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Haft wegen KörperverletzungAnwalt erklärt, warum ein Verurteilter erstmal frei kommt

Lesezeit 3 Minuten
Verteidiger Bode im Gericht 230921 (1)

Verteidiger Christoph Bode, hier neben einem Mandanten im Gericht. (Symbolbild)

Bergisch Gladbach – Nach der Entscheidung des Schöffengerichts, einen 43-jährigen Familienvater aus Bergisch Gladbach nach einer Messerattacke auf seine 31-jähige Noch-Ehefrau zu zweieinhalb Jahren Haft zu verurteilen, ihn gleichwohl aber unter Auflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen, stellt sich Nicht-Juristen die Frage, ob das Gericht zu lasch mit dem Thema Gewalt gegen Frauen umgegangen ist.

Dem widerspricht der bekannte Bergisch Gladbacher Strafverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode. Er hat als zweiter Pflichtverteidiger im Prozess gegen den Angeklagten Giovanni Enzo (Name geändert) gesessen und ist daher mit dem Fall bestens vertraut.

Termin für Haftantritt wird noch bestimmt

Untersuchungshaft werde im Allgemeinen wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr verhängt. Bode: „Um jemanden nach sieben Monaten weiterhin in Untersuchungshaft sitzen zu lassen, bedarf es besonderer Gründe.“ Die seien aber im Falle von Giovanni Enzo nicht gegeben.

Gewalt in der Partnerschaft

Das rät die Polizei bei häuslicher Gewalt

Jede vierte Frau in Deutschland hat in einer Partnerschaft schon mal Gewalt erlebt. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Wer betroffen ist, dem rät die Polizei:

Bei akuter Bedrohung, wählen Sie 110! Die Polizei wird alles Erforderliche tun, um Sie zu schützen.

Zeigen Sie die Straftat bei der Polizei an. Eine Strafanzeige können Sie bei jeder Polizeidienststelle erstatten. Eine Person Ihres Vertrauens und/oder ein Rechtsbeistand können Sie begleiten.

Wenn Sie sich noch nicht entscheiden können, die Polizei zu rufen, wenden Sie sich an eine Person Ihres Vertrauens oder lassen Sie sich beraten, aber handeln Sie!

Setzen Sie sich mit einer Beratungsstelle für Häusliche Gewalt in Verbindung. Den Kontakt in Ihrer Nähe vermittelt Ihnen die Polizei oder das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 08000 116 016, rund um die Uhr und in vielen Sprachen.

Notieren Sie sich Einzelheiten zu den Vorfällen, wie Datum, Uhrzeit und was genau geschehen ist.

Suchen Sie einen Arzt auf, nennen Sie ihm den Ursprung der Verletzungen und lassen Sie die Verletzungen attestieren und z.B. fotografieren, um sie für eine mögliche Strafanzeige dokumentiert zu haben.

Frauenhäuser bieten Ihnen ebenfalls Schutz und die Mitarbeiterinnen können Sie bei weiteren Schritten beraten.

Der Mann sei verurteilt, das Urteil rechtskräftig, er habe auf das Sorgerecht verzichtet und einer Scheidung zugestimmt und es gebe keine konkreten Hinweise, dass der in der Vergangenheit unbescholtene Familienvater neue Straftaten begehen oder sich absetzen werde. Wann er dazu geladen werden, den noch nicht durch die U-Haft verbüßten Teil der Strafe abzusitzen, liege in der Hand der Staatsanwaltschaft, die nach Dringlichkeit und Kapazität entscheide: „Das kann in drei Wochen sein oder in drei Monaten.“

Täter ließ freiwillig von Opfer ab

Bode erläutert auch, wieso Enzo, der mehrfach mit einer Küchenmesser-Klinge auf den Hals seiner Frau eingestochen hatte, nicht wegen eines versuchten Tötungsdeliktes angeklagt worden sei: „Die Staatsanwaltschaft hat das intensiv geprüft und zwei Mal die Ehefrau dazu vernommen.“ Am Ende habe die Behörde entschieden, dass es einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch eines Tötungsdeliktes gegeben habe.

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Heißt: Enzo hätte die Frau töten können, wenn er es gewollt hätte, weil er aber ohne Einwirken anderer von ihr abgelassen habe, wurde der Fall nur wegen gefährlicher Körperverletzung zum Schöffengericht angeklagt. Dieses Gericht, im konkreten Fall bestehend aus einer Berufsrichterin, einer Laienrichterin und einem Laienrichter, hat eine Strafgewalt von maximal vier Jahren.