wochen hat Polina die Angehörigen im Westen Kiews besucht. „Niemand hat eine komplette Invasion erwartet“, verrät sie rückblickend. Inzwischen verfolge ihre Familie, wie russische Fallschirmjäger in den Wäldern des Stadtbezirks landen. Polinas Angehörige verbringen die Nächte nun regelmäßig in der Tiefgarage eines benachbarten Hochhauses. „Dort brennt Paletten-Holz in Feuertonnen gegen die Kälte“, beschreibt Polina die Schilderungen von vor Ort.

„Der Angriff schweißt die Ukrainer ganz fest zusammen“, ist sich die Lindlarerin sicher. Eine Kapitulation sei keine Option. „Denn niemand garantiert uns, dass es unser Land noch geben wird, wenn wir die Waffen niederlegen.“ Die letzte große Hoffnung, so sagt es Polina, sei die russische Bevölkerung. „Sie muss den Krieg ihrer Regierung beenden und das System von innen zum Zusammenbruch bringen.“

Vorbereiten auf Geflüchtete

Wenn auch in Oberberg Geflüchtete aus der Ukraine ankommen, will Polina helfen. Sie spricht fließend Deutsch, Russisch und Ukrainisch und bietet sich für die Kommunikation zwischen Geflüchteten, Hilfsinitiativen und Behörden an.

Wir suchen dringend für ein oder zwei Tage eine Halle, in der wir all die Spenden bis zum Transport an die polnisch-ukrainische Grenze unterbringen können!“ Valentyna Butulay hat keine Zeit – im Minutentakt rufen Menschen aus ganz Oberberg an und wollen einen Beitrag leisten.

Benötigt werden noch Hygieneartikel

Der Spendenaufruf, den Valentyna Butulay am Samstag veröffentlichte, hat eine Welle der Hilfsbereitschaft im ganzen Kreis ausgelöst. Der Bus, den ihr Bruder in Richtung Ukraine fährt, ist randvoll mit Kinder- und Frauenkleidung, Schuhen, Hygieneartikeln.

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Die Wohnung von Butulay, die seit 1999 in der Kreisstadt Gummersbach lebt, platzt inzwischen aus allen Nähten. Deshalb hat sie bei einer Spedition einen Lastwagen organisiert, der bald starten soll. Der Bedarf besteht weiter: „Dringend gebraucht werden noch Hygieneartikel für Frauen und Kinder“, sagt sie. (sfl/lb/ms)