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Bergisch Gladbach„Die Platte“ organisiert für Obdachlose ein „Weihnachten-to-go“

Lesezeit 4 Minuten

Der Verein Die Platte kümmert sich auch an den Festtagen um die Obdachlosen in Bergisch Gladbach.

Bergisch Gladbach – Wegen der Corona-Lage finden viele Weihnachtsfeiern für Bedürftige nicht statt. Der Verein „Die Platte“ setzt stattdessen auf die Variante „Weihnachten-to-go.“ Und startete eine Wunschzettel-Aktion. Die Solidarität der Gladbacher ist sehr groß.

„Es ist eine traurige Premiere“, sagt Patrick Graf vom Vereinsvorstand, „in jedem Jahr bedeutet Weihnachten für Obdachlose ganz viel Einsamkeit, dieses Jahr noch mehr.“ Das gemeinsame Fest musste abgesagt werden. Dabei hatte die Feier mit meist 80 Gästen, die über kein eigenes Einkommen verfügen, schon Tradition. Für viele Betroffene war das Weihnachtsfest ein großes Ereignis im grauen Alltag. Im vergangenen Jahr haben sich alle in den Räumlichkeiten des Vereins Die Kette getroffen, an einem reichhaltig gedeckten Buffet.

Wunschzettel-Aktion auf Facebook

Um den Menschen trotzdem etwas von der Wärme und Gemeinschaft zu vermitteln, die das Weihnachtsfest ausstrahlt, haben sich die ehrenamtlichen Helfer Ersatzkonzepte ausgedacht – mit Gespür dafür, was Menschen gut tut, die fast nichts besitzen. Auf Facebook startete der Verein eine Wunschzettel-Aktion. Rund 100 Menschen ohne feste Unterkunft schrieben ihre ganz persönlichen Wünsche im Wert von 25 Euro auf: Die Bergisch Gladbacher haben sie alle erfüllt. Manche haben gleich fünf Geschenke besorgt, sagt Vereinsvorsitzender Ali Missini, alle schön eingepackt plus Karte.

Überwiegend waren es Dinge des täglichen Bedarfs, die sich die Obdachlosen gewünscht haben: einen Toaster, Unterwäsche oder Honig, aber ganz oft auch Tabak oder Zigaretten, die teuer sind, wenn man arm ist. „Die Solidarität ist unfassbar groß“, bedankt sich Missini, „das ist für mich das größte Weihnachtsgeschenk.“ Die Mitgliederzahl der Facebook-Gruppe sei von 700 Anfang dieses Jahres auf aktuell 1020 gestiegen. Darunter seien viele, die die Projekte der Platte aktiv unterstützten.

Ein schweres Jahr geht zu Ende

Denn im Alltag hat sich seit Corona vieles verschlechtert, manches dramatisch. Denn wer obdachlos ist, kann derzeit kein Geld verdienen. „Im Lockdown sind die Straßen menschenleer, auch Flaschensammeln ist nicht mehr möglich“, sagt Graf, „es gibt keine Orte mehr, an denen sie sich treffen können.“ So leide die Gemeinschaft, für viele Wohnungslose das einzige, was sie noch haben. Und daheim bleiben, wie in den Nachrichten gefordert, wie soll das funktionieren, wenn man kein Heim hat? „Viele haben sich aufgegeben, sich mit dem Leben auf der Straße arrangiert“, sagt Missini. Jetzt sei die größte Angst, was vor der Pandemie da war, auch noch zu verlieren.

Neue Geschäftsstelle

Der Verein Die Platte mietet als Dreh- und Angelpunkt seiner Aktivitäten ab Januar 2021 an der unteren Hauptstraße ein Ladenlokal, um es als Geschäftsstelle, vor allem aber als Lager zu nutzen. Auch Kältebus Frosti wird von dort aus nach Bensberg, Refrath und zum S-Bahnhof starten. „Das wird viele organisatorische Probleme lösen“, sagt Patrick Graf vom Vorstand. Bislang mussten viele Lebensmittel in privaten Kühlschränken von Mitgliedern gelagert werden. Um das Angebot, Menschen zu helfen, fortsetzen zu können bittet der Verein um Geld- und Sachspenden. (ub)

www.platte-ev.de

Dramatisch stehe es um die Möglichkeit, zur Toilette zu gehen. „Hat das Rathaus zu, sind auch die einzigen öffentlichen Toiletten in der Innenstadt abgeschlossen“, berichtet Graf. Nachts können die Betroffenen in vier städtischen Unterkünften mit Doppelbelegung in den Zimmern unterkommen.

Für die Helfer der Platte, die sich auch um die sozialen Schwierigkeiten der Menschen kümmern, war das zu Ende gehende Jahr alles andere als einfach. Seit die Sozialstation im März als feste Anlaufstelle für Wohnungslose aus Sicherheitsgründen schloss, beschränken sich die kurzen Begegnungen auf die Ausgabe von Care-Paketen mit haltbaren Lebensmitteln.

Starker Kundenanstieg

Samstag für Samstag stehen seit März rund um den Charly-Vollmann-Platz Menschen in einer langen Schlange für etwas zu Essen an. „Sonst hatten wir immer um die 70 Kunden, jetzt sind es 120“. Den Anstieg wertet Graf als Zeichen dafür, wie sich Obdachlosigkeit in den Städten verändere. Immer mehr Menschen lebten mit geringem Einkommen unter dem Existenzminimum. Zum Kundenkreis gehöre beispielsweise auch eine Familie mit fünf Kindern, die nicht genug zum Leben habe, erzählt Missini.

Um den Bedürftigen In Bergisch Gladbach an den Samstagen nach Weihnachten und Neujahr wenigstens mit einem warmen Essen eine Freude machen zu können, hat die Platte To-Go-Konzepte entwickelt und dafür zwei Imbisse als Sponsoren gewonnen. Am zweiten Feiertag und am 2. Januar werden Döner und halbe Hähnchen mit Fritten in Wärmeboxen geliefert. Aber keiner darf sich an der Sozialstation aufhalten. Jeder muss sich zum Essen ein stilles Plätzchen suchen.

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Niemand könne Prognosen für die Zukunft treffen – deshalb lautet der Tenor unter den Helfern der Platte: weitermachen, durchhalten, Alternativen finden. Graf sagt: „Wir werden weiterarbeiten.“