Die Stadt Bergisch Gladbach gerät weiter unter Handlungsdruck. Die Aufsichtsbehörde prüft das Betreuungsdefizit unabhängig vom Gericht.
KlageRechtsaufsicht schaltet sich in Bergisch Gladbacher Kita-Misere ein
Die Kita-Misere in Bergisch Gladbach beschäftigt jetzt auch die Rechtsaufsicht des Rheinisch-Bergischen Kreises. Die Aufsichtsbehörde prüft unabhängig vom Gericht, inwieweit die Stadt die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpft, um möglichst alle noch nicht untergebrachten Kinder zu versorgen.
Die Stadt gerät nun noch mehr unter Handlungsdruck. Aktuell fehlen im Stadtgebiet 500 Betreuungsplätze für Kindergartenkinder.
Sabrina Fahlenbock, Mutter und Rechtsanwältin aus Moitzfeld, hat die Kommunalaufsicht eingeschaltet — unabhängig von der erfolgreichen Klage auf einen Platz in einer wohnortnahen Kindertagesstätte für ihren Sohn. Wie berichtet droht der Stadt ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro pro Monat, wenn sie bis zum 14. August der Familie keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt.
„Meine Beschwerde bei der Rechtsaufsicht bezieht sich darauf, dass rechtskräftige Gerichtsentscheidungen durch die Stadt Bergisch Gladbach nicht befolgt werden“, erläutert Fahlenbock. Aus ihrer Sicht handelt die Stadt somit rechtswidrig. „Das Thema stellt ein erhebliches öffentliches Interesse dar und geht über die individuellen Interessen der Betroffenen hinaus“, betont Fahlenbock.
Stadt Bergisch Gladbach muss Stellungnahme abgeben
Der Rheinisch-Bergische Kreis als Rechtsaufsichtsbehörde dürfe nur im Interesse des öffentlichen Wohls eingreifen, nicht mit dem Ziel, einem Einzelnen zu seinem Recht zu verhelfen, erläutert Nina Eckardt von der Pressestelle des Kreises: „Vor diesem Hintergrund verschafft sich die Kommunalaufsicht auch ein Bild, welche Maßnahmen die Stadt unternimmt, um für die Zukunft das Betreuungsdefizit zu minimieren.“
Hierzu sei die Stadt um eine Stellungnahme gebeten worden. Diesbezüglich stehe der Kreis im Austausch mit der Stadt. „Ein abschließendes Prüfergebnis liegt daher aktuell noch nicht vor“, sagt Eckardt. Weitere Informationen beziehe die Aufsichtsbehörde aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen sowie Urteilen und beleuchte auch die allgemeine Betreuungssituation von Bund und Land.
„Grundsätzlich werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die noch nicht versorgten Kinder unterzubringen“, betont Stadtsprecher Martin Rölen. Die Fachabteilungen seien im permanenten Austausch mit den infrage kommenden Einrichtungen. Dabei würden sogar wohnortnahe Einrichtungen außerhalb des Stadtgebiets sowie Kitas in der Nähe der Arbeitsstätte des betreuenden Elternteils einbezogen.
Weitere Überbelegungen in den Kitas sind laut Stadt nicht mehr möglich
„Diese Abfragen geschehen regelmäßig“, berichtet Rölen. Überbelegungen seien aber faktisch oft nicht möglich, weil die Personalschlüssel dies einfach nicht hergäben. Trotz der bestehenden 4022 Plätze entstünden so Lücken im Betreuungsangebot.
Der Kreis als Aufsichtsbehörde handele nicht als „Kontrollgremium“ im engeren Sinne, erklärt die Sprecherin des Kreises. Der Kreis erfülle die Aufgabe der allgemeinen Aufsicht und fungiere in diesem Fall als untere staatliche Verwaltungsbehörde und damit als „verlängerter Arm des Landes“.
Die zur Verfügung stehenden Instrumente sind in Paragraf 123 der Gemeindeordnung festgelegt: Erfüllt die Gemeinde ihre gesetzlichen Pflichten nicht, kann die Aufsichtsbehörde anordnen, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist das Erforderliche veranlasst. Durch den Begriff „kann“ entscheide die Rechtsaufsicht nach pflichtgemäßen Ermessen, ob sie einschreite und wenn ja, welche Maßnahmen sie treffe, sagt Eckardt, ohne konkret zu werden, welche Schritte dies sein könnten.
Rechtsanwältin Fahlenbock hat auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Einsicht in die Stellungnahme der Stadt beantragt. Bis heute hat sie auf ihre Anfrage keine Antwort erhalten.
Webseite zur Elterninfo
Um Eltern über ihre Rechte bezüglich Kitaplätze zu informieren, hat Rechtsanwältin Sabrina Fahlenbock eine Webseite gestartet, Dabei gehe es ihr nicht um eine Marketingstrategie, sagt sie. Ihr Hauptanliegen sei, zu informieren. Viele Eltern wüssten zum Beispiel nicht, dass Kitaplatzklagen in der Regel kostenfrei seien. Auskunft wird unter anderem gegeben zu der Frage, welche Entfernung zur Kita oder Tagespflegeplatz zumutbar ist.
Pro Tag erhalte Fahlenbock um die zehn Mandatsanfragen. Derzeit vertrete sie über 45 Mandate zum Thema Klagen auf Kita-Plätze in NRW, darunter etwa 25 in Bergisch Gladbach. Die meisten befänden sich noch in der außergerichtlichen Phase.
In den vergangenen Wochen und Monaten habe es mehrere gerichtliche Verfahren gegeben, die sie in Bergisch Gladbach abschließend geführt habe. In diesen konnten Plätze im gerichtlichen Verfahren vermittelt werden, vor einer für die Stadt negativen Entscheidung. Aktuell seien vier Verfahren aus Bergisch Gladbach vor Gericht anhängig. Die meisten befänden sich noch in einer außergerichtlichen Phase. (ub)