Bergisch Gladbach/Overath – Wieder ein Fall aus der Abteilung alltäglicher Wahnsinn: Auf der Autobahn 4 bei Overath ist es zum Showdown zwischen einem 28-jährigen Handwerker mit kleinen Kindern an Bord und einem 52-jährigen Informatiker auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch gekommen. Einer habe den anderen ausgebremst, der Verkehr sei zum Erliegen gekommen und vor Strafrichterin Birgit Brandes, die die Sache jetzt richten sollte, bezichtigten sich die Streithähne gegenseitig schlimmer Dinge. Am Ende zog die Richterin die Reißleine: „Aussage gegen Aussage“ verkündete sie und stellte das Verfahren ein.
Der Strafprozess um die obskure Begegnung auf der Autobahn war einer der selten gewordenen Fälle, bei denen sich auch mal ein Normalbürger ohne berufliches Interesse im Saal eingefunden hatte. „Und was lehrt uns das?“, fragte dieser Bürger, der im Amtsgericht eigentlich nur seinen Kirchenaustritt hatte erklären wollen , nach Ende der Sitzung in den Raum.
Bedrängt und ausgebremst
„Dass jeder nur noch an sein eigenes schnelles Vorankommen denkt“, antwortete Richterin Brandes spontan und keineswegs verdutzt. Sie selbst wohne ganz in der Nähe und könne auf ihrem Weg zur Arbeit quasi täglich Verkehrsverstöße beobachten.
Der Verkehrsverstoß, um den es zuvor gegangen war, hatte sich als ziemlich harte Nuss erwiesen. Angeklagt war Handwerker Peter P. (Namen geändert) aus Windeck (Rhein-Sieg-Kreis). Er soll am 14. November 2020 gegen 13.20 Uhr auf der A 4 in Fahrtrichtung Olpe seinen Gegner Gerd Z. nach einer Baustelle von hinten bedrängt, falsch überholt und gefährlich ausgebremst haben. Auf einem Rastplatz habe er ihn außerdem beschimpft und bespuckt.
Nur die Lichthupe benutzt
Dieses Vorwürfe bestritt Peter P. rundweg: Es sei genau umgekehrt gewesen. Gerd Z. sei plötzlich von der rechten auf die linken Spur gewechselt und habe ihn zu einem gefährlichen Bremsmanöver gezwungen. „Ich habe die Lichthupe benutzt. Das war’s.“ Er habe er seine beiden Söhne und deren Mutter im Auto gehabt, da würde er doch niemals so gefährlich fahren.
Gerd Z., der für seine Zeugenaussage eigens mehrere hundert Kilometer aus Niedersachsen hatte anreisen müssen, wiederholte dagegen vor Gericht seine Darstellung, die zur Grundlage der Anklage geworden war. Dazu die Richterin: „Im Straßenverkehr sind die Wahrnehmungen gelegentlich sehr unterschiedlich.“ Die Darstellung des Handwerkers wurde gestützt von der Zeugenaussage seiner Ex-Freundin und Beifahrerin.
Staatsanwalt insistiert
Während allerdings sowohl Peter P. als auch Gerd Z. in sich schlüssige Darstellungen abgaben, musste sich Beifahrerin Katja S. mehr als einmal kritische Nachfragen des Staatsanwaltes gefallen lassen, wie sie denn das eine oder andere von ihr beschriebene Detail vom Rastplatz mitbekommen haben wolle, da sie dort doch gar nicht aus dem Auto ausgestiegen sei.
Das könnte Sie auch interessieren:
Auch ein unscharfer Fotobeweis brachte nicht mehr neue Erkenntnisse als die Tatsache, dass das Bild zwischen Untereschbach und Overath aufgenommen worden war.
Richterin weist auf Paragraf 1 der StVO hin
So beendete Richterin Brandes das Verfahren schließlich mit der Einstellung wegen geringer Schuld und einem Hinweis auf die Straßenverkehrsordnung – die ja eigentlich in ihrem Paragraf 1 die gegenseitige Rücksicht predigt. Apropos predigen: Seinen Kirchenaustritt hat Bürger Otto N. vor der Verhandlung problemlos erledigt bekommen, wie er der Richterin auf deren Nachfrage verriet.