Die vier Neubauprojekte helfen im Kindergartenjahr 2024/24 nicht weiter. Die Stadt Bergisch Gladbach befürchtet eine Klagewelle.
Kita-KriseIn Bergisch Gladbach fehlen über 300 Betreuungsplätze
Es wird gebaut und geplant. Rein rechnerisch fehlen in Bergisch Gladbach im Kita-Jahr 2024/25 nur 36 Plätze. Nach den Horrorzahlen der letzten Jahre hört sich das an wie eine Entwarnung. Die Realität sieht aber anders aus. Faktisch fehlen in Bergisch Gladbach im Sommer über 300 Plätze. Denn die geplanten Neubauprojekte sind zu Beginn des neuen Kinderjahres noch gar nicht fertig. Die Stadtverwaltung befürchtet eine massive Beschwerde- und Klagewelle.
In ihrer Planung für das Kindergartenjahr weist die Stadtverwaltung 4312 Plätze in Kindertagesstätten aus, ein Platzzuwachs von rund 400 im Vergleich zum vergangenen Jahr. Eigentlich eine positive Entwicklung, aber nur planerisch auf dem Papier reduziert sich das Defizit von 416 Plätzen auf 36 Plätze. „Die aktuelle Realität ist jedoch eine andere. Die Situation stellt sich nach wie vor sehr angespannt dar“, heißt es in der Verwaltungsvorlage, die am 7. März den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses vorgestellt wird.
Die Stadt Bergisch Gladbach kann in vielen Fällen den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr nicht erfüllen, so sehr sie sich in den letzten beiden Jahren auch ins Zeug gelegt hat, um den wachsenden Bedarf zu decken. Dass es nicht reicht, hat drei Gründe.
Plätze in den Neubauprojekten stehen erst Ende 2025 zur Verfügung
Erstens hat die Stadtverwaltung in ihre Planung die 255 neuen Kitaplätze eingerechnet, die in den vier Sofort-Kitas in Modulbauweise, errichtet werden sollen: in der Innenstadt sowie in den Stadtteilen Sand, Schildgen und Lückerath. Obwohl diese Plätze erst mit Abschluss der Bauarbeiten frühestens zum Ende des Kindergarten-Jahres 2025 zur Verfügung stehen.
Dies gilt auch für den Ausbau der Kita Zum Frieden Gottes mit einer dritten Gruppe. Bei der im Bau befindlichen neuen Awo-Kita Reiser/Mondsröttchen in Bensberg mit 93 Plätzen geht die Verwaltung davon aus, dass der Eröffnungstermin im August dieses Jahres gehalten werden kann.
Die Situation spitzt sich aufgrund des Fachkräftemangels zu
Zweitens spitzt sich die Situation aufgrund des Fachkräftemangels zu. Es könne passieren, dass Gruppen ganz oder teilweise schließen, Einrichtungen ihre Gruppen nicht vollständig belegen können. „Hinzu kommt, dass immer häufiger Betreuungszeiten reduziert werden müssen, damit die Einrichtungen überhaupt ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können“, warnt die Verwaltung. Es sei nicht abzusehen, dass sich der Mangel an qualifizierten Personal zeitnah entspanne. Diese Schwierigkeiten würden das Jugendamt als offizieller Jugendhilfeträger nicht davon entbinden, ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten.
Bei den Dreijährigen fehlen 62 Plätze
Das dritte Problem besteht darin, dass es für die Altersgruppe der Kinder zwischen zwei und drei Jahren 187 Plätze gibt, die gar nicht benötigt werden. Dafür ist die Lücke bei den Kindern unter zwei Jahren sehr groß – 162 Plätze fehlen. Bei den über Dreijährigen fehlen 62 Plätze. In die Gruppenformen könne aber laut Verwaltung nur sehr begrenzt steuernd eingegriffen werden. Das Verschieben von Plätzen sei nur begrenzt möglich.
Da sich das Unter- und Überangebot unterschiedlich auf die Stadtteile verteile, müssten Eltern längere Fahrtstrecken durch das Stadtgebiet in Kauf nehmen. Der Rechtsanspruch gilt aber für einen möglichst wohnortnahen Betreuungsplatz.
Der Bezirk Refrath weist wieder das größte Defizit auf
Der Bezirk Refrath, Kippekausen, Frankenforst und Lustheide weist im Vergleich zu den anderen Stadtteilen wieder das größte Defizit auf: In den 14 Kindertagesstätten fehlen 70 Plätze. Zählt man die mit den Einrichtungen vereinbarten Überbelegungen der Gruppen dazu, summiert sich der Mangel auf 90 Plätze.
Die zuständige Fachberatung des Jugendamtes sieht sich nach wie vor mit vielen Platzvermittlungsverfahren und einer damit einhergehenden „massiven Beschwerdewelle sowie einem erhöhtem Klageaufkommen konfrontiert.“ Dazu kommen Mehrkosten, weil die Stadt Zwangsgelder oder mögliche Ersatzleistungen wie für einen selbst beschafften Betreuungsplatz, etwa in einer anderen Kommune oder Formen der Betreuung im häuslichen Umfeld übernehmen müsse. Wie viele Klagen von Eltern aktuell anhängig sind, dazu konnte das Jugendamt kurzfristig am Freitag keine Angaben machen.
Im vergangenen Jahr hat das Verwaltungsgericht Köln die Stadt Bergisch Gladbach dazu verpflichtet, ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 Euro zu zahlen, weil sie dem zweijährigen Kind der Familie Fahlenbock keinen Kindergartenplatz zur Verfügung stellen konnte.
Das Zwangsgeld hätte sich monatsweise noch weiter erhöht, hätte die Familie nicht auf eigene Initiative und auf eigenen Kontakt einen Platz gefunden. Als Rechtsanwältin vertritt Sabrina Fahlenbock aktuell 20 Mandanten in Verfahren gegen die Stadt Bergisch Gladbach und den Rheinisch-Bergischen Kreis vor Gericht. „Das Thema ist brandaktuell“, sagt sie. Die Situation sei noch genauso schlimm wie in 2023.
Künftige Projekte
Auf dem Wachendorff-Gelände ist eine fünfgruppige Kita angedacht. Mit dem Investor CG Elementum gibt es aber immer noch keinen Städtebaulichen Vertrag.
Eine weitere Kindertagesstätte ist auf dem Gelände in Lückerath geplant, wo die Container-Unterkunft für Geflüchtete steht. Der Planungsausschuss hat den Neubau im Juni 2023 beschlossen. Um die Nutzungen Kita, Flüchtlingsunterkunft und Sportflächen planungsrechtlich zu ermöglichen, muss der Bebauungsplan geändert werden.
Auf dem Gelände der ehemaligen Weig-Fabrik auf dem Zanders-Areal soll außer einer Grundschule auch eine Kita mit 90 Plätzen errichtet werden. (ub)