Bergisch Gladbach/Köln – Kurzer Prozess ist anders: Fast fünf Jahre nach dem ersten Übergriff und vier Jahre nach dem zweiten haben sich drei Angeklagte vor dem Jugendgericht verantworten müssen. Im ersten Fall ging es um die Bedrohung und Verletzung eines Gladbachers, der seine Lebensgefährtin vor Belästigung schützen wollte, am Nachmittag des 4. Juli 2017 im Schatten des Bergisch Gladbacher Rathauses. Fall 2 betraf Jagdszenen auf der A 4 ab Bensberg und dann weiter auf Kölner Straßen am 28. Juni 2018. Die Angeklagten wurden dafür nicht bestraft.
Die extrem lange Verfahrensdauer war mehrfach Thema in dem Prozess. Vor allem die Opfer wiesen darauf hin, auch, um Unsicherheiten in ihrer Erinnerung zu erklären. Warum die beiden Verfahren so lange schlummerten, blieb in dem Prozess gleichwohl offen. Der neu zuständig gewordene Richter Ertan Güven sagte, dass er den Prozess nur zwei Tage, nachdem er die Abteilung vom langjährigen Vorgänger übernahm, angesetzt habe.
Prügel nach vermeintlicher Bloßstellung des Vaters
Im Prügelfall von 2017 waren der 59-jährige Taxifahrer Abdul P., sein heute 24 Jahre alter Sohn Rahim und dessen Kumpel Mesud (34) angeklagt (alle Namen geändert). Abdul hatte Gastronomin Katja P. (46) unangemessen geneckt und berührt und war sowohl von der Wirtin als auch von ihrem heutigen Ehemann Ali G. aufgefordert worden, das zu lassen. Abdul habe aber für diese von ihm so empfundene „Bloßstellung“ eine Entschuldigung gefordert und mit schlimmen Konsequenzen gedroht.
Tags drauf suchten Sohn Rahim und Kumpel Mesud Ali G. am Lokal auf. Der eine hielt ihn von hinten fest, der andere verpasste ihm mehrere Ohrfeigen, die so heftig waren, dass Ali aus dem Mund zu bluten begann.
Jagdszenen auf dem Weg zum „Bootshaus“
Im Autobahn-Fall fuhr Claudia G. (23) aus Siegen, damals Mitarbeiterin einer Leihwagenfirma, mit zwei Freunden in einem Firmenfahrzeug über die A 4 in Richtung Deutz, um im Nachtclub „Bootshaus“ zu feiern. Rahim und Mesud setzten sich in einem geliehenen Mercedes neben sie, nach eigenen Angaben, um mit Claudia zu flirten.
Ihnen sei aber ein Stinkefinger gezeigt worden, der sie ausrasten ließ: Die Siegerländer wurden wüst beschimpft, eine Coladose geworfen, es wurde dicht an dicht gefahren, mehrfach ausgebremst. Über Kilometer ging die Fahrt, an einer roten Baustellenampel stieg der muskulöse Beifahrer aus, und Claudia P. entschloss sich in Panik, weiterzufahren.
Kollision unter den Ohren der Polizei
Unter den Ohren der via Handy zugeschalteten Polizei kam es zu einer nicht schwerwiegenden Kollision der beiden Fahrzeuge, danach suchten Rahim und Mesud das Weite. Im Prozess entschuldigten sie sich bei den Opfern ihrer Hatz.
In einem Rechtsgespräch einigten sich Jugendrichter Güven, der Staatsanwalt und die Verteidiger der drei Angeklagten darauf, die Verfahren gegen die am Ende geständigen Männer im Hinblick auf die lange Zeit und die mittlerweile ausgesprochenen Strafen wegen anderer Delikte einzustellen.
Tatfahrzeug-Verleiher bleibt auf Schaden sitzen
Nach Paragraf 154 der Strafprozessordnung ist ein solcher Ausweg, nicht mit „geringer Schuld“ zu verwechseln, möglich, wenn eine neue Bestrafung nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder die andere Strafe zur „Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint“.
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Für die Opfer von Straftaten ist so etwas naturgemäß unbefriedigend. Wobei: Den unzufriedensten Eindruck machten weder der geschlagene Gladbacher Ali G. noch die gehetzten Siegerländer, sondern ein junger Bodybuilder-Typ aus Lohmar. Klaus B. hatte seinen Mercedes an die beiden Verkehrsrowdys verliehen und ist bis heute auf dem Schaden sitzengeblieben.