Herr Sigurdsson, Ihre Mannschaft hat die Hinrunde als Spitzenreiter abgeschlossen. Wie fällt Ihr Fazit der ersten Saison-Hälfte aus?Sigurdsson: Wir haben gute Fortschritte gemacht und sind konstanter geworden. Die beiden Abwehrsysteme, die defensive 6:0-Variante und die offensive 3:2:1-Formation, haben lange gut funktioniert. Zudem haben wir mit unseren Torhütern Tibor Ivanisevic und Martin Nagy einen starken Rückhalt. Unser Tempospiel ist deutlich besser geworden. Insgesamt gesehen hat es schneller als gedacht geklappt, die jungen Spieler zu integrieren.
Wen meinen Sie damit genau?
Grundsätzlich alle. Wir haben eine sehr junge Mannschaft. Da war es klar, dass die Leistungen auch mal schwankend sein werden. Die Ausschläge zwischen sehr gut und schlecht sind mir aber noch ein bisschen zu groß.
Spielen Sie auf die 25:28-Niederlage im vorletzten Auswärtsspiel in Rimpar an?
Unter anderem. In dieser Partie hatte keiner unserer Spieler Normalform. Wenn wir aber so weit von der Normalform weg sind, dann muss es an meiner Vorbereitung liegen. Und deswegen geht die Niederlage in Rimpar auf meine Kappe.
Was stimmt Sie zum Jahreswechsel besonders froh?
Dass wir einen schnellen und attraktiven Handball spielen. Dabei geht auch mal ein Ball verloren, das ist normal. Ich bin sehr zufrieden mit der Mannschaft und damit, welches Verhältnis die Spieler untereinander haben. Es herrscht ein gesundes Arbeitsklima mit einer gesunden Konkurrenz. Man merkt, dass sich die Spieler untereinander vertrauen.
Der VfL möchte zurück in die Erste Liga, was im vergangenen Sommer knapp verpasst wurde. Wird es am Ende dieser Saison so weit sein?
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Wir müssen uns auf unsere Werte und Grundlagen konzentrieren. Wenn wir jedes Spiel mit Ausstrahlung und Kampfkraft angehen, werden wir Erfolge feiern. Ich möchte, dass wir auf uns schauen, auf das, was wir beeinflussen können, und nicht auf die Tabelle oder wer wo gegen wen spielt. Wir sollen das kontrollieren, was wir auch wirklich kontrollieren können.
Was können Sie gegen die Leistungsschwankungen unternehmen?
Wir müssen noch konstanter werden. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Spieler Angst haben zu scheitern, was zu einer gewissen Unsicherheit führt. So etwas findet vor allem im Kopf statt. Es sind unsere Werte, die uns stark machen – und daran müssen wir arbeiten.
In der vergangenen Saison hat der VfL in der heimischen Schwalbe-Arena nur einmal verloren, in dieser Spielzeit noch gar nicht – dafür aber viermal auswärts. Wie erklären Sie sich das?
Man kann nicht von einer generellen Auswärtsschwäche sprechen. Mit den souveränen Siegen in Hamm und Nordhorn haben wir gezeigt, dass wir gegen direkte Konkurrenten auch in fremden Hallen glänzen können. Das war in der vergangenen Saison nicht so. Da haben wir die entscheidenden Spiele um den Aufstieg in Hamburg und Lübbecke verloren. In diesem Punkt haben wir eindeutig Fortschritte gemacht. Insgesamt ist die Liga im Vergleich zur vergangenen Saison aber noch ausgeglichener geworden.
Haben Sie Angst, dass der VfL die Bundesliga-Rückkehr erneut verfehlen könnte?
Warum sollte ich Angst haben? Wir spielen Handball, um unseren Fans und uns selbst Freude zu bereiten. In Corona-Zeiten merkt man zwar deutlich, dass es wichtigere Sachen gibt als Handball. Aber so lange wir trainieren und spielen können, wollen wir unseren Fans unsere bestmögliche Leistung zeigen. Und dann schauen wir, wo wir am Ende landen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in dieser Saison?
Wir wollen noch schneller und aggressiver werden, mehr als ein Abwehrsystem spielen können und junge Talente heranführen. Ich bin sehr zufrieden mit den Fortschritten, die wir bislang erzielt haben.
