AboAbonnieren

Drängendes ProblemIn Bergisch Gladbach fehlen 400 Kita-Plätze

Lesezeit 4 Minuten
Gummistiefel hängen an einer Palettenwand in einer Kindertagesstätte.

In Bergisch Gladbach fehlen 400 Kita-Plätze, und es könnten bis zum Sommer noch mehr werden.

Trotz des Defizits von 400 Betreuungsplätzen sieht die Stadt sich im NRW-Vergleich gut aufgestellt und lobt sich selbst.

Der Mangel ist seit Jahren bekannt – und doch gibt es immer noch zu wenige Kita-Plätze in der Stadt. Es fehlen rund 400 Plätze. Die Betreuungskrise bleibt eins der drängendsten Probleme in der Stadt. Trotzdem sieht sich die Stadt im NRW-Vergleich gut aufgestellt und lobt sich selbst.

Die alarmierenden Zahlen stammen vom März 2024, einer Stichtagserhebung in Nordrhein-Westfalen, die auch einen Vergleich mit anderen Städten ermöglicht. Das Fazit der Stadt in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Donnerstagabend lautet: „Die Kinderbetreuungssituation in der Stadt ist, gemessen an den Daten aus NRW, als gut zu bewerten. Nichtsdestotrotz muss der Ausbau weiter vorangetrieben werden.“

Elternvertreter in Bergisch Gladbach fordern schnelle Lösungen

Das klingt wie Hohn bei vielen Familien: „Wir Eltern können nicht mehr“, platzt es aus Judith Häuser, Sprecherin des Jugendamtselternbeirats, heraus, „auch diejenigen, die einen Platz für ihr Kind haben, können nicht mehr arbeiten.“ Fast jede Woche gebe es Notbetriebe in den Einrichtungen. „Das ist nicht mehr tragbar. Wir brauchen jetzt Lösungen und nicht erst, wenn die Kinder in der 8. Klasse sind.“

Ausgewertet wurde, wie viele Kinder in welchen Alter in Kindertagesstätten und Kindertagespflegen am Stichtag 1. März betreut wurden. „Das sind rückwirkende Ist-Zahlen“, sagt Claudia Werker, neue Fachbereichsleiterin für Jugend und Soziales, „aktuelle Darstellungen oder temporäre Schließungen von Einrichtungen sind nicht enthalten.“ Insgesamt sind in Bergisch Gladbach am Stichtag 3746 Kinder im Alter zwischen 0 und unter sechs Jahren betreut worden.

Stadt Bergisch Gladbach verfehlt bei Kita-Plätzen selbst gesetztes Ziel

Die größte Lücke klafft bei der Gruppe der unter Dreijährigen. 991 Kinder hatten einen Platz in einer Kita oder Kindertagespflege. Dies entspricht einer Quote von 35,81 Prozent. Damit wird die Stadt ihren eigenen Erwartungen nicht gerecht – denn sie setzte sich 2023 selbst ein Versorgungsziel von 40,3 Prozent für die Kinder dieser Altersgruppe.

In der Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen waren 2746 Mädchen und Jungen versorgt, was einer Betreuungsquote von 90,24 Prozent entspricht. Das selbst gesetzte Ziel der Stadt wird ebenfalls verfehlt. Nach einer Befragung von Eltern im vergangenen Jahr liegt es bei einer Versorgungsquote von 98 Prozent.

„Wir stehen besser da als andere, haben aber unsere eigenen Ziele nicht erreicht“, stellt Tino Symanzik (Grüne) fest, „dazu kommen die vielen verzweifelten Eltern, die ständig morgens vor verschlossenen Türen stehen.“ Jannes Komenda (SPD) sieht angesichts des Defizits von 400 Plätzen „einen großen Handlungsbedarf.“

50 neue Kita-Plätze sind ein Tröpfchen auf dem heißen Stein

Gabriele Schmitz von der Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe macht keine großen Hoffnungen, dass sich der Fachkräftemangel schnell beheben lässt. „Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen Kinderschutz und Betreuung. Aktuell sind wir dabei, Konzepte zu erarbeiten, um von Notgruppen wegzukommen.“

Ernüchternd wirkt auch die Auskunft von Werker: „Wenn Kinder wegen Personalnot nicht in die Kita gehen können, müssen die Eltern die Beiträge weiter zahlen.“ Kindertageseinrichtungen seien keine Dienstleister, sondern Bildungseinrichtungen.

Dank der im Sommer neueröffneten Kita Reiser-Mondsröttchen gibt es bis zum Jahresende 50 zusätzliche Kita-Plätze. Angesichts des Defizits von 400 Plätzen ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Situation wird sich zudem verschärfen: Wenn im kommenden Kindergartenjahr der neue Jahrgang der Einjährigen sich um Plätze bewirbt. Wenn die Dreijährigen, die aus der Kindertagespflege kommen, in die Einrichtungen drängen.

Es tut sich zu wenig in der Stadt
Sabrina Fahlenbock, Rechtsanwältin

„Das ist ein Riesen-Desaster“, sagt Sabrina Fahlenbock, Rechtsanwältin aus Bergisch Gladbach, die sich unter anderem darauf spezialisiert hat, Eltern zu vertreten, die den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz einklagen. Allein seit August habe sie 40 Beratungsgespräche mit verzweifelten Müttern und Vätern aus Bergisch Gladbach geführt.

„Es tut sich zu wenig in der Stadt“, kritisiert Fahlenbock. Sie sei zum Beispiel skeptisch, ob aus der Sofort-Kita auf der Lena-Wiese überhaupt etwas werde. Von konkreten Planungen seitens der Verwaltung ist bislang tatsächlich nichts mehr zu hören gewesen.

Sorgen machen Fahlenbock noch zwei weitere Punkte: Von Kitas habe sie gehört, dass wegen der Platznot in der Rangfolge zuerst Geschwisterkinder aufgenommen werden sollen: „Das bedeutet, Kinder ohne Geschwister haben schlechte Chancen.“ Besonders schwer hätten es Inklusionskinder. Denn es gilt die Regel: Nimmt eine Einrichtung ein Kind mit einer Behinderung auf, sind zwei Plätze belegt, ein Kind weniger kann aufgenommen werden. Aktuell werden 159 Kinder mit einer Behinderung in den Kitas betreut.