ProzessGladbacher IT-Experte bestreitet vor Gericht Millionensabotage

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Ein Mitarbeiter des Cybercrime-Zentrums Baden-Württemberg sitzt an einem Arbeitsplatz (gestellte Szene).

Ein Bergisch Gladbacher IT-Dienstleister soll in das Computersystem eines früheren Kunden eingebrochen sein und dort gewütet haben. Im Prozess bestreitet der Mann die Vorwürfe.

Ausgerechnet der Ex-IT-Dienstleister soll im Computersystem einer Kölner Foto-Firma gewütet haben. Vor Gericht bestreitet der Gladbacher.

War es ein kindischer, destruktiver Racheakt für eine gescheiterte Geschäftsbeziehung? Oder muss ein erfolgreicher Bergisch Gladbacher IT-Experte zum Sündenbock für die Fehler anderer in einem Kölner Unternehmen herhalten? Wegen Ausspähens von Daten und Computersabotage muss sich der 56-jährige Softwarespezialist Ferdinand G. (Namen geändert) vor dem Bergisch Gladbacher Amtsgericht verantworten.

Rund eine Million Euro Schaden soll er im November 2018 angerichtet haben. Doch der Unternehmer bestreitet jede Schuld. Mit Hilfe zweier Sachverständiger und zahlreicher Zeugen versucht die Bergisch Gladbacher Amtsrichterin Pauline Willberg seit Freitagvormittag, Licht ins Dunkel zu bringen.

Auf dem Flur tummeln sich die Zeugen

Obwohl an diesem Tag nur dieser eine Strafprozess in Bensberg stattfindet, tummeln sich auf dem Flur mehr Personen als sonst: Zeuginnen und Zeugen, die darauf warten, ihre Aussage machen zu können. Die Anklage wirft dem Netzwerkexperten vor, kurz nach dem Ende der Geschäftsbeziehung seines Dienstleistungsunternehmens mit einem langjährigen Auftraggeber, einer Foto-Firma aus Köln, virtuell in deren Netzwerk eingebrochen zu sein und darin gewütet zu haben.

Er habe Schadsoftware installiert und Daten gestohlen und gelöscht, und unter den gestohlenen Dateien war eine komplette Mitarbeiter- und Gehaltsliste der Foto-Mitarbeiter, die er denen dann auch habe zukommen lassen. Genau 986.537,87 Euro habe die Reparatur gekostet, und das ist auch der Betrag, den die Foto-Firma wiederhaben will: Von Ferdinand G. selbst oder auch von der GmbH, deren Geschäftsführer er ist.

Am Anfang stand ein Commodore 64

Adhäsionsverfahren nennt sich diese juristische Procedere, doch Richterin Willberg weist den neben der Staatsanwältin sitzenden Anwalt der Foto-Firma darauf hin, dass sie diesen Antrag für unzuverlässig hält, soweit er auch die GmbH in die Verantwortung nehme will. Der Jurist akzeptiert  und beschränkt seinen Antrag auf die Person G.

Der wiederum hat sich auf den bereits zweiten Versuch, ihm den Prozess zu machen, ordentlich vorbereitet und lässt zunächst seinen Verteidiger eine umfangreiche Erklärung vortragen. Die beginnt fast bei Adam und Eva, nämlich beim ersten Commodore 64, der den Angeklagten Anfang der 1980er so sehr fasziniert habe, dass er sich ganz der Computertechnik verschrieben und unter anderem in der Microsoft-Zentrale in den USA gelernt habe.

Angeklagter will zu schneller Anzeige geraten haben

Im Laufe seiner Karriere habe er viel gelernt und viel gearbeitet und selbstverständlich habe er auch gewusst, dass Computer-Einbrüche Spuren hinterlassen. Er habe die Taten nicht begangen, und so zerrüttet, wie es nun in der Anklage klinge, sei das Verhältnis der beiden Unternehmen auch gar nicht gewesen.

Die Foto-Firma habe irgendwann ihren eigenen IT-Spezialisten fest eingestellt und seine Netzwerks-Betreuungsfirma zusehends weniger in Anspruch genommen. Am Ende habe es einfach nicht mehr gepasst, deshalb sei von beiden Seiten jeweils ein Vertrag gekündigt worden.

Als dann aber im November bei den Kölnern Holland in Not gewesen sei, hätten sofort drei seiner Mitarbeiter vor Ort geholfen. Er habe damals zur sofortigen Strafanzeige geraten, um eine bessere Beweissicherung zu ermöglichen. Die Anzeige sei aber erst nach Tagen erstattet worden.

Der Tag im November 2018, auf der es auf der A3 keinen Stau gab

Bevor die ersten Zeugen vernommen werden, hat Richterin Willberg einige Fragen an den Angeklagten: wo er an diesem und jedem Tag gewesen sei. Das nach fast sechs Jahren noch angeben zu können, ist so einfach nicht, doch G. gibt sich Mühe: An einem der angefragten Tage sei er mit seiner Frau unterwegs gewesen.

Sie hätten ein geleastes Auto auf einem Anhänger nach München transportiert, es dort bei der Leasingfirma abgegeben und seien dann lange in der Sauna am Starnberger See gewesen.  Wann genau er danach wieder in Gladbach war, das wisse er nicht mehr. „Aber es gab keinen Stau auf der A3. Das ist schon etwas, was im Gedächtnis geblieben ist.“

Weitere Termine müssen folgen  

Bis nach 17 Uhr dauert an diesem Freitag der erste Prozesstag, zeitweise ein den Laien reichlich verwirrendes Frage-und-Antwort-Spiel um Dateisysteme, Datumsstempel und Sicherungen zwischen Angeklagtem, Polizeiexperten und Gutachtern.

Dann ist klar: Es muss noch zwei weitere Sitzungen geben, zunächst einen Stütztermin im Juli, bei dem den Prozessbeteiligten lediglich Unterlagen zum Lesen ausgehändigt werden, danach einen weiteren Termin, bei dem die beiden Computer-Sachverständigen das Ergebnis ergänzender Untersuchungen vortragen sollen. 

Denn auch nach rund sieben Stunden Verhandlung sind noch viele Fragen offen geblieben in einem Verfahren, in dem es zwar Indizien, aber keinen rauchenden Colt gibt. Wohl im August wird es eine Entscheidung geben.

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