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ImmobilienNeue Streitfälle wegen massiver Neubauten in Bergisch Gladbach landen vor Gericht

Lesezeit 5 Minuten
Umstritten bei den Anwohnern der Straße „Duckmaus“ in Bensberg: Ein Fünfparteienhaus soll einen viel kleineres Einfamilienhaus ersetzen.

Umstritten bei den Anwohnern der Straße „Duckmaus“ in Bensberg: Ein Fünfparteienhaus soll einen viel kleineres Einfamilienhaus ersetzen.

Die Baukonflikte in Bergisch Gladbach häufen sich. Anwohner kritisieren Regelosigkeit und fordern ein Umsteuern der Stadtverwaltung.  

In Bergisch Gladbach Stadt häufen sich die Baukonflikte in Wohnvierteln. Alte Einfamilienhäuser werden abgerissen, um Doppelhäusern oder Mehrfamilienhäusern mit Etagenwohnungen Platz zu machen. Ein solcher Fall in der kleinen Straße Duckmaus in Bensberg erhitzt gerade wieder die Gemüter und sorgt für Unfrieden.

„Sie müssen sich das mal vor Ort ansehen: Der geplante Bau ist völlig überdimensioniert und damit rücksichtslos“, kritisiert der Petent in der Sitzung des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden. Seine Ehefrau fügt hinzu: „Der Wohn- und Sozialcharakter unserer Straße wird grundlegend zerstört.“ Gespräche mit dem Bauherrn, sein Bauvorhaben zu reduzieren, seien erfolglos geblieben.  

Der Bungalow, der dort bereit zum Abbruch steht, soll durch zwei Fünfparteienhäuser mit zehn Wohnungen plus Tiefgarage ersetzt werden. Das überschreite die Maße der Nachbarhäuser bei Weitem. Die Bautiefe des Gebäudes von 18 Metern sei auch in den nebenan liegenden Straßen ohne Vorbild, kritisiert das Ehepaar und spricht dabei auch für ihre Nachbarn.

Stadt genehmigt das Bauvorhaben

Trotzdem hat das städtische Bauamt die Bauvoranfrage des Investors positiv beschieden. Dagegen klagt der Petent nun vor dem Verwaltungsgericht. Die gerichtliche Entscheidung steht noch aus. Das Ziel der Anwohner, in der Ausschusssitzung die Politik auf ihre Seite zu ziehen und so die Verwaltung zum Umdenken bei ihrer Strategie der Nachverdichtung zu bewegen, klappt nicht. „Der Ausschuss ist kein Austragungsort für Nachbarkeitsstreitigkeiten“, betont Ute Stauer (SPD). Walter Paduch (Grüne) bedauert: „Das ist ein baurechtlicher Konflikt, den wir nicht auflösen können.“

Die „Duckmaus“, ein parallel zur Buddestraße verlaufendes Sträßchen mit acht Einfamilienhäusern, größtenteils aus den 50er Jahren, ist kein Einzelfall. In vielen Vierteln ist die Entwicklung rasant. Alle Neubauten haben eins gemeinsam. Die Bauherren schöpfen jeden Zentimeter aus. Gebaut wird in die Höhe und bis an die Kante der Grundstücksgrenze heran.

In dem sehr ruhigen Sträßchen Am Gänschenwald in Katterbach wehren sich Anwohner mit einer Klage gegen den Bau eines Doppelhauses.

In dem ruhigen Sträßchen Am Gänschenwald in Katterbach wehren sich Anwohner mit einer Klage gegen den Bau eines Doppelhauses.

Dies sorgt für Protest und Unverständnis bei betroffenen Nachbarn. Der Widerstand von Nachbarschaften gegen genehmigte Bauvorhaben ist inzwischen auf einen Spitzenplatz in der aktuellen Statistik der städtischen Abteilung Beschwerdemanagement Statistik und wird zudem als typisches Beispiel für „die Tendenz zu unsachlicher Eskalation gegenüber der Verwaltung“ aufgeführt.

Da, wo es keinen Bebauungsplan gibt, gilt der Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Demnach darf gebaut werden, was sich „in die Eigenart und der näheren Umgebung einfügt“ sowie das Ortsbild nicht beeinträchtigt – was viel Interpretationsspielraum offen lässt. „Die Anzahl der Wohneinheiten ist dabei ohne weitere Bedeutung, auch wenn die Nachbarn solche Neubauten als „störenden Fremdkörper“ empfinden“, hält Ragnar Migenda, Erster Beigeordneter, im Ausschuss eine Grundsatzrede.

