Kopiertes ProgrammBürgerpartei GL übernahm Agenda anderer Wählergemeinschaft
- Eine Mitgliederversammlung der Bürgerpartei habe am 20. Oktober 2013 das Grundsatzprogramm einstimmig angenommen.
- Gründungsmitglieder der Bürgerpartei hätten recherchiert und seien auf das Grundsatzprogramm der BVK gestoßen.
- Die dort festgeschriebenen Werte und Grundüberzeugungen würden zu 100 Prozent denen der Mitglieder der Bürgerpartei GL entsprechen.
Bergisch Gladbach – Das Grundsatzprogramm einer Partei ist so etwas wie die Urzelle. Hier wird festgeschrieben, warum es die Partei überhaupt gibt. Die Bürgerpartei GL hat ihr Grundsatzprogramm komplett von einer Wählergemeinschaft vom Niederrhein abgeschrieben. Das Programm ist identisch – nur die Namen der Orte wurden ausgetauscht – mit dem Grundsatzprogramm des Vereins „Unabhängige Wählergemeinschaft Bürgervereinigung Kerken“ (BVK). Kerken ist eine Gemeinde mit rund 13 000 Einwohnern. Sie gehört zum Kreis Kleve im Regierungsbezirk Düsseldorf.
Mit diesem kopierten Grundsatzprogramm tritt die Bürgerpartei GL nicht nur 2020 zu Kommunalwahl an, sondern es war bereits 2014 das Grundsatzprogramm.
Sachlage eindeutig
Gegliedert ist das Kerkener Programm – und dann eben eins-zu-eins auch das der Bürgerpartei GL – in vier Abschnitte: Präambel, Grundsätze für die politische Arbeit, politischen Ziele und die politische Ausrichtung. Da heißt es unter dem Punkt „Grundsätze der politischen Arbeit“ etwa: „Ehrlichkeit gehört sowohl nach innen wie auch nach außen zum obersten Grundsatz der Bürgervereinigung Kerken.“
Auf Anfrage dieser Zeitung zeigte sich Patricia Gerlings-Hellmanns, die aktuelle Bürgermeisterkandidatin der Kerkener BVK, vollkommen erstaunt über die Übernahme des Parteiprogrammes: „Ich habe das erst gar nicht glauben können“, sagte sie. Aber die Sachlage sei mit Blick auf die Dokumente ja nun eindeutig.
Kreiswahlausschuss entscheidet
Gegen die Entscheidung des Wahlausschusses Bergisch Gladbach hat die Bürgerpartei GL Beschwerde eingelegt. Wie berichtet, hatte der Wahlausschuss den Kandidaten für das Bürgermeisteramt der Bürgerpartei GL einstimmig zurückgewiesen. Im Raum stehen zwei mögliche strafrechtlich relevante Vorwürfe: falsche eidesstattliche Versicherung sowie Missbrauch von Titeln. Die Stadt Bergisch Gladbach hat am Montag zur Beschwerde der Bürgerpartei ihre Stellungnahme beim Kreis abgegeben. Der Kreiswahlausschuss wird den Fall am 13. August endgültig entscheiden. (ub)
Frank Samirae, der Gründer und Vorstandsvorsitzende der Bürgerpartei GL, wurde von dieser Zeitung am vergangenen Freitag auf die Identität der Programme angesprochen. Er hat inzwischen eine Kanzlei mit der rechtlichen Vertretung seiner Interessen beauftragt.
Patricia Gerlings-Hellmanns: „Kurz nach dem Gespräch mit ihrer Zeitung rief ein mir vollkommen unbekannter Herr Samirae an und wollte eine Bestätigung dafür, dass er 2013 unser Wahlprogramm übernehmen durfte.“ Sie habe sich bei ihren Kollegen der Wählergemeinschaft informiert, von denen sich allerdings niemand erinnerte, 2013 aus Bergisch Gladbach diesbezüglich angesprochen worden zu sein. „Und ich bin mir sicher, dass so ein außergewöhnlicher Vorgang bei uns bekannt wäre.“
Nach Recherche auf Wahlprogramm gestoßen
In einem Schreiben der von Samirae beauftragten Kanzlei an unsere Zeitung wird die Identität der Grundsatzprogramme bestätigt. Eine Mitgliederversammlung der Bürgerpartei habe am 20. Oktober 2013 das Grundsatzprogramm einstimmig angenommen. Gründungsmitglieder der Bürgerpartei hätten recherchiert und seien auf das Grundsatzprogramm der BVK gestoßen.
Die dort festgeschriebenen Werte und Grundüberzeugungen würden zu 100 Prozent denen der Mitglieder der Bürgerpartei GL entsprechen. Die BVK sei 2013 darauf angesprochen worden, ob man das Grundsatzprogramm übernehmen könne. Diesem Wunsch sei entsprochen worden und man habe sich bestätigt gefühlt, in Kerken ein hervorragendes Grundsatzprogramm ausgearbeitet zu haben.
Nicht an Gespräch erinnern
Von all dem weiß Patricia Gerlings-Hellmanns nichts. Der BVK werde den gesamten Vorgang juristisch überprüfen, so die BVK-Bürgermeisterkandidatin. Der Landesverband der Freien Wählergemeinschaften sei informiert worden. Der BVK ist Mitglied in diesem Verbund von gleichgesinnten Wählergemeinschaften – die Bürgerpartei GL nicht.
Der Geschäftsführer des Landesverbandes Freie Wählergemeinschaften NRW, Hartmut Kaltenbach, konnte sich im Gespräch mit dieser Zeitung an keinen vergleichbaren Fall erinnern. „Klar tauschen wir untereinander Ideen aus – aber von einer Übernahme eines kompletten Grundsatzprogrammes höre ich zum ersten Mal.“
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