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Hanna Thiele-Roth und David Roth„Er hat im Tod nicht das Dunkle gesehen“

Lesezeit 6 Minuten

Hanna Thiele-Roth und David Roth haben das Unternehmen von ihrem Vater Fritz Roth übernommen.

Am 13. Dezember ist es ein Jahr her, dass der Bergisch Gladbacher Bestatter Fritz Roth seinem Krebsleiden erlag. Am ersten Todestag des Vaters wollen seine Kinder Hanna Thiele-Roth (26) und David Roth (35) eine Stiftung vorstellen, die die Ideen des Vaters weitertragen soll. Die beiden haben das Bestattungsunternehmen übernommen. Wir haben mit ihnen über Trauer und den persönlichen wie professionellen Umgang damit gesprochen.

War es für Sie beide klar, dass Sie in den elterlichen Betrieb einsteigen werden?

David Roth: Ich bin im Betrieb groß geworden. Für mich war klar, dass ich in einem Beruf arbeiten möchte, wo man Zeit für die Menschen hat. Ein Bestatter ist kein Notar, auch wenn ich genau diese Haltung bei vielen meiner Kollegen noch erlebe. Ich habe viele Praktika an verschiedenen Orten gemacht, darunter war das Grandhotel in Bensberg ebenso wie die Rehabilitation der Landesklinik in Langenfeld. Letztlich habe ich Betriebswirtschaft studiert. Aber erst durch meine Kontakte während der Ausbildungszeit habe ich realisiert, was für ein großes Pfund wir hier haben.

Hanna Thiele-Roth: Ich habe seit meinem 14. Lebensjahr in den Ferien in der Firma mitgearbeitet. Ich habe Eventmanagement studiert, hätte mir aber auch Psychologie vorstellen können. Der Einstieg in die Firma 2010 hatte für mich mehr mit Familie als mit Arbeit zu tun.

Was macht für Sie den Beruf des Bestatters aus?

Roth: Ich habe die Möglichkeit, jeden Tag etwas anderes zu machen. Jeden Tag kommen Menschen mit neuen Ideen zu uns, seien es Mitarbeiter oder Kunden. Leider ist das flexible Reagieren, das Einlassen auf die Bedürfnisse der Menschen kein Bestandteil der Ausbildung zur Bestattungsfachkraft. Im Gegenteil, diese ist teilweise sogar irreführend, weil sie nicht auf die individuellen Bedürfnisse der Trauernden eingeht. Nach der Ausbildungsordnung ist ein Bestatter ein Handwerker, das geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung.

Thiele-Roth: Empathie, das in meinen Augen das Wichtigste in unserem Beruf, kommt in der Ausbildung gar nicht vor. Ich bin froh, dass wir in unserem Team viele Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen haben, vom Landschaftsgärtner bis zur Intensivkrankenschwester. Sie alle haben einen eigenen Standpunkt zum Thema Tod, aber alle eint, dass sie sich als Begleiter der Hinterbliebenen sehen. Unser Vater hat es so formuliert: Wir sind die Krücke, die die Menschen bei den ersten Schritten nach dem Verlust eines Angehörigen unterstützt.

Sie haben vor fast genau einem Jahr ihren Vater durch eine Krebserkrankung verloren. War es für Sie leichter, damit fertig zu werden, weil Sie beruflich den Umgang mit dem Tod gewöhnt sind?

Thiele-Roth: Bestatter sind auch Menschen. Insofern schmerzt sein Tod bis heute und das wird auch noch lange so sein, Aber für uns war das letzte Jahr vor seinem Tod gleichzeitig ein großes Glück, wir hatten Zeit, Abschied zu nehmen, Zeit, zusammen zu lachen und zu weinen.

Roth: Vor allem die letzten drei Wochen waren sehr intensiv. Wir waren täglich bei ihm. Natürlich gibt es vieles, was wir fortführen. Aber für manche seiner Ideen haben wir einen anderen Ansatz gefunden. Oder wir merken, dass jetzt erst die Zeit reif für sie ist, er damit zu früh unterwegs war.

