Neben LoriotWen ein Redenschreiber aus Bergisch Gladbach für einen guten Redner hält
Bergisch Gladbach – Erst auf dem Parkplatz fällt Jürgen Sterzenbach die passende Antwort ein. Die Rede des Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Stiegler, besser bekannt als Loriot, von 1972 sei seine Lieblingsrede, sagt er und lächelt. Jürgen Sterzenbach aus Bensberg weiß, wovon er sprich. Er ist professioneller Redenschreiber.
Sterzenbach sitzt auf der Terrasse des Naturfreundehauses Hardt, es ist ein verregneter Donnerstagmittag. „Das ist ein Teil meines Arbeitsplatzes“, sagt er und lässt seinen Blick schweifen. In dem Waldstück, unweit seines Wohnortes, findet der 57-Jährige Inspiration, wenn er an einer Rede arbeitet. Denn Bewegung und frische Luft seien gut für den Kopf.
Gladbacher betreibt eigene Agentur
Sterzenbach betreibt die Agentur „Sinndesign“. Darin erstellt er unter anderem Flyer, schreibt Werbetexte, verschiedene Konzepte und eben auch Reden. Zum Beispiel für Vorstände von Konzernen, für Institutsleiter oder für Vorsteher von Verbänden. Politische Reden schreibt Sterzenbach nicht. „Das ist schon etwas Besonderes: Ein berühmter Mann trägt Worte vor, die du formuliert hast und kriegt dafür Applaus“, sagt er über das Gefühl, wenn jemand eine von ihm verfasste Rede hält.
Jürgen Sterzenbach hat Germanistik, Theaterwissenschaften und Philosophie studiert und wusste damals nur, dass er kein Lehrer werden wollte. Um sein Studium zu finanzieren, hatte er gejobbt. Eine Zeit lang auch in einer Werbeagentur. So hat alles angefangen. Denn dort sei sein Chef mal auf ihn zu mit dem Auftrag, eine Rede zu schreiben. Und die kam offenbar so gut an, dass Sterzenbach das zum Anlass nahm, das journalistische Schreiben, das damals auch zu seinen Jobs gehörte, hinter sich zu lassen und sich später mit seiner Agentur selbstständig zu machen. Das ist jetzt ungefähr 30 Jahre her.
Gladbacher recherchiert aufwendig
Wie viele Reden Sterzenbach in seinem Berufsleben geschrieben hat, weiß er nicht mehr. Er schätzt die Anzahl auf eine dreistellige Zahl. Auch wie lange er für eine Rede brauche, sei unterschiedlich.
Am Anfang jedes Auftrags steht ein längeres Kundengespräch und die Recherche. Zum Auftraggeber, zum Redner, zu seinen Sprecheigenheiten. Mit dem Diktiergerät spaziert Jürgen Sterzenbach häufig durch den Hardt-Wald und spricht erste Fetzen seiner Rede ein, beachtet Aufbau, Einstieg, Dauer und Redesituation, bis das erste Manuskript fertig ist. Das bekommt der Auftraggeber dann noch zur Abnahme. Manchmal spricht Sterzenbach dem Kunden seine fertige Rede auf Band. „Früher bin ich für die Recherche häufig in Bibliotheken gewesen“, erinnert sich der Redenschreiber. Das ist durch das Internet inzwischen natürlich seltener geworden.
Eine Rede gleiche einem Musikvortrag
Momentan arbeitet er an einer Rede aus dem militärischen Bereich, sagt er, ohne dabei ins Detail zu gehen. Überhaupt bekomme er durch seine Tätigkeit Einblicke in Bereiche, die er ansonsten wohl nicht bekommen würde.
Das Halten der Rede an sich vergleich Jürgen Sterzenbach mit einem musikalischen Vortrag. Die Worte seien so etwas wie die Noten, aber auch auf den Vortrag komme es an. Auf Haltung, Sprachmelodie und Rhythmus. „Form und Inhalt gehören zusammen“, meint er. Auch Kleidung und Gestik gehören zu einer solchen „Inszenierung“.
Von Joachim Gauck gerührt
Es gehe darum, Spannung zu erzeugen und Neugierde zu wecken. Und am besten sei es, in eine Rede auch etwas Humor einzustreuen, wenn es der Anlasse zulässt. Im Laufe der Jahre habe er sich immer wieder fortgebildet, unter anderem in Rhetorik. Sogar Gesangsunterricht hat er genommen. „Denn eine Rede ist im Grunde genommen ein akustisches Ereignis.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Zuletzt von einer Rede gerührt gewesen sei er von Joachim Gauck, der Ende Mai auf dem Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße geredet hatte. Auch Michel Friedmann, Friedrich Merz und Christian Lindner seien gute Redner. Auch Ronald Reagans Tear-down-this-wall-Rede falle ihm ein, wenn er nach guten Reden gefragt werde. Aber seine Lieblingsrede, das sei eben die von Loriot.