AboAbonnieren

Installation in Bergisch GladbachKünstler machen auf ihre Situation aufmerksam

Lesezeit 3 Minuten

Im vorschriftsmäßigen Abstand von jeweils 1,50 Metern versammelten sich die Künstler zu ihrer Protestkundgebung vor dem Bürgerhaus Bergischer Löwe.

Bergisch Gladbach – Beeindruckend wirkt die Szenerie am Sonntagvormittag vor dem Bürgerhaus Bergischer Löwe – Musiker, Sänger, Theaterleute, bildende Künstler stehen stumm vor dem Portal im gesetzlich definierten Mindestabstand von 1,50 Metern, weisen mit Plakaten, Instrumenten und Kunstwerken auf den Stillstand der Kultur in der Coronazeit hin. Wollen die ganze Tragik des Umgangs der Politik mit Kultur als Protest zum Ausdruck bringen – mit der „lebendigen Installation“, zu der der Pianist und Dirigent Roman Salytuov die Kulturszene aufgerufen hat.

Beethovens neunte Sinfonie hat Initiator Roman Salyutov mit einen Vorhängeschloss versehen.

Mit Ehefrau Felice bringt er das große Transparent mit den roten Lettern „Kultur ist systemrelevant“ auf das Fenster neben dem Portal an. Die Geigerin hat ihre Geige mitgebracht – im Geigenkasten, der verschlossen ist mit einem rotweißen Absperrband. Orchestermitglied Sebastian Weisskapp hat eine Installation aufgebaut: im geöffneten Geigenkasten eine schwarze Geige aus Sperrholz mit zwei glimmenden roten Grablichtern, daneben die schwarze Jacke auf dem Notenständer. Der Metronom auf dem Boden gibt laut den Takt an während der Aktion.

Vergleich zum Waldsterben

Wie eine Monstranz trägt der Künstler Detlev Weigand die Assemblage „Der Schrei 2.1“ vor sich: „Weil der Schrei der Kulturschaffenden nicht gehört wird.“ Manuele Klein hat ein schwarzes Kreuz auf eine Leinwand aufgebracht und die Aufschrift „Ohne Kunst und Kultur wird es still“: „Die Kultur stirbt, wenn wir nichts dafür tun.“ Sie hat eine Fotografie von einem sterbenden Wald mitgebracht als Parallele zum Kultursterben: „Auf den Wald hat auch niemand geachtet.“

Waldsterben und Kultursterben sind für Manuele Klein zwei Seiten einer Medaille.

Immer mehr Menschen kommen zum Platz vor dem geschlossenen Theater, diskutieren mit den Kulturschaffenden. Geschäftsführer Norbert Pfennings hat ein Plakat aufgestellt mit dem Abbild jener Löwen-Plastiken, die vor fünf Jahren von Künstlern gestaltet wurden für eine Benefiz-Aktion — auf dem Plakat tragen die Löwen jetzt Schutzmasken. „Wir haben Abstandsregeln und Mund-Nasenbedeckung, und trotzdem dürfen wir nichts machen“, sagt er. „Die Aktion geht nicht gegen Stadt und Kreis, sondern gegen die Regelungen von oben.“

„Kultur ist Bildung“

Initiator Roman Salyutov – vor sich den Notenständer mit der Partitur der Neunten Sinfonie von Beethoven, umwickelt mit einer Kette – vermittelt den Passanten das Anliegen der Kulturschaffenden, die ihren Beruf nicht ausführen dürfen: „Dies ist eine Verzweiflungstat, ein Versuch, auf die große Not der Szene, aber auch der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Das große Problem ist die unverhältnismäßige Schließung der gesamten Kulturszene.“ Trotz geschrumpfter Kapazitäten – Reduzierung der Zuschauerzahlen – habe man den Betrieb auf Sparflamme erhalten, zum Teil drei bis vier Konzerte pro Tag gegeben.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Es gab keinen Hotspot am Theater und in den Konzertsälen. Die Kirchen bleiben offen, bei uns argumentiert man mit Gesundheitsschutz – das sind doppelte Standards, die den Eindruck von Willkür erwecken.“ Welches Bewusstsein in Regierungskreisen für die Kultur herrscht, beweise die Aussage der NRW-Kulturministerin, man könne für die Kultur keine Extrawurst braten: „Da muss man sich fragen, ob sie das richtige Amt bekleidet.“ Und er ist sich mit allen Kollegen aus der Kulturszene einig: „Kultur ist Bildung. Ein verwüstetes Land ist nichts wert, wenn es keine Kultur und Bildung gibt.“ Das wollen alle in der Kulturszene zum Ausdruck bringen in ganzen Land und auch hier in der Kreisstadt. Als jemand in die Runde wirft, ob man etwas spenden könne, antwortet Salyutov: „Nein, darum geht es nicht – es geht um Solidarität.“

Puppenspieler Gerd J. Pohl hat den Theatergong eingepackt und die „Siebbrille“ aufgesetzt.

Wie eine Festung in der Brandung steht der Schauspieler und Puppenspieler Gerd J. Pohl am Rand der „lebendigen Installation“: Mit schwarzem Filzhut und dem Fluxusobjekt „Siebbrille“ von Hingstmann, als Symbol für den eingeschränkten Sichtkontakt zwischen Künstlern und Publikum. Vor ihm liegt der Gong als Zeichen für das Verstummen des Theatergongs, fest in Folie verpackt und unbrauchbar gemacht. „Der Koffer symbolisiert das geschlossene Theater“, so Pohl. „Die Puppenkisten bleiben zu, nur noch Kaspers Zipfelmütze schaut heraus.“