Bergisch Gladbachs Alt-BürgermeisterMitarbeiter geben Lutz Urbach ein Hupkonzert
Bergisch Gladbach – Nichts war am Freitagmorgen wie sonst im Hause Urbach in Oberkühlheim. Vor elf Jahren und zehn Tagen war die gesamte Familie von dort aus zum ersten Arbeitstag des damals neu gewählten Bürgermeisters aufgebrochen, am Freitag fuhr er zum letzten Mal als Bürgermeister ins Rathaus – mit den Zeitungsbildern von damals und noch mehr Erinnerungen der elf Jahre dazwischen im Kopf.
„Puh . . . das wird kein leichter Tag“, sagt Lutz Urbach und hilft seiner Tochter Johanna noch einmal in die Jacke. So wie damals, als die heute 14-Jährige noch eine Dreikäsehoch war. Fabian, der damals spaßeshalber den schweren Koffer mit Papas Akten zu heben versuchte, ist mittlerweile ausgebildeter Notfallsanitäter und mit der Freundin ausgezogen.
Auch der 17-jährige Justus ist am letzten Arbeitstag von Papa im Rathaus verhindert. Dafür wuselt jetzt Hund Sammy durch die Diele. „Tatü-tata“, tönt’s von draußen. Gladbachs Feuerwehrchef Jörg Köhler ist mit einem historischen Löschfahrzeug vorgefahren, um Urbach zum letzten Arbeitstag abzuholen.
Sicherheit hat neue Bedeutung
2009 wurden noch die Kinder im Kindersitz auf der Rückbank der Familienkutsche angeschnallt. Heute schaltet Urbach vorm Verlassen des Hauses die Alarmanlage ein. „Auch Sicherheit“, sagt er. In den Jahren als Bürgermeister ist er mehr als einmal bedroht worden. „Das waren die weniger schönen Seiten.“ Mal ging’s um die Bewältigung der Flüchtlingskrise, mal drohten mutmaßliche Reichsbürger, mal waren die Motive gar nicht genau erkennbar.
An diesem Freitag aber scheinen eher Abschiedstränen zu drohen. Stadtbrandinspektor Köhler steuert den Oldtimer aus dem Jahr 1969 Richtung Lerbach, am Kreishaus ebenso vorbei wie am Bensberger Schloss. Dann eine Runde durch den Innenhof des Bensberger Rathauses.
In den Büroetagen öffnen sich die Fenster, Mitarbeiter winken dem scheidenden Chef. Händeschütteln ist in Zeiten von Corona nicht drin. Quer übers Zanders-Gelände geht’s zum Rathaus Stadtmitte. An der Tür des Bürgermeisterbüros steht bereits der Name des Nachfolgers Frank Stein, die Kinderbilder im Büro sind abgehängt, der Schreibtisch ausgeräumt. Urbach stellt eine Flasche Wein mit Brief auf den Schreibtisch. Für seinen Nachfolger. „Er soll einen guten Start haben“, sagt er.
An Urbachs eigenem ersten Tag war das Modell des ICE „Bergisch Gladbach“ im neuen Büro der Renner – bei den Kindern. Er selbst hatte auf einen Gottesdienst am Morgen in St. Laurentius Wert gelegt. Elf Jahre später geht’s zum Frühstück in die Villa Zanders – mit dem Büroteam, das zwischenzeitlich wie eine zweite, große Familie geworden ist.
Die Abschiedskonferenz mit den Verwaltungsspitzen war bereits am Vortag. „Das hier wird schwerer“, sagt Urbach und kämpft mit seiner Stimme, als er sich bei seinem Team bedankt. „Alles, was war, haben wir zusammen geschafft. Alleine wäre das völlig unmöglich gewesen.“
Büroleiter Stephan Dekker erinnert daran, wie man gemeinsam gelacht, viel gearbeitet und manchmal auch geweint habe. „Die große Feier holen wir nach“, verspricht er. Auf Abstand gibt’s Bildgeschenke und Blumen für die Familie. Ehefrau Tanja freut sich auf „endlich mal wirklich freie Wochenenden“ mit ihrem Mann.
Der muss noch mal zurück ins Büro – in der Unterschriftenmappe liegt noch Arbeit. Unterbrochen wird die von einem Hupkonzert. Ein Korso von Bauhof-, Stadtgrün- und Abfallbetriebe-Fahrzeugen rollt vor dem Rathaus vorbei. Urbach geht auf den Balkon, dem 54-Jährigen kommen die Tränen.
Als er ins Büro zurückkehrt wird seine Mine ernst. Eigentlich sollten jetzt sein Computer geleert und vom Netz genommen werden. Aber die Lage mit dem Pachtvertrag für die Papierfabrik Zanders spitzt sich gerade noch mal zu. Der Bürgermeister muss auch an seinem allerletzten Amtstag am Samstag erreichbar bleiben.
Das könnte Sie auch interessieren:
Urbach kräuselt die Stirn, es droht noch eine Telefonkonferenz. Da ist sein letzter offizieller Termin erfreulicher. Manfred Klein erhält die Ehrennadel im Ratssaal. Wegen Corona zwar ganz ohne Gäste, für Urbach aber trotzdem eine große Freude.
Der Mann, den er laut Ratsbeschluss für große ehrenamtliche Verdienste im Vorstand des Progymnasium Bensberg e.V. ehren darf, half ihm einst bei der Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch für die Ausbildung bei der Stadt Köln. „Da schließt sich ein Kreis“, sagt Urbach und wirkt beim Kaffee mit Klein so, als würde auch eine Last von ihm abfallen. „Ich freu mich auf die neue Zeit“, sagt er.