Wenn im Kreis Olpe vermehrt Fahrzeuge mit GM-Kennzeichen fahren, liegt das an der Cyber-Attacke auf die dortige Verwaltung.
Nicht alle mögen „GM“Oberbergische Zulassungstellen leisten nach Cyber-Attacke Amtshilfe für Kreis Olpe
Donnerstag, Freitag, der halbe Samstag, das sind „Olpe-Tage“. Wer dann in die Waldbröler Zulassungsstelle des Oberbergischen Kreises kommt, um ein Fahrzeug zuzulassen oder abzumelden, der hat einen langen Weg hinter sich. Denn im Kreis Olpe geht gerade kaum etwas, am 30. Oktober hat eine Cyber-Attacke die Verwaltung dort lahmgelegt. Oberberg hilft: Vier Beschäftigte in Waldbröl und vier in Hückeswagen sorgen dafür, dass der Verkehr weiterrollt. Allerdings presst Andreas Happ dann ein „GM“ ins Kennzeichenblech und kein „OE“: Schräg gegenüber der Zulassungsstelle an der Gerdesstraße führt der Geschäftsmann einen Autoschilder-Service. Und über Langeweile kann Happ nicht klagen: „Ich habe doppelt so viele Kunden wie vorher.“
Wer in seinem Container an den Tresen tritt, der hält die Papiere für sein Fahrzeug in der Hand, so auch Carsten Förster aus Hünsborn. Er hilft seinem Schwager: „Der möchte mit dem Auto in den Urlaub fahren und braucht dringend die Zulassung.“ Seinen Termin in der Zulassungsstelle beschreibt Förster als „blanken Horror“. Damit kritisiert er aber nicht das Personal, im Gegenteil. Ihn regen Menschen aus dem Heimatkreis auf, die online für zwei, drei Zulassungen Waldbröl-Zeiten buchen, aber nicht auftauchen: „Das bringt alles durcheinander“, sagt er und schüttelt den Kopf: „Der Cyber-Angriff zeigt, wie anfällig alles ist, am Ende hängen Arbeitsplätze davon ab.“ Er sei froh, dass er in der Marktstadt alles erledigen kann.
Kollegen aus Olpe nach Waldbröl und Hückeswagen abgeordnet
Das freut Rica Sondermann, sie leitet in Olpe den Fachservice Kfz-Zulassung und die Führerscheinstelle. Bisher klappe die Kooperation mit dem Oberbergischen Kreis reibungslos. Nach einem Probelauf am 14. November haben die Mitarbeitenden aus ihrer Zulassungsstelle in Waldbröl alle Hände voll zu tun. „Wir mussten nur die Abläufe ein wenig anpassen, aber zum Glück arbeiten wir nach denselben Verfahren“, führt Sondermann aus. Bei der Abordnung der Kolleginnen und Kollegen habe der Kreis darauf geachtet, dass der längere Weg zur Arbeit zum persönlichen Alltag passe. Zu ihrer Situation äußern dürfen die sich indes nicht – „Anweisung“.
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Amtshilfe aus Gummersbach gibt es zudem beim Elterngeld und bei Schwerbehinderten-Angelegenheiten, das Waldbröler Rathaus stellt dem gebeutelten Kreis Olpe derweil Arbeitsplätze für die Bearbeitung dringender Angelegenheiten im Einwohnermeldeamt, etwa für die Ausstellung von Reisepässen und Personalausweisen, zur Verfügung. Aber da sei mehr drin, eine Ausweitung auf andere Verwaltungsbereiche möglich, versichert Bürgermeister Larissa Weber. „Wir handeln aus Solidarität. Auch wir können mal in diese Lage geraten.“ Waldbröl helfe so lange wie eben nötig.
Normalbetrieb nicht absehbar
„Wann wir in den Normalbetrieb zurückkehren, kann niemand abschätzen“, bedauert die Olper Kreissprecherin Stefanie Gerlach. Als die Aufforderung von der Bezirksregierung Arnsberg zur Amtshilfe kam, habe Oberbergs Straßenverkehrsamt bereits in den Startlöchern gestanden, verrät Chefin Kerstin Gipperich: „Da hatten wir uns aufgrund der geografischen Nähe schon für Olpe entschieden.“ Mehr als 70 Städte, Gemeinden und Kreise in Südwestfalen sind insgesamt Opfer dieses Angriffs geworden. Während in Waldbröl Privatkundschaft bedient wird, sind Autohändler und Zulassungsdienste in Hückeswagen an der richtigen Adresse. Haben diese jedoch im ebenso angegriffenen Kreis Siegen-Wittgenstein ihren Sitz, so können sie die Stelle in Gummersbach nutzen. Da stehen drei Plätze bereit.
An der Waldbröler Gerdesstraße wartet derweil Mario Skoro auf seinen Termin. Er hat sich ein Auto gekauft, das nun mit „GM“ unterwegs ist. „Sobald es geht, melde ich den Wagen um“, kündigt Skoro an, er wolle lieber „OE“. „Aus Tradition“, betont der Mann aus Olpe-Rüblinghausen. Ob es dafür Kulanz gibt und Menschen wie Skoro ihr Fahrzeug später kostenlos ummelden dürfen, das werde zurzeit geprüft, berichtet Serviceleiterin Rica Sondermann.
Kunden äußern sich zufrieden über den Service in Waldbröl
Nachdem Thomas Flick aus Lennestadt ein Auto erhalten hat, das nicht der Annonce entsprach, hat er ohnehin Stress. Jetzt will er dieses Fahrzeug wieder abmelden. „In einer guten Stunde war ich in Waldbröl und bin sehr froh, dass ich hier nun alles in die Wege leiten kann.“ Einen ähnlich weiten Weg hat auch Michael Gierse aus Finnentrop zurückgelegt. Den Ärger anderer Kundinnen und Kunden über die Fahrt in Oberbergs Süden teilt auch er nicht. Ihn wurmt allerdings, dass er in der Zulassungsstelle mit der Karte bezahlen kann, bei Andreas Happ aber Geld hinlegen muss – jetzt sucht er an der Kaiserstraße einen Geldautomaten. „Wir alle erleben eine Ausnahmesituation, daher bin ich zufrieden, dass es weitergeht.“ Er werde das „GM“-Kennzeichen vorerst behalten und ein neues erst beantragen, wenn es das kostenlos gibt.
Zahlen aus Oberbergs Straßenverkehrsamt
Zahlen, wie viele Menschen aus dem Kreis Olpe den Zulassungsdienst des Oberbergischen Kreis bisher genutzt haben, gibt es nicht. Allerdings, berichtet Kreissprecherin Iris Trespe, habe es seit dem Beginn der Kooperation am 15. November in Gummersbach und Waldbröl insgesamt 1200 Zulassungen von Fahrzeugen gegeben, deren Halterinnen und Halter in anderen Kreisen gemeldet sind, also auch in den von jenem Cyber-Angriff betroffenen Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein.
Andere Zahlen ergänzt Amtsleiterin Kerstin Gipperich: Pro Monat bearbeitet die Zulassungsstelle mehr als 6000 bis fast 10 000 Fälle, der Durchschnitt liege bei etwa 7200. Für fast alle Zulassungen – Ausnahmen sind Abmeldungen und Neusiegelungen – muss vorab im Internet ein Termin festgemacht werden. „Leider buchen viele Kundinnen und Kunden vorsorglich mehrere Termine, aber stornieren keinen.“ Die Ausfallquote beziffert Gipperich auf 10 bis 20 Prozent pro Monat.