Außer Höhe und Ausdehnung des Gebäudes dürfe nichts geprüft werden, auch nicht klimarelevante Aspekte wie die Versickerung von Regenwasser, Abfluss von Schmutzwasser oder die verkehrliche Situation. Migendas Rat an die Petenten: „Suchen sie gemeinsam mit dem Bauherrn noch einmal nach einer Lösung“.  

Diese verdichtete Stadt folgt dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“, der im Baugesetzbuch festgelegt ist und das räumliche Wachstum der Städte begrenzt. Das Ziel, außerhalb der innerstädtischen Stadtgrenze möglichst nicht zu bauen, sorgt für mehr Versiegelung und weniger Lebensqualität, weil unter dem Baudruck aufgrund fehlender Wohnungen die Versiegelung steigt und privates Grün aus dem Stadtbild verschwindet. Dabei kommt ein Gedanke zu kurz: Die Menschen wollen nicht unter der verdichteten Stadt leiden und  grau in grau, Haus an Haus leben müssen.

In einem weiteren Streitfall klagen Anwohner ebenfalls

In einem weiteren Streitfall, der ruhigen Sackgasse Am Gänschenwald in Katterbach mit freistehenden eingeschossigen Einfamilienhäusern und Bungalows, könnte es genauso kommen. Hier soll ebenfalls ein Bungalow einem Doppelhaus Platz machen. „Das ist ein Riesenklotz“, sagt Debuschewitz. Er hat ausgerechnet, dass dort die überbauten Flächen der Umgebung um 200 Prozent überschritten würden.

Mit einer Firsthöhe von 7,50 Meter überrage das Gebäude die Bestandsgebäude um zwei Meter. Der Plan sei schlicht monströs, füge sich in keinster Weise in die Umgebung ein und verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Sonne bekäme Debuschewitz dann nicht mehr zu Gesicht. „Die Nachbarn könnten mir durch das Küchenfenster bis nach hinten ins Wohnzimmer reingucken.“

Beim Verwaltungsgericht Köln klagt Debuschewitz gegen die Stadt Bergisch Gladbach. Wie bei dem Fall in der Blauen Siedlung (siehe Infokasten) habe Migenda die Baugenehmigung erteilt – trotz vorheriger gegenteiliger Beurteilung seiner Fachleute. Zudem gebe der „Klotz“ ein massives Vorbild ab, das beim nächsten Bauantrag als Bezugsgröße herangezogen werden könne: „Irgendwann haben wir dann Hochhäuser hier stehen.“


Streitfall Blaue Siedlung

Geklärt ist jetzt, dass in der Blauen Siedlung in Schildgen baurechtlich Paragraf 34 gilt. Auf Forderung der Politik hat sich die Stadtverwaltung auf die Suche nach dem verschollenen Bebauungsplan gemacht. Bei der Recherche kam heraus, dass der B-Plan nach der kommunalen Neugliederung 1975, als Schildgen von der Gemeinde Odenthal auf die Stadt Bergisch Gladbach überging, zwar seine Gültigkeit behielt, aber 1988 nach Beschluss des Stadtrates aufgehoben wurde.

Eine Straße ist zu sehen, an der Einfamilienhäuser stehen.

Das beschauliche Viertel „Blaue Siedlung “wird bisher von Einfamilienhäusern geprägt.

In der Sitzung des Planungsausschusses machte die CDU den Vorschlag, einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Dies machte aber aus Sicht der Verwaltung keinen Sinn, weil die zu bearbeitende Liste der Bauanträge so lang sei, dass es vermutlich Jahrzehnte dauern würde, bis das Projekt bearbeitet werden könne. Daraufhin zog die CDU ihren Antrag zurück.

Derweil wartet das kleine Einfamilienhaus an der Waldstraße auf den Abriss. Die Bäume im Garten sind schon gefällt. Wie berichtet, wollen die neuen Eigentümer dort einen Mehrfamilienblock hinsetzen. Nachbarn wehren sich mit einer Petition und einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Zu massiv und zu groß sei der Neubau.

Auch hier gibt es die Befürchtung, dass der geplante Neubau für weitere Projekte als Bezugsgröße herangezogen werde. „Zudem sei die Infrastruktur mit Kindergärten und Schulen einem Zuzug im großen Stil nicht gewachsen“, meint Anwohner Klaus Sümmermann. Er hätte von der Verwaltung zudem erwartet, dass sie prüft, ob durch die Versiegelung das bereits bestehende Überflutungsrisiko steige. „Es ist traurig“, sagt Sümmermann, „dass die begründeten Bedenken der 100 Unterzeichner der Petition einfach vom Tisch gewischt werden.“