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Erpressung und MisshandlungProzess am Bergisch Gladbacher Amtsgericht bringt wenig Antworten

Lesezeit 5 Minuten
Ein Richter hängt seine Robe am im an eine Garderobe für Richter und Schöffen.

Ein Richter hängt seine Robe am im an eine Garderobe für Richter und Schöffen. (Symbolbild)

Einige Zeugen waren unzuverlässig und in der Verhandlung kam ein großes Durcheinander auf.

Unwillkürlich fühlte man sich im Bensberger Amtsgericht an den Text des bekannten Liedes der kölschen Gruppe „Bläck Fööss“ erinnert: „Un dann stonn se en d'r Kaffeebud“. In dem Lied kommt es zu Streitereien, die jedoch auf Augenhöhe ablaufen und mit einer Versöhnung enden.

Anders bei dem Prozess vor dem Schöffengericht beim Amtsgericht Bensberg. Auch wenn die „Kaffebud“ in der Kölner Altstadt und der kölsche Tonfall der Zeugen die Assoziation auslöste, hier wurde den beiden Angeklagten räuberische Erpressung, Misshandlung, Körperverletzung und versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Und das gleich vorweg: Es war ein buntes Durcheinander von Zeugen und Angeklagten.

Zeugen erscheinen nicht vor Bensberger Gericht

Wir starten: Beim ersten Verhandlungstag erschien der wichtigste Zeuge Harald L. (alle Namen von Zeugen und Angeklagten sind geändert) gar nicht. Die vorsitzende Richterin Britta Epbinder stellte fest, dass der Zeuge ordnungsgemäß geladen war, und verhängte ein Ordnungsgeld von 150 Euro. Beim nächsten Mal, so drohte sie, gäbe es eine Ordnungshaft von drei Tagen.

Beim zweiten Verhandlungstag erschien der Hauptangeklagte Emilio W. nicht. Er hatte jedoch eine glaubhafte Entschuldigung: Die Angestellten der KVB und anderer Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs streikten. Die Richterin telefonierte mit dem Angeklagten, der ihr versicherte, dass er weiterhin versuchen werde, zu kommen.

Bergisch Gladbacher will sich ins Ausland absetzen

Eineinhalb Stunden später traf er im Gerichtssaal ein, und der Prozess konnte fortgeführt werden. Bei der Anhörung der Zeugen entfaltete sich langsam das Geschehen. Der zweite Angeklagte, Vlado A., suchte den Zeugen Harald L. auf dessen Grundstück auf und forderte den Reisepass und Laptop des gesondert verfolgten Hannes B., damit dieser ins Ausland reisen konnte.

Bei einer weiteren Zeugenaussage wurde klar, warum: Hannes B. wollte sich ins Ausland absetzen, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Im Laufe des „Gesprächs“ verpasste Vlado A. dem Zeugen eine kräftige Backpfeife und verschwand dann mit seinem Schmiere stehenden Komplizen.

In den folgenden Tagen kam dann Emilio W. ins Spiel. „Der hat mich angerufen, um mit mir über Immobiliengeschäfte zu sprechen“, sagte Harald L. Sie vereinbarten, sich in der Altstadt bei einem Brauhaus zu treffen. „Dort hat er mich gefragt: „Willst Du, dass Hannes ins Gefängnis kommt? Ich habe ihm geantwortet: Ja“ berichtete der Zeuge weiter. Danach gingen beide nacheinander in das Stehcafé.

Bergisch Gladbacher sollte aus seiner Wohnung ausziehen

Harald L. traf zuerst ein und sah dort Vlado A. Kurze Zeit später kam Emilio W. herein, drückte dem zweiten Angeklagten ein Telefon in die Hand, und dieser sagte dann zu Harald L.: „Du ziehst in drei Tagen aus Deiner Wohnung aus oder wir machen Dich platt.“ Von einer Geldforderung war im Gegensatz zu den polizeilichen Aufzeichnungen nun nicht mehr die Rede. Allerdings habe ihn Vlado A. in eine Ecke geschubst. Der Zeuge vermutete, dass er ausziehen sollte, weil Hannes B. dann eine Prämie bekommen hätte, die er dringend brauchte.

Während der Aussage des Zeugen versuchte Emilio W. immer wieder einzugreifen. Doch sein Verteidiger Mario Dujmovic hatte mit ihm vereinbart, sich schweigend zu verteidigen, und ging immer wieder mit scharfen Worten dazwischen: „Sie sind jetzt still.“ Auch die Richterin warnte ihn wiederholt, endlich ruhig zu sein, was ihm schwerfiel.

Verteidiger unterstellt Zeugen, zu „lügen wie gedruckt“

Rechtsanwalt Udo Klemt, der Verteidiger des zweiten Angeklagten, meinte schließlich zu dem Zeugen: „Stimmen Sie mir zu, wenn ich Ihnen sage, Sie lügen wie gedruckt?“ Er las ihm die eigenen Aussagen bei anderen Vernehmungen vor, die tatsächlich erheblich von dem nun beschriebenen Tatgeschehen abwichen.

Als der Zeuge Peter B. – der Aufpasser in der Kaffebud – in den Zeugenstand kam, zog das eingangs erwähnte Kölner Kolorit endgültig in den Gerichtssaal ein. Nach dem Telefon gefragt, meinte er, dass er das nicht wahrgenommen habe. „Haben Sie denn gesehen, wie der Angeklagte Vlado A. den Zeugen geschubst oder bedrängt hat? “, fragte die Richterin. Im breiten Kölsch antwortete er: „Isch saß drusse un irgendwo höht d'r Blickwinkel noh benne do op. “ Er entschuldigte sich, dass er nun mal Kölsch am besten sprechen könne, doch die Richterin beruhigte ihn: „Wir sind hier multilingual aufgestellt“.

Angeklagter hat hohe Vorstrafen

Besonders die ständigen Sticheleien und leisen Einwürfe des ersten Angeklagten, der ja eigentlich schweigen wollte, regten den Zeugen auf, bis er schließlich meinte: „Jetz es Schluss, jetz jon isch. “ Richterin Britta Epbinder konnte ihn dann doch noch überzeugen, zu bleiben, bis die Befragung abgeschlossen war. Ihm war zumindest wichtig zu erwähnen, dass Emilio W. nun Hausverbot habe, der aus seiner Sicht ruhige und sympathische Vlado A. jedoch nicht, auch wenn das für die eigentliche Verhandlung Nichts erhellte.

Nach einem Rechtsgespräch im Beratungszimmer mit den Beteiligten Juristen und Schöffen stellte das Gericht das Verfahren gegen Vlado A. gemäß Paragraf 154a der Strafprozessordnung vorläufig ein. Die Strafzumessung bei versuchter Nötigung und einfacher Körperverletzung sei unerheblich im Vergleich zu den Strafen, die der Angeklagte aus vorherigen Verfahren zu tragen habe. „Versuchen Sie, sich im weiteren Leben so positiv darzustellen, wie Sie es hier gemacht haben“, empfahl ihm die Staatsanwältin.

Dann stellte sie den Antrag, Emilio W. freizusprechen. Das Gericht zog sich kurz zur Beratung zurück und verkündete dann das Urteil im Namen des Volkes: Der Angeklagte Emilio W. ist freizusprechen. Die Begründung: Im Prozessverlauf konnte ihm die zur Last gelegte Handlung selbst durch die Aussagen des Geschädigten nicht nachgewiesen werden. Richterin Epbinder empfahl: „Versuchen Sie in Ihrem Alter von 69 Jahren, ab jetzt die Kontakte zu meiden, die Sie immer wieder in solche Situationen führen! “