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Kirche hat EigenbedarfUkrainische Familie soll Dienstwohnung in Bensberg räumen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Reihenhaus mit Vorgarten.

Hier hat die Familie aus der Ukraine eine neue Heimat gefunden. Doch nun soll sie die Wohnung räumen, weil die Kirchengemeinde Eigenbedarf angekündigt hat.

Nachbarn wollen verhindern, dass die integrierte Familie ihr neues Umfeld wieder verliert, vielleicht in einen Wohncontainer ziehen muss.

Alla Artemenko hat Angst. Die 40 Jahre alte Ukrainerin wohnt mit ihrer 71 Jahre alten Mutter, der Tochter Tatjana (17) und dem Sohn David (13) seit rund zwei Jahren in einer geräumigen Wohnung in der Stahlhuthstraße 4. Ein Glücksfall für die vor dem Krieg geflüchteten Familie, die aus Winnyzja, einer Stadt südwestlich von Kiew stammt.

Doch wenn Alla Artemenko an die kommenden Monate denkt, dann sieht sie das bedrückende Bild eines Wohncontainers vor sich. Denn die Familie muss die Wohnung, die die katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus Bensberg der Stadt Bergisch Gladbach zur Unterbringung von geflüchteten Menschen zur Verfügung gestellt hatte, wieder verlassen.

Bergisch Gladbach: Der befristete Mietvertrag läuft Ende Juni aus

Ende Juni läuft der befristete Mietvertrag aus. Anschließend möchte die Kirchengemeinde die Räume, bei denen es sich eigentlich um eine Priester-Dienstwohnung handelt, ihrem ursprünglichen Zweck wieder zuführen. Für September, so Pfarrer Elmar Kirchner, habe das Erzbistum angekündigt, dass ein zusätzlicher Priester das Pastoralteam für Bensberg und Moitzfeld verstärken werde. Und wohnen soll er in der Dienstwohnung der Pfarrei St. Nikolaus.

Eine Verlängerung des Mietvertrages habe nicht erreicht werden können, bestätigt die Stadt. Es sei aber in Aussicht gestellt worden, dass die Wohnung bis Ende August weiter bewohnt werden könne, sofern eine Zusage bestehe, dass die Familie dann in eine andere Wohnung umziehen könne. Sollte dies scheitern, müsse die Stadt für eine Unterbringung sorgen, so Stadtsprecher Sascha Keimer, ohne ins Detail zu gehen. Die Kommune sei der Kirchengemeinde dennoch dankbar, dass sie damals auf die Stadt zugekommen sei und die Wohnung angeboten habe.

In einem Offenen Brief kritisieren Nachbarn die Kündigung

Die Nöte der Familie Artemenko haben inzwischen Teile der Nachbarschaft auf den Plan gerufen. In einem Offenen Brief, der von 24 Bürgern und Bürgerinnen unterzeichnet wurde, fordern die Nachbarn die Kirchengemeinde auf, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Die Familie sei „vorbildlich integriert“, die Kinder besuchten die Schule in Herkenrath, die Mutter sei berufstätig, nehme engagiert am Leben des Viertels teil: „Wir haben die ganze Familie als liebenswerte Mitbewohner unserer Straße schätzen gelernt“, so Markus Juraschek-Eckstein, Sprecher der Initiative. Die Mitteilung der Stadt, dass die Artemenkos die Wohnung räumen sollen, habe die Familie schockiert.

Die Familie hat Angst, in einen Wohncontainer umziehen zu müssen

Den Schreck hört man Alla Artemenko an: „Wir möchten gerne bleiben und nicht in einem Container umziehen“, sagt sie mit belegter Stimme. Erst kürzlich habe sie auf eigene Kosten die Wohnung renoviert, Wände gestrichen und auch im Garten gearbeitet. Nun könnte dies alles vergeblich gewesen sein.

Ein Jugendzimmer mit Bett und Sideboard, darauf ein Bildschirm.

Die Mutter hat die Räume für ihre Kinder erst kürzlich renoviert. Nun hat sie Angst, dass die Familie in einen Container ziehen muss.

