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SchauspielstudioWiehler Bühne zeigt Kleists „Der zerbrochene Krug“

Lesezeit 3 Minuten
Bühnenszene mit drei Darstellern.

„Zum Stolpern brauchts nicht mehr als Füß“: Michael Albrecht als Dorfrichter Adam (M., mit Fabian Beer und Angela Harrock).

Die Frauen schlagen zurück: Das Schauspielstudio Oberberg führt in Kleists Klassiker mit einem Besetzungstrick eine neue Perspektive ein.

Zerbrochen ist er, der Krug. Mit solcher Wucht wurde er vom Fensterbrett gestoßen, dass seine Stücke in alle vier Ecken des Zimmers der jungen Eve flogen. Nun steht das Keramikteil in Scherben auf dem Richtertisch des Huisumer Dorfrichters Adam in der Provinz Utrecht. Denn Frau Marthe, Eves Mutter, verlangt vehement Aufklärung darüber, wer in Eves Zimmer eindrang.

Ein Mix aus Komödie und Sittenbild des beginnenden 19. Jahrhunderts sowie der Jetztzeit nimmt temperamentvoll seinen Lauf im Theater an der Warthstraße. Das Ensemble des Schauspiel-Studios Oberberg hat sich unter der Regie von Raimund Binder des Kleistschen „Zerbrochnen Krugs“ angenommen. Des Stücks, mit dem vor 30 Jahren auch die Geschichte des Wiehler Theaters anfing.

Wiehler Inszenierung hat eine Gerichtsrätin

Binder und sein Ensemble haben den Klassiker, ohne ihn sprachlich zu verändern, mit Bühnenbild und Kostümen in die Moderne transportiert. Der Gerichtssaal ist ein Chaos, nimmt den Wirrwarr in Adams (Michael Albrecht) Kopf und seiner Rechtsauffassung auf. Der „Zerbrochne Krug“ ist nicht nur Komödie, sondern führt mit spitzer Feder ein korruptes und willkürliches Rechtssystem vor. Albrecht ist armselig-komisch im Bemühen, seine Schuld am zerbrochenen Krug zu verschleiern. Und er ist diabolisch, wenn er Eve (Anna Franziska Pflitsch) zischelnd bedroht, ihn nur nicht zu verraten.

Eigentlich der Besetzungsnot geschuldet, ist es dennoch ein wunderbarer Twist, dass Gerichtsrat Walter hier dank einer brillanten Angela Harrock zur autoritär-zürnenden Gerichtsrätin wird, die Adam souverän, ungeduldig und dabei höchst elegant seine Grenzen aufzeigt. Regisseur Raimund Binder hat es mit seinem Ensemble geschafft, die Ambivalenz der Figuren klar sichtbar zu machen.

Weitere Aufführungen an der Wiehler Warthstraße

Anna Franziska Pflitsch als Eve verwandelt überzeugend das Rollenbild des gedemütigten Opfers einer Untat an ihrem Leib – das Zerbrechen des Krugs hat ja auch eine sexuelle Konnotation – zur sich wehrenden Frau, die ihr Schicksal nicht hinnehmen will. Colin Knura als Gerichtsschreiber Licht wechselt von verhuscht zu beflissen, in seiner Biederkeit kaum zu überbieten und doch listig darin, seine Kompetenz unter Beweis zu stellen. Und Fabian Beer als Eves wutschnaubender Verlobter, fälschlich beschuldigt, der Wüstling gewesen zu sein, macht aus seinem ersten Auftritt auf der Wiehler Bühne eine Schau. Er wütet, stampft und schreit, seine Qual ist greifbar, seine Gefühle sind groß. Thomas Knura als sein Vater, Veit Tümpel, gibt den Ruhepol, deeskaliert durch seine schiere Präsenz.

Mit Gabi Bülter als Frau Brigitte kommt es zur Aufklärung des Falls. Frau Marthe (Silke Thierbach) bringt es auf den Punkt: Den zerbrochenen Krug kann ihr auch das Gericht nicht zurückgeben, doch zumindest wurden Täter und Wahrheit gefunden.

Die nächsten Aufführungen sind am Freitag, 26. Januar, 20 Uhr, und Sonntag, 28. Januar, 18 Uhr, im Theater an der Warthstraße. Karten gibt es bei Wiehlticket, (02262) 99-285.