Viel zu trockenMilchbauern in Wipperfürth und Lindlar fürchten um die Ernte
Wipperfürth/Lindlar – „Es staubt inzwischen dermaßen, dass wir die Maschine direkt hinter dem Traktor nicht mehr erkennen können.“ Die Kreisbauernschaft Oberberg (KBO) warnt vor dramatischen Verlusten bei der Grasernte 2020. Angesichts der Trockenheit spricht Franz Bellinghausen, der neue Vorsitzende der KBO, von den schlechtesten Bedingungen seit Jahrzehnten.
„Wir haben Angst um den für uns so wichtigen ersten Schnitt der Saison“, berichtet Bellinghausen unserer Zeitung. Mit vielen Kollegen teilt er aktuell eine große Sorge: Die enorm trockene Witterung, zuletzt verbunden mit kühlen Nächten und scharfem Ostwind, könnte die bergischen Landwirte dazu zwingen, bereits in Kürze die Mähwerke anzuhängen – obwohl kaum Ertrag auf den Wiesen steht.
Es müsse ein „Notschnitt“ her
„Wenn das Gras den Blütenstand ausprägt, ist seine Wachstumsphase vorbei“, erklärt Marco Mickenhagen, der im Wipperfürther Norden nahe Egen knapp 90 Milchkühe hält. Dann müsse ein „Notschnitt“ her, der Ausgangspunkt für die nächste Wachstumsrunde. Die Frage, wann ein möglichst günstiger Zeitpunkt dafür sei, beschäftige derzeit alle Grünlandbesitzer der Umgebung, so Mickenhagen.
Warnung vor Waldbrandgefahr
Seit über fünf Wochen hat es nicht mehr geregnet. Das trifft auch die Waldbauern hart.
Dr. Philipp Freiherr Heereman ist Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW: „Es werden weitere Waldbrände durch das trockene Wetter folgen. Denn durch Borkenkäferbefall und Sturmschäden liegen riesige Mengen ausgetrockneter und leicht entflammbarer Baumkronen, Äste und Reisig auf den Flächen. Da reichen wenige Funken aus, um trockene Gräser, Sträucher und Astmaterial zu entzünden.“
Der Deutsche Feuerwehrverband gibt vier Tipps zum Vermeiden von Bränden:
• Werfen Sie keine Zigaretten oder andere brennende Gegenstände in die Natur.
• Lassen Sie niemals Fahrzeuge mit heißen Abgasanlagen auf
trockenen Feldern oder Wiesen stehen.
• Grillen Sie in der Natur nur auf dafür ausgewiesenen Plätzen.
• Melden Sie Brände oder Rauchentwicklungen sofort über Notruf 112. (sfl)
Die gleichen Probleme zeigen sich auch auf Lindlarer Boden. Martin Gräf hat die letzten Tage für die Maissaat genutzt. Der Getreidesamen finde noch genug Feuchtigkeit, aber auf dem Grünland seien die Zustände katastrophal. „Und Gras ist halt das Hauptfutter im Oberbergischen“, erklärt der Remshagener und greift in den Staub. Geplant war der erste Grasschnitt für die 240 Milchkühe für Anfang Mai. „Doch aktuell wächst nichts, obwohl die Temperaturen in Ordnung sind“, so Gräf. Ob es auf seinen Wiesen einen „Notschnitt“ geben und wann der kommen wird – derzeit völlig unklar.
Derart schlechte Startbedingungen in 50 Jahen nicht erlebt
Dabei waren die bergischen Landwirte eigentlich guten Mutes in das Frühjahr gestartet. Der März lieferte anfangs ordentlich Regen. „Es war so nass, dass man kaum auf die Wiesen kam. Doch danach kam bis heute gar nichts mehr“, beklagen Marco Mickenhagen und Martin Gräf. Selbst in den beiden zurückliegenden Dürrejahren habe man den April noch als relativ feuchten Monat kennengelernt, betont Franz Bellinghausen.
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Seit rund 50 Jahren beobachtet er Wetter und Pflanzenwachstum in Engelskirchen – an derart schlechte Startbedingungen für das Grünland könne er sich nicht erinnern, so der KBO-Vorsitzende. Die erwarteten Ernteausfälle werden zu einer drastischen Reduzierung der oberbergischen Viehbestände führen, fürchtet Bellinghausen. Zum einen seien verlorene Frühjahrs-Ernten in Sachen Qualität und Menge kaum zu kompensieren. „In Richtung Herbst werden die Ernten tatsächlich deutlich nasser und sind damit viel schwieriger zu silieren“, erklärt Mickenhagen.
Kaum noch Futtervorräte
In einigen Betrieben mache die erste Ernte die Hälfte des Jahresertrages aus, ergänzt Gräf. Zum anderen seien Futtervorräte wegen der dürren Vorjahre nicht mehr vorhanden, der Markt leergekauft und die Preise auf Rekordniveau. „Da bleibt vielen Kollegen nur der Gang zum Metzger“, so Bellinghausen. Mickenhagen und Bellinghausen wünschen sich zügig eine Regenphase. Futter-Reserven gibt es auch auf ihren Höfen nicht mehr.
„Für den Anfang würde uns eine Woche mit Niederschlägen helfen“, betont der KBO-Vorsitzende. Damit der ausgedörrte Boden die Feuchtigkeit auch aufnehmen kann, müsse der Regen allerdings gleichmäßig verteilt fallen – und nicht in kurzen Sturzbächen. „Es frustriert“, findet auch Martin Gräf. „Wir haben alles für einen erfolgreichen Schnitt getan. Und dann kam die Trockenheit.“