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Nach HiobsbotschaftTrauer unter dem letzten Schlot über Bergisch Gladbach

Lesezeit 3 Minuten
Der Schornstein des Isover-Werks in Bergisch Gladbach raucht vor dem Sonnenuntergangshimmel vor sich hin.

Wie es mit dem Standort Isover weitergeht, dessen 120 Meter hoher Schornstein so etwas wie ein heimliches Wahrzeichen von Bergisch Gladbach ist, kann aktuell noch kaum jemand abschätzen.

So reagiert Bergisch Gladbach, nachdem der Dämmstoffhersteller Isover den Abbau von 160 Arbeitsplätzen angekündigt hat.

Gedrückt ist die Stimmung am Morgen nach der Hiobsbotschaft aus der Isover-Zentrale. Mit gesenktem Blick steuern Mitarbeiter zu Schichtbeginn das Werkstor an der Jakobstraße an. Darüber sprechen, was nun wird, möchte keiner der Befragten.

„Wir wissen ja selbst noch nicht, was aus uns wird“, sagt ein Mann kurz. Am Vortag waren er und seine Kollegen über die Pläne von Isover informiert worden, die große Schmelzwanne, in der Glaswolle hergestellt wird, nicht zu modernisieren, sondern stillzulegen – nach mehr als 90 Jahren der in Bergisch Gladbach erfundenen industriellen Herstellung von Glaswolle als Dämmstoff.

Die angekündigte Einstellung der Glaswolleproduktion und der damit verbundene Wegfall von wahrscheinlich 160 qualifizierten Industriearbeitsplätzen sind eine schlechte Nachricht für Bergisch Gladbach
Frank Stein (SPD), Bürgermeister von Bergisch Gladbach

Auch Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein hatte erst am Donnerstag von der geplanten Stellenstreichung im Isover-Werk an der Jakobstraße in Sichtweite der Stadtmitte erfahren, wie er auf Anfrage sagt: „Die angekündigte Einstellung der Glaswolleproduktion und der damit verbundene Wegfall von wahrscheinlich 160 qualifizierten Industriearbeitsplätzen sind eine schlechte Nachricht für Bergisch Gladbach“, so Stein.

„Aus eigener Anschauung weiß ich, auf welch hohem Niveau dort gearbeitet und produziert wird.“ Deshalb, so der Sozialdemokrat Stein, bedaure er „diese unternehmerische Entscheidung, deren betriebswirtschaftliche Begründung ich nicht bewerten kann, außerordentlich“.

Der zuständige Bezirk der „Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie“ (IGBCE) war trotz mehrfacher Anfragen auch über die Bundesstelle der Gewerkschaft am Freitag nicht für eine Stellungnahme zur aktuellen Entwicklung in Bergisch Gladbach zu erreichen.

Für uns ist die Entscheidung von Isover nicht ganz überraschend gekommen.
Volker Suermann, Geschäftsführer der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (RBW)

„Für uns ist die Entscheidung von Isover nicht ganz überraschend gekommen“, sagt Volker Suermann, Geschäftsführer der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (RBW). Die hohen Energiekosten seien in den vergangenen Jahren angesichts des enormen Energiebedarfs beim Glasschmelzen für das Werk eine große Herausforderung gewesen, so Suermann.

Dass diese Entwicklung nun in der Verlagerung eines Großteils der Produktion ins Isover-Werk nach Speyer münde, nennt Suermann „sehr bedauerlich, auch für den Wirtschaftsstandort Bergisch Gladbach“. Umso mehr hoffe er auf eine neue Perspektive für das Werk, so der RBW-Geschäftsführer und sichert dafür die Unterstützung der Wirtschaftsförderung zu.

Stadt und Wirtschaftsförderung wollen helfen, um verbleibende Jobs zu halten

Das steht auch für Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein fest: „Selbstverständlich werden wir mit unseren Möglichkeiten das Unternehmen dabei unterstützen, die verbliebene Produktion nachhaltig zu sichern“, versichert der Erste Bürger der Kreisstadt.

Auf einem Luftbild von Bergisch Gladbach sind zu sehen: S-Bahnhof, Rhein-Berg-Galerie, Rhein-Berg-Passage, G+H Isover, Eisenbahn, Kopfbahnhof, Stadthaus und Driescher Kreisel.

So nah wie nach Zanders kein anderer Industriebetrieb mehr liegt das Isover-Werk (o.r.) an der Stadtmitte. Unten links: die Rhein-Berg-Galerie.

Andere sind da am Tag nach der Teilschließungsnachricht verhaltener. „Gucken Sie sich das doch mal an, das ist doch eine schwierige Lage hier“, sagt eine Passantin an der Jakobstraße und deutet auf das Isover-Werk. „Und wenn dann so viel von der verbliebenen Produktion in ein anderes Werk verlagert wird . . .“ Die Passantin dreht sich um: „Da kann man nur hoffen, dass es hier weitergeht.“

Bergisch Gladbacher Werk hat eine fast 100-jährige Geschichte

Die in den fast 100 Jahren um das Glaswolle-Werk gewachsene Nachbarschaft von Gewerbebetrieben, aber auch Wohnbebauung, hatten die Verantwortlichen im Isover-Werk immer wieder gezielt in den Blick genommen, die Nachbarschaft zu Betriebsbesichtigungen und zum Austausch ins Werk eingeladen.

Nach Informationen dieser Zeitung liefen am Freitag bereits die Gespräche am Standort Bergisch Gladbach an, um zu sehen, welche Alternativen es für die vom Stellenabbau im Bergisch Gladbacher Werk Betroffenen innerhalb der Isover-Gruppe beziehungsweise dem französischen Konzern Saint-Gobain geben könne. Als weltweit tätiges Unternehmen mit 161.000 Mitarbeitenden in 80 Ländern und einem Umsatz im vergangenen Jahr von 46,6 Milliarden Euro entwickelt Saint-Gobain Materialien und Dienstleistungen für den Bausektor und für die Industriemärkte.

Alle Auszubildenden im Werk sollen ihre Lehre im Unternehmen fortsetzen können

Sämtliche Auszubildende im Werk Bergisch Gladbach sollen in jedem Fall ihre Ausbildung „im Unternehmen fortsetzen und abschließen können“, versichert Isover-Sprecher Michel Wenger. An welchem Ort, ließ er zunächst offen.

Am Tag nach der Hiobsbotschaft zur Einstellung der Glaswolleproduktion im Werk Bergisch Gladbach ist vieles noch offen, stehen die Gespräche noch am Anfang und ist der Durchblick durch mögliche Konsequenzen noch gering. Groß ist allein die Sorge vieler Mitarbeitenden, wie es ab dem Sommer weitergeht.