Bergisch Gladbach – „Scheinbar finden junge Menschen das Handwerk nicht so attraktiv“, sagt Marcus Otto, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land. Dabei trugen Handwerker in den vergangenen Monaten einen erheblichen Teil dazu bei, das System während der Corona-Krise am Laufen zu halten.
Mit dem Tag des Handwerks, der heute sein zehnjähriges Jubiläum feiert, sollen unter dem Motto „Wir wissen, was wir tun“, all diejenigen geehrt werden, die dieser Berufsgruppe angehören. Im Rheinisch-Bergischen Kreis sind das immerhin rund 50 000 Menschen.
Um auf die Systemrelevanz der Handwerksbranche aufmerksam zu machen, finden regelmäßig Aktionen statt. Straßenfeste, Ausbildungsmessen und Schnuppertage fallen 2020 jedoch aus – stattdessen hat der Deutsche Handwerkskammertag (DHKT) e.V. zu einem Videoprojekt aufgerufen. Ob Bäcker, Schuster, Maurer oder Klempner: Alle konnten sich bei der Arbeit filmen und ihr Video einsenden. Viele kurze Clips, die Einblicke aus einem 24-Stunden-Tag im Handwerk zeigen, sind ab heute auf der Website zu sehen.
Spuren der Pandemie
Neben dem Wegfall der Aktionstage hat die Corona-Krise die hiesige Handwerksbranche auch wirtschaftlich nicht verschont. Insbesondere Berufe, die viel Kundenkontakt erfordern, bekommen die Auswirkungen der Pandemie zu spüren: „Die Friseure mussten sechs Wochen ihre Salons schließen, die Bäcker und Fleischer konnten ihrem Cateringgeschäft nicht nachgehen und die Veranstaltungsbranche sowie Messebauer haben immense Einbußen“, bedauert Marcus Otto.
Gleichzeitig habe es auch Betriebe gegeben, die von der Krise profitieren konnten. „Ich denke hier an einen Tischler, der die Vorrichtungen für Plexiglas-Schutzwände fertigt“, so Otto. Besonders denjenigen, die im Hygiene-Bereich aktiv werden konnten, sei es möglich gewesen, sich die Krise zunutze zu machen. Auch das lokale Bauhaupt- und Baunebengewerbe habe die Auslastung „nach einer kurzen Talsohle“ wieder auf bis zu 100 Prozent steigern können.
Mehr Azubis
Was Neuzuwachs im neuen Ausbildungsjahr betrifft, gebe es auf dem Gebiet der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land zwar keine großen Einbrüche; es schwanke jedoch regional. „Gewerke, die stark von der Pandemie betroffen sind und waren, haben auch Schwierigkeiten in der Nachwuchsrekrutierung“, so Otto. Das betreffe insbesondere die Friseur-Branche sowie das Nahrungsmittelhandwerk.
Deutlich mehr Auszubildende verzeichne man bei den Fliesenlegern. Das sei allerdings auf die Wiedereinführung der Meisterpflicht Ende 2019 zurückzuführen. Attraktive Handwerksberufe sind aus Ottos Sicht jene mit Zukunftschancen. „Wenn ich an die Energiewende denke – beispielsweise Sanitär und Elektro.“ Das Problem beim Nachwuchs: Jüngere Generationen seien nur schwer für Handarbeitsberufe zu begeistern. Viele hätten „ein falsches Bild abgespeichert“ oder wüssten schlicht überhaupt nicht, welche innovativen Technologien sie in vielen Handwerksberufen erwarten.
Das Handwerk in Zahlen
Die Kreishandwerkerschaft Bergisches Land vertritt als Verband die Gesamtinteressen des selbstständigen Handwerks in der Region. Insgesamt zählt sie 8445 Handwerks- und handwerksähnliche Betriebe mit rund 50 000 Mitarbeitern. Mit einem Jahresumsatz von etwa fünf Milliarden Euro tragen Handwerksbetriebe einen großen Teil zur Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsleistung bei. Derzeit werden mehr als 3500 Auszubildende in 1563 lokalen Betrieben ausgebildet. (abk)
Für alle, die dennoch zum Studium streben, gebe es die Möglichkeit einer dualen Ausbildung, so Otto, denn „das Handwerk braucht junge Menschen, die die Zukunft gestalten.“ Bis Ende des Jahres laufe die Nachvermittlung vieler Ausbildungsplätze. „Mehr Respekt für die Handwerksberufe“ wünscht sich Otto. So werde sich die Wahrnehmung auch langfristig in der Öffentlichkeit ändern.
handwerk.de/tdh2020