Wie arbeiten Sie konkret?
Ich denke wie alle Trainer mit dem Anspruch, meine Spieler jeden Tag besser zu machen . In der Vorbereitung auf die Spiele arbeite ich viel mit Videomaterial über den anstehenden Gegner und fasse das für meine Spieler entsprechend zusammen.
Die aktuelle Zweite Liga wird oft als die beste, die es je gab, bezeichnet. Hängt das damit zusammen, dass die Erste Liga ein bisschen gesättigt ist und viele Bundesligisten finanziell nicht mehr die ganz großen Möglichkeiten haben?
Es stimmt, dass sich viele Zweitligisten verstärkt haben. Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass viele Talente an Zweitligisten ausgeliehen werden, um Spielpraxis zu sammeln. Wie bei uns Ole Pregler oder Martin Nagy . Bei solchen Ausleihen spielt sicher eine Rolle, dass die Zweite Liga in Deutschland eine der ausgeglichensten Ligen in Europa ist. Sie hat viel Fanzuspruch. Darum macht die Aufgabe als VfL-Trainer auch so große Freude.
Ihre Mannschaft hat eine ganze Reihe von Verletzten zu beklagen. Haben Sie das Gefühl, dass die Gegner gegen den VfL, der ja nach wie vor eine Größe im Handball ist, besonders aggressiv zur Sache gehen?
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Gegner uns mit zu viel Aggressivität begegnen. Es waren viele Unfälle dabei, die man nicht verhindern konnte. Mathis Häseler wurde bei einem Spiel der U19-Nationalmannschaft gefoult und brach sich das Sprunggelenk. Hakon Styrmisson kam im Training bei einem Zweikampf so auf, dass sein Knie wegknickte und er sich einen Kreuzbandriss zuzog.
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Fynn Herzig verletzte sich am Knie, kurz nachdem er seine Schulterverletzung auskuriert hatte. Alexander Hermann brach sich bei einem unglücklichen Zusammenstoß einige Knochen im Gesicht und musste acht Monate später noch einmal operiert werden. Lukas Blohme fiel beim Einlaufen ein Spieler auf das Bein, dabei zog er sich einen Innenbandriss zu. Raul Santos hat immer wieder Probleme mit seiner Wade, was wir gerne in den Griff kriegen würden.
Sie haben Ihren Vertrag Anfang Dezember vorzeitig bis 2025 verlängert. Was sprach für den Verbleib?
Die Arbeit beim VfL macht mir so viel Freude, dass es für mich logisch war, zu verlängern. Die Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Christoph Schindler und dem Trainerteam läuft gut. Und auch das Team hinter dem Team unterstützt uns sehr. Wir hoffen, uns noch weiter verbessern zu können. Außerdem fühlt sich meine Familie in Gummersbach sehr wohl.
Mit Kreisläufer Robert Gunnarsson und Ihnen als Spielern sowie Alfred Gislason als Trainer wurde beim VfL Gummersbach einst eine erfolgreiche Ära mit isländischen Kräften begründet. Heute stammen drei Handballer Ihrer Mannschaft aus Island. Und auch in der Ersten Bundesliga tummeln sich zahlreiche Landsmänner. Woher kommt dieser Zulauf?
Die Ausbildung auf Island ist erstklassig. Es wird darauf geachtet, dass die Kinder sich nicht zu früh spezialisieren, sondern viele Möglichkeiten haben, viel Freiheit genießen und viel draußen sind. Dabei arbeiten die Schulen und Vereine zusammen. Jeder Stadtteil versucht, den Kindern viel zu bieten, wobei sich die Vereine untereinander abstimmen, damit jeder an jedem Angebot teilhaben kann. In der Jugend wird dann sehr viel Wert auf gute Trainer gelegt.
Durch anhaltendes Verletzungspech hatte Ihre Mannschaft zuletzt keinen etatmäßigen Linksaußen mehr zur Verfügung. Hat es Sie in dieser Phase eigentlich in den Fingern gejuckt, nochmal selbst aufzulaufen?
Nein! Eines weiß ich: Ich werde kein Trikot mehr anziehen.