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ProzessBergisch Gladbacher Richterin macht Neubürger Weg frei für deutschen „Lappen“

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Ein Polizist winkt mit einer Polizeikelle einen Autofahrer aus dem Straßenverkehr.

Endstation Verkehrskontrolle: Ein Polizist winkt mit einer Polizeikelle einen Autofahrer aus dem Straßenverkehr (Symbolfoto).

Fast zerrieben worden in den Mühlen der Bürokratie wäre ein Israeli aus Lohmar. Eine Bergisch Gladbacher Richterin drückte den Notschalter.

Wochenlang hatte der nach Deutschland eingewanderte Kunsthandwerker John M. (31) versucht, den Führerschein seines Heimatlandes umschreiben lassen zu können, doch beim zuständigen Straßenverkehrsamt bekam er einfach keinen Termin.

Dann wurde er schwach, fuhr trotzdem mit dem Kleinkraftrad – und geriet prompt auf der Sülztalstraße in Rösrath in eine Polizeikontrolle. Jetzt stand er für ein Delikt vor Gericht, das in dieser Konstellation nur Ausländer begehen können.

Liiert ist der Angeklagte mit einer Bergisch Gladbacher Verwaltungsfrau

John M. (Namen geändert) ist, auch wenn er mit seinen Tätowierungen ein bisschen wie ein Bürgerschreck aussieht, nach den Worten seines Verteidigers ein gesetzestreuer Mensch. Er hat sich entschieden, von Israel nach Deutschland zu übersiedeln, hier zu arbeiten und dabei nicht schlecht zu verdienen.

Der Mann lebt in der Rhein-Sieg-Kommune Lohmar und ist liiert mit Jenny K., einer Mitarbeiterin der Bergisch Gladbacher Stadtverwaltung. Das ist insofern bedeutsam, als die kommunale Verwaltungsfachfrau ihren Lebensgefährten, der nur Englisch und Hebräisch spricht, bei notwendigen Behördengängen unterstützt.

Ausländische Fahrerlaubnis gilt nur sechs Monate

Ein solch notwendiger Behördengang ist das Umschreiben des Führerscheins: Nur ein halbes Jahr hat eine Nicht-EU-ausländische Erlaubnis in Deutschland Gültigkeit, dann muss die Formalität über die Bühne sein. Pech nur, wenn es dafür keinen Termin auf dem Amt gibt.

John M., der in Lohmar ländlich lebt, behalf sich nach den Worten seines Verteidigers mit dem ÖPNV und dem Taxi, doch am Abend des 26. März 2024, dem Tattag, standen ihm all diese Optionen nicht zur Verfügung, und auch die Freundin konnte ihn nicht fahren.

Pech im Siegburger Straßenverkehrsamt

Mit einem Kleinkraftrad fuhr er los – wohl wissend, dass er das mit seinem israelischen Lappen längst nicht mehr durfte, weil er schon zwei Jahre in Deutschland war - und wurde in der Nachbarkommune Rösrath gestoppt. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis heißt das Delikt.

Indes sagte Jenny K. (41), die Freundin und Bergisch Gladbacher Verwaltungsfrau, als Zeugin vor Gericht aus, dass sie ein ums andere Mal versucht habe, für John einen Termin auf dem Amt zu bekommen. Erst bei der Stadt Lohmar, doch sei sie an die Siegburger Kreisverwaltung verwiesen worden – und dort jedes Mal in der Online-Terminlotterie gescheitert, bei der immer für sieben Tage Termine vergeben würden.

Ich habe sechs Wochen lang versucht, einen Termin zu bekommen, und auch angerufen und E-Mails geschickt.
Jenny K., Lebensgefährtin

„Ich habe sechs Wochen lang versucht, einen Termin zu bekommen, und auch angerufen und E-Mails geschickt“, sagte sie vor Gericht. Einmal, als es so weit war, musste sie selbst absagen, „weil ich sehr krank war“.

Als Tiefpunkt empfand die Verwaltungsfrau, dass ihr auch noch die falsche Auskunft erteilt worden sei, dass Besitzer israelischer Führerscheine eine neue praktische Prüfung ablegen müssten. „Das stimmt nicht“, sagte sie und bezog sich auf die Anlage 11 irgendeiner einschlägigen Verwaltungsvorschrift, in der die entsprechenden Länder gelistet seien. „Israel ist nicht dabei.“

Siegburger Behörde wartet Strafverfahren ab

Wer das mit der Vorschrift ganz genau wissen möchte: Es dürfte sich um die „Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) Anlage 11 (zu § 31) Staatenliste zu den Sonderbestimmungen für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis“ handeln.

Die Krönung der Angelegenheit war nun aber, dass die Siegburger Straßenverkehrsbehörde das ganze Umschreibeverfahren erst einmal ausgesetzt hat, um den Ausgang des Bergisch Gladbacher Strafverfahrens abzuwarten.

Richterin Miriam Kuschel und die Staatsanwältin taten alles in ihrer Macht Stehende, um die Sache nicht noch weiter auszudehnen: Sie stellten das Strafverfahren ohne jede Strafe oder Geldauflage nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung wegen Geringfügigkeit ein.