Die rechtliche Lage sei unstrittig, so die Nachbarschaft. „Uns irritiert allerdings die menschliche Seite der Angelegenheit.“ Das Haus Stahlhuthstraße 4, das die Artemenkos zeitweilig noch mit zwei weiteren Geflüchteten teilen mussten, habe etwa 105 Quadratmeter Wohnraum. „Statt Frau Artemenkos vierköpfige Familie soll dieser Wohnraum nun einer einzelnen Person, deren Ankunft in Bensberg wohl nicht einmal sicher ist, zur Verfügung gestellt werden“, wundern sich die Kritiker.

Für die Familie sei es eine „erneute Vertreibung“

Auch stehe ein weiterer Dienstwohnraum für einen Priester im Pastorat Nikolausstraße zur Verfügung, derzeit als Lager genutzt. Über Alternativen zur Wohnungsräumung sei mit der Familie nicht gesprochen worden. Man wisse nicht, ob der Kirchenvorstand aus freien Stücken oder „auf Weisung von oben“ so entschieden habe, der Beschluss gefährde aber die inzwischen gewachsenen Kontakte und setze „die Familie einer erneuten Vertreibung aus“, heißt es im Protestschreiben.

Dies stehe in eklatantem Widerspruch zur „Aktion Neue Nachbarn“, die Kardinal Rainer Maria Wölki selbst ins Leben gerufen habe. Das sei alles nur maßlos traurig, kritisiert ein Gemeindemitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte. Zwar lasse die Kirchengemeinde nun nach einer anderen Wohnung suchen, doch sei dies angesichts der Wohnungsmarktlage wenig erfolgversprechend, so die Nachbarn.

Die Kinder sollen nicht wieder aus ihrem Umfeld gerissen werden

Wie schwierig die Suche ist, das weiß besonders Mechthild Münzer, die Flüchtlingsbeauftragte der Pfarrgemeinde, die auch in Kontakt mit der Stadt steht. Sie betreut auch die Familie Artemenko. Als ihr Pfarrer Kirchner mitgeteilt habe, dass ein Priester die Wohnung benötige, „habe ich mich sofort auf die Suche nach einer Wohnung gemacht“, sagt Münzer.

Sie arbeitet mit der Organisation Habitat for Humanity Deutschland zusammen, die auch im Rheinisch-Bergischen Kreis Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine vermittelt. Erschwert werde die Suche durch den eingeschränkten Radius: Die Kinder sollen nicht erneut aus der Schule gerissen werden, die Mutter ist in Bensberg beschäftigt.

Integrationsbeauftragte sucht intensiv nach einer neuen Bleibe für die Familie

Jetzt hofft Münzer wenigstens etwas Zeit gewonnen zu haben: „Pfarrer Kirchner hat gesagt, die Familie kann so lange dort wohnen bleiben, bis ich eine Wohnung für sie gefunden habe“, berichtet sie. „Darauf verlasse ich mich.“ Denn sie möchte auf jeden Fall eine Unterbringung der Familie in einem Container vermeiden.

Sie bittet daher auch die Nachbarschaft, aktiv an der Suche mitzuwirken. Deren Haltung imponiere ihr, sagt Münzer: „Eine Nachbarschaft, die sich so für eine Familie einsetzt und sich solidarisch erklärt, das habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt.“

Pfarrer: „Wir werden niemanden auf die Straße setzen“

Man sei bemüht, eine Lösung zu finden und diese zeichne sich auch ab, so Pfarrer Elmar Kirchner. Mehr könne er noch nicht sagen. In der Not der Flüchtlingskrise habe die Pfarrgemeinde der Stadt die vorübergehend leerstehende Dienstwohnung in der sogenannten Kaplanei zur Verfügung gestellt, die jetzt aber wieder für einen Priester benötigt werde, erklärt er.

Weitere Räume seien nicht frei, selbst die Verwaltungsleitung verfüge über kein eigenes Büro. Auch der von den Nachbarn angeführte Dienstraum falle aus: Hier werde sein Arbeitszimmer eingerichtet, sagt Kirchner, verspricht aber: „Wir werden niemanden auf die Straße setzen.“