Was ist Ihnen persönlich geblieben?

Thiele-Roth: Er hat uns ganz persönliche Tipps gegeben. Etwa mir gesagt, dass ich gnädiger werden muss, mit mir selbst und mit anderen. Er hat mir den Vornamen seiner Mutter gegeben, eigentlich hätte er wissen können, dass ich ihr sehr ähnlich bin.

Roth: Er war sehr melodramatisch, aber er hat im Tod nicht das Dunkle gesehen. Das Sterben war für ihn ein natürlicher Prozess und er hatte das Glück, seine letzten Monate intensiv nutzen zu können. So haben unsere Kinder ihren Opa noch einmal richtig genießen können und den Tod nicht als etwas Schreckliches erlebt. Sie spielen heute noch mit der Handpuppe, mit der er ihnen im letzten Sommer Zaubertricks gezeigt hat. Uns allen hat geholfen, dass wir wussten, wir können uns Zeit lassen. Wir haben in Ruhe Abschied nehmen können. Es bleibt sehr nachhaltig das Gefühl, dass es, so wie es war, in Ordnung ist.

Thiele-Roth: Trotzdem waren wir natürlich auch kopflos, haben etwa vergessen, einen Teil der Familie schriftlich zum Gottesdienst in Altenberg einzuladen. Die waren zwar informiert, aber bei dem Heraussuchen der vielen Adressen derjenigen, die eingeladen werden sollten, ist uns das durchgegangen. Umgekehrt waren wir absolut positiv überrascht, wie vielen Menschen unser Vater etwas bedeutet hat, wie viele sich an Begebenheiten mit ihm erinnern, auch wenn sie ihn vielleicht nur ein Mal getroffen hatten. Viele haben Dinge, die sie mit ihm teilen wollten, in seinen Sarg gelegt, der war zum Schluss eine richtige Schatzkiste.

Sie werden am 13. Dezember, seinem ersten Todestag, die Fritz-Roth-Stiftung gründen.

Thiele-Roth: Wir wollen seine Ideen bewahren, das, was ihn ausgemacht hat. Die Stiftung gibt uns die Möglichkeit, uns neutral zu halten und seine Idee für jeden zugänglich zu machen.

Roth: Die Stiftung bietet uns die Möglichkeit, Dinge zu verwirklichen, die wir als Firma nicht können, etwa Forschung zu betreiben. Ganz konkret soll es um die Frage gehen, warum Abschied nehmen wichtig für die Trauernden ist. Die Universität in Ravensburg/Weingarten will der Frage nachgehen, was für die Hinterbliebenen hilfreich ist. Auch gibt es keine Standards, wie etwa Rechtsmediziner ihre Eindrücke verarbeiten. Eine Supervision wird ihnen nur sporadisch angeboten.

Wie hat sich ihr Arbeitsumfeld verändert?

Roth: Wir haben aus Vaters Arbeitszimmer einen Besprechungsraum gemacht. Der ist jetzt viel aufgeräumter, als er es zu seinen Lebzeiten je war. Damit habe ich ihn oft aufgezogen, jetzt muss ich aber zugeben, inzwischen sieht mein Schreibtisch genauso chaotisch aus wie seiner. Ich habe festgestellt, dass sich die Meinung vieler Bestatter über uns revidiert hat. Sie haben jetzt erst verstanden, wie viel unser Vater für die Branche in Bewegung gebracht hat.

Thiele-Roth: Wir arbeiten jeden Tag in einem Umfeld, in dem uns viel an ihn erinnert. Wir wollen das aber nicht als Museum sehen, in dem sich nichts verändern darf. Vielmehr sollen es Dinge sein, die uns täglich inspirieren. Deshalb sind all die Menschen, die ihn kannten, egal ob unsere Mitarbeiter oder andere Gesprächspartner, für uns sehr wichtig. Sie alle tragen mit ihren Geschichten dazu bei, dass er in unseren Herzen bleibt.

Das Gespräch führte Daniela Fobbe-Klemm