Anwalt aus Bergisch Gladbach im InterviewWie bewahrt man Temposünder vor Bestrafung?
Rhein-Berg – Herr Anger, Sie haben neulich einen mit einem Porsche durch die Serpentinen von Altenberg bretternden Mandanten vor einer Bestrafung bewahrt; der Bauunternehmer muss lediglich ein Bußgeld zahlen. Im Prozess vor dem Gladbacher Amtsgericht haben Sie unter anderem argumentiert, dass Sie die Strafvorschrift eines „Kraftfahrzeugrennens gegen sich selbst“ für verfassungswidrig halten. Wieso das?
Dieter Anger: Für einen Autofahrer ist mit der Verknüpfung eines objektiven und eines subjektiven Tatbestands nicht mehr erkennbar: Werde ich geblitzt wegen einer Ordnungswidrigkeit – oder ist es schon ein Rennen gegen mich selbst? Das spielt sich rein gedanklich im Kopf des Täters ab.
Nehmen Sie folgendes Beispiel: Derselbe Porschefahrer fährt auf der A 555 zwischen Köln und Bonn Tempo 220 in einer 100er-Zone. Das ist schneller als in Altenberg. Es ist mehr als das Doppelte des Erlaubten, aber es wäre „nur“ eine Ordnungswidrigkeit, die mit drei Monaten Fahrverbot und einer Geldbuße bedroht wäre.
Dagegen wäre das Fahren in den Serpentinen mit Tempo 70, 80 eine Straftat, mit Vorstrafe, Führerscheinentzug und dem Einziehen eines Porsche im Wert von 200.000 Euro. Das wäre eine viel höhere Sanktion, ohne dass sich substanziell etwas ändert im Vergleich zu dem, der auf der Autobahn 220 fährt. Der Autofahrer kann doch nicht bewerten: Wann ist es Ordnungswidrigkeit, wann ist es Rennen? Da liegt das Problem.
Viele Gerichte, darunter das Oberlandesgericht Köln und der Bundesgerichtshof, sehen das anders. Das muss aber nichts heißen, auch Strafgerichte werden manchmal vom Verfassungsgericht gerüffelt. Wann entscheidet denn das oberste Gericht?
Die Entscheidung ist in der Vorschau für dieses Jahr aufgeführt. Meine Recherche hat ergeben, dass es nicht unbedingt in diesem Jahr sein muss, aber man geht davon aus, dass es innerhalb der nächsten maximal sechs Monate passiert, auch, weil die Vorschrift immer wieder angewendet wird.
Haben Sie beruflich häufiger mit jungen oder jung gebliebenen Rasern zu tun?
Eigenrennen kommen relativ selten vor. Viel häufiger sind die tatsächlichen Rennen: Zwei Jungs stehen an der Ampel, geben richtig Gas und fahren dann nebeneinander her, wie in Köln auf den Ringen. Der Fall des Eigenrennens kommt seltener vor, weil er auch kaum dokumentierbar ist. Es muss jemand mit Kamera hinterhergefahren sein, ansonsten ist jemand einfach zu schnell gewesen. Deswegen ist es kein Massen-, sondern eher ein Ausnahmedelikt.
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Was können Polizei und Justiz tun, um das Phänomen skrupelloser Raser in den Griff zu bekommen, die in immer höher gezüchteten Autos furchtbares Leid über andere bringen können?
Die Polizei muss bei tatsächlich erfolgenden Rennsituationen mehrerer Fahrzeuge flächendeckende Kontrollen mit mobilen Geräten in Pkw und auf Motorrädern durchführen. Sie muss die bekannten Stellen abstreifen und ganz klar reagieren, also sofort anhalten und den entsprechenden Vorwurf machen. Und die Justiz muss in der Folge massiv und hart reagieren.