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Eltern fassungslosGroße Sorgen wegen Ende der Maskenpflicht an Schulen in Rhein-Berg

Lesezeit 5 Minuten

Das Objekt der Debatte: Mund-Nasenschutz im Klassenzimmer.

Bergisch Gladbach – Die Maskenpflicht an Schulen fällt. Von Dienstag an müssen Schüler an ihren Sitzplätzen keine Mund-Nasenbedeckung mehr tragen. Die Entscheidung ist umstritten. Für viele an den Schulen ist das ein Grund für Erleichterung, aber für viele andere auch ein Anlass zur Sorge.

„Aufatmen, ja einerseits. Andererseits habe ich ein mulmiges Gefühl“, sagt Simon Cabalo (17), Schülersprecher am Gymnasium Herkenrath. Seine ganze Familie hatte Covid-19, er selbst auch: „Ich weiß, wie schlimm sich das anfühlt.“ Das sei eine echt schwierige Frage: „Ich kann Pro und Contra nachvollziehen.“ Aber den Zeitpunkt hält er nicht für günstig, weil die Zahlen gerade wieder ansteigen. Falle die Maske weg, könne sich das Virus schneller verbreiten.

Einige Mitschülern sehen das ebenso und wollen die Masken zum Schutz weiter tragen. Andere sind aber auch sehr froh, die Maske endlich loszuwerden: „Eine fünfstündige Klausur mit Mundschutz zu schreiben, ist eine echte Belastung. Da fehlt irgendwann der Sauerstoff, um sich zu konzentrieren“, erzählt Cabalo.

„Die Kinder wissen gar nicht, wie ihr Lehrer aussieht“

Die Impfquote in Mittel- und Oberstufe am Gymnasium Herkenrath sei hoch, beim Abiturjahrgang liege sie bei über 80 Prozent, berichtet Schulleiter Dieter Müller: „Das Risiko ist also kalkulierbar.“ Dreimal in der Woche wird getestet, das sorge für eine gewisse Sicherheit. „Die Kinder in den 5. und 6. Klassen haben sich bisher nicht ins Gesicht blicken können und wissen gar nicht, wie ihr Lehrer aussieht“, ergänzt Romina Matthes, stellvertretende Schulleiterin. Zudem sei es nur noch schwer zu vermitteln, warum die Maskenpflicht in Kneipen und Restaurants nicht gelte, wo völlig Fremde eng beieinandersäßen.

„Für mich persönlich geht die Entscheidung völlig in Ordnung“, sagt Felix Bertenrath, Leiter der Otto-Hahn-Realschule. Aber er sehe auch viele Eltern und Kinder, die den Zeitpunkt für zu früh hielten. Wie im letzten Jahr könnten die Corona-Infektionszahlen im Herbst deutlich steigen: „Wir haben hier wieder eine Situation, wo die Meinungen aufeinanderprallen.“

„Haben verängstigte Kinder, die die Maske am liebsten nachts noch tragen würden“

Für ihn sei Hygiene ein wirksames Mittel, um Infektionen zu verhindern. Dazu kommen die Testungen. „Eine Schulklasse ist übersichtlich, Kontakte lassen sich doch leicht nachvollziehen.“ Zudem könne man an stark betroffenen Standorten die Maskenpflicht wieder einführen. „Wir müssen endlich wieder in einen normalen Schulbetrieb reinkommen“, meint Bertenrath, „wir haben inzwischen verängstigte Kinder, die die Maske am liebsten nachts noch tragen würden.“

Schulen sind kein Schwerpunkt

Laut Gesundheitsamt des Kreises stellen die Schulen derzeit bei den steigenden Infektionszahlen keinen Schwerpunkt dar. Der Wegfall der Maskenpflicht könne aber zu einer weiteren Beschleunigung führen. Die Anzahl der positiv getesteten Kinder und Jugendliche im Alter bis 19 Jahre belaufe sich auf knapp ein Drittel aller Fälle. Quarantäneanordnungen für ganze Klassen gibt es aktuell nicht. Neun Schulen seien von positiven Pooltestungen betroffen. Nur die ermittelten Indexpersonen und deren Kontaktpersonen aus dem Umfeld befinden sich in Quarantäne , sofern sie nicht geimpft sind. (ub)

„Wir müssen die Kinder schützen, die sich nicht impfen lassen können“, betont dagegen Angelika Wollny, Leiterin der Integrierten Gesamtschule Paffrath. Es sei nämlich ein großer Unterschied, ob man sich nicht impfen lassen wolle oder dies nicht dürfe. Ihre Schule werde den Erlass des Schulministeriums umsetzen, aber allen Schülern und Lehrern empfehlen, weiterhin freiwillig Masken zu tragen. Die Schulleitung werde mit gutem Vorbild vorangehen. „Wir kommen am Dienstag mit Mund-Nasenschutz in den Unterricht.“

Rheinisch-Bergischer Kreis: Eltern reagieren mit Fassungslosigkeit

Birgitt Sprafke-Zucker, Leiterin der Grundschule Wittenbergstraße in Refrath, ist ebenfalls nicht begeistert von der neuen Regelung: „Wir halten das für verfrüht.“ Gerade ist sie dabei, ein Schreiben an alle Eltern aufzusetzen – mit der Empfehlung, dass die Kinder auf freiwilliger Basis die Masken tragen sollen: „Ich bin sicher, dass die meisten Eltern zustimmen werden.“ Der Anteil von Eltern, die beide berufstätig seien, sei groß. Sie müssten befürchteten, wieder zuhause bleiben zu müssen, wenn im großen Stil Quarantänen ausgesprochen würden.

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Mit Fassungslosigkeit reagieren auch einige Eltern: „Die Masken sind im Vergleich zu möglichen Schäden durch eine Infektion das kleinere Übel.“ Julia Kaun – sie hat zwei Kinder, eine Tochter in der Grundschule und einen Sohn in der 5. Klasse – ist sehr besorgt. In der aktuellen Situation könne sie die Entscheidung überhaupt nicht verstehen. „Ohne Maske kommt das einer Durchseuchung mit Ansage gleich.“ Sie wisse nicht, was sie ihren Kindern raten solle.

Nur drei von 24 Schülern in einer Klasse des Berufskollegs geimpft

„Wir sehen das sehr kritisch“, sagt auch Nicole Schuffert, Leiterin des Berufskolleg Kaufmännische Schulen. Besonders Lehrerinnen und Lehrer über 60 würden sich ohne Masken unwohl fühlen würden. Von 24 Schülern in einer Klasse seien nur drei geimpft. “ Die Schüler dagegen würden sich über den Wegfall der Maskenpflicht freuen. Das Gesundheitsamt habe angeboten, erneut ein Impfmobil an die Schule zu schicken. Schuffert geht jedoch davon aus, dass sich nur einige wenige impfen lassen würden.

„Wir halten gar nichts davon“, sagt Mirko Komenda vom Vorstand der Bildungsgewerkschaft GEW Rhein-Berg. Virologen würden von einem Verzicht der Masken abraten, auch sei die Inzidenz besonders bei Grundschulkindern sehr hoch. Er spricht von einem Wert von 200 bis teilweise 300. „Letztes Jahr hat man bei diesen Inzidenzwerten alles dicht gemacht“ beklagt er. Die Inzidenzwerte lassen sich auch darauf zurückführen, dass bisher nur ein Bruchteil der jüngeren Schülerinnen und Schüler geimpft