Astrid LindgrenBergisch Gladbachs Stadtbücherei setzt bei Kinderbüchern auf weniger Diskriminierung

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Der Affe von Pipi Langstrumpf sitzt auf ihrer Schulter.

Die Pipi Langstrumpf Bücher und andere Geschichten von unter anderem Astrid Lindgren werden überarbeitet und sollen weniger diskriminierend sein.

Seit Jahren wird über diskriminierende Sprache in Kinderbuchklassikern gestritten. Die Stadtbücherei versucht sich an einer verträglichen Lösung.

Sie schläft mit den Füßen auf dem Kopfkissen, trägt ihr Pferd „Kleiner Onkel“ mühelos durch die Gegend und nimmt es mit den fiesesten Ganoven auf: Pipi Langstrumpf macht, was ihr gefällt und hilft Menschen, die sich nicht so gut selbst helfen können. Seit vielen Jahrzehnten bestärkt die Geschichte von Astrid Lindgren Kinder auf der ganzen Welt und bringt sie zum Lachen.

Doch seit einiger Zeit stehen Pipi Langstrumpf, andere Geschichten von Astrid Lindgren und anderer Kinderbuchautoren, wie Michael Ende in der Kritik: Sie verwenden eine Sprache, die mittlerweile nicht mehr angemessen ist, sagen viele kritische Stimmen. „Zu Recht“, findet Andrea Görgen, Mitarbeiterin in der Kinderbuchabteilung der Stadtbücherei Bergisch Gladbach.

Wenn Astrid Lindgren die Entwicklung mitbekommen hätte, wäre sie für die Änderungen gewesen
Andrea Görgen, Mitarbeiterin in der Kinderbuchabteilung der Stadtbücherei

„Wenn man es jetzt besser weiß, kann man es auch besser machen. Ohne sich oder den Autoren Vorwürfe zu machen“, betont sie. Gerade Astrid Lindgren könne man nicht vorwerfen, dass sie bewusst diskriminieren wollte. „Sie hat viele Sachen gemacht und für vieles gekämpft, das zu der Zeit noch unüblich war“, sagt sie.

Zu der Zeit hätte man aber noch nicht darauf geachtet, mit seiner Sprache Menschen nicht zu verletzen oder diskriminierende Stereotype nicht weiterzuverbreiten. „Ich bin mir aber sicher: Wenn Astrid Lindgren die Entwicklung mitbekommen hätte, wäre sie für die Änderungen gewesen“, sagt Görgen.

Und in diesem Sinne entscheiden auch ihre Erben: Sie haben den Anpassungen zugestimmt, der N-Wort-König heißt jetzt zum Beispiel Südseekönig. Und eine Stelle in Lindgrens „Die Kinder aus der Krachmacherstraße“, in der die Kinder Sklaven spielen, wird aktuell angepasst. Görgen habe die Szene gar nicht im Kopf gehabt, ein Elternteil habe sie darauf aufmerksam gemacht. Die Stelle fände sie schon heftig, also habe sie sofort die neue überarbeitete Ausgabe bestellt, die in ein paar Wochen ankommt. Die alte Ausgabe wird in der Zwischenzeit nicht mehr verliehen. „Für diese Zeit kann man auf die Kinder aus der Krachmacherstraße auch verzichten“, findet sie.

Veränderungen fallen den meisten Leuten nicht auf

Die Stadtbücherei gehe nicht aktiv jedes Buch auf kritische Stellen durch, aber wenn etwas ersetzt werden müsse, oder sie Rückmeldungen wie diese bekämen, würde sie darauf achten, dass sie die neuen und überarbeiteten Ausgaben bestellt. Sie hätten zum Beispiel keine Ausgaben von Pipi Langstrumpf mehr, in denen das N-Wort genannt wird und seit kurzer Zeit die neue Ausgabe von Jim Knopf im Sortiment.

Das Cover wurde angepasst, der Junge hat jetzt keine dicken, rosa Lippen mehr, in denen eine Zigarre steckt, sondern ein normales Lächeln, das keine unangemessenen Stereotype reproduziert. Auch die Hautfarbe wurde aufgehellt. Diese und andere Überarbeitungen würden den meisten Menschen nicht auffallen, negative Reaktionen auf diese hätten sie auch noch nicht bekommen. „Wenn man sich über die kritischen Punkte bewusst ist, gibt es einige elegante Lösungen, die sich nicht nach erhobenem Zeigefinger anfühlen“, sagt sie.

Ohne diesen könne es schneller Normalität werden, dass Geschichten und Literatur nicht diskriminieren und dass sich möglichst viele Menschen repräsentiert fühlen. Das falle ihr bei Klassenführungen immer wieder auf. Die seien sehr divers und „auch die Kinder, die nicht weiß sind, sollen sich in den Geschichten wiedererkenne“, findet sie.

Verlag legt Wert auf Vielfalt bei Kinderbüchern

In neuen Veröffentlichungen würden Autoren und  Verlage mittlerweile darauf achten, dass sie Vielfältigkeit abbilden. Besonders der Carlsen Verlag, der die Pixi-Bücher herausgibt, sei sich seiner Verantwortung bewusst, da sich Kinder die Heftchen auch selbst aussuchen. So gebe es zum Beispiel eine neue Ausgabe von „Conny macht das Seepferdchen“, in der es ein dickes Kind, eines mit Brille und mehrere Hautfarben gibt. „Allein die Brille finde ich toll. Wie viele Kinder tragen eine und sehen in Geschichten kaum Figuren, die auch nicht gut sehen können“, sagt Görgen.

Außerdem habe eine Frau eine aktive Rolle: Sie ist die Schwimmmeisterin, erklärt sie. Das sei auch eine Neuheit, da Frauen sonst eher passiv dargestellt wurden.

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