Keine JagdgenehmigungWildschweine verwüsten Gräber auf Gronauer Friedhof
Bergisch Gladbach – Gräber umgegraben, Rasen aufgewühlt: Wildschweinen ist nichts heilig. Auf der Suche nach Nahrung wüten die nachtaktiven Tiere gerade schlimm auf dem Friedhof in Gronau. An etwa 70 Gräbern haben sie sich schon zu schaffen gemacht. Für Regina Hömberg, die ihren Mann erst vor kurzem beerdigt hat, ist der Anblick ein Schock. Das städtische Friedhofsamt und die katholische Kirchengemeinde St. Laurentius kämpfen gegen die Plage an.
Eindeutige Hufspuren, tief eingedrückt in die weiche dunkle Erde. Regina Hömberg will nicht glauben, was sie da sieht, als sie vor dem Grab ihres Mannes steht. Sie zeigt mit Entsetzen auf das nebenan liegende Familiengrab: Es gibt ein Bild der Zerstörung ab.
Lebensraum aus dem Gierather Wald ausgedehnt
Hier haben die borstigen Allesfresser so tief gebuddelt, dass der Sockel des Grabsteins freigelegt ist. Der Boden des Grabs und der Blumenschmuck ist umgepflügt, als wäre ein Traktor darüber gefahren. Zerschellte rote Grablichter liegen kreuz und quer herum. Als trauernde Angehörige ist sie fassungslos: „Hier findet mein Mann seine letzte Ruhe.“
Keine Nachtsichttechnik möglich
Im Wohngebiet am Strunder Bach in Gronau eskaliert die Situation weiter. „Jede zweite Nacht werde ich um vier aus dem Schlaf gerissen“, berichtet Claudia Wildner. Ihr Garten sei fast komplett zerstört. Sie wolle keinen Schadenersatz, sondern eine Fachberatung, was für eine Art Elektrozaun etwa effektiv sei. Die Untere Jagdbehörde empfiehlt den Kontakt zu Jägern und Landwirten und stellt klar, dass Jagen mit mit Nachtsichttechnik aus Sicherheitsgründen ausscheide. (ub)
Der Friedhof – aufgeteilt in einen städtischen und einen kirchlichen Teil – grenzt direkt an den Gierather Wald. Von dort dehnen die Tiere ihren Lebensraum aus, fallen über die Gräber her und wühlen nach Engerlingen. Die Stadt hat alle betroffenen Grabrechtsinhaber angeschrieben – mit dem Hinweis, dass die Tiere nicht in die Tiefe graben.
Elektrozäune angebracht, Tore verschlossen
„Um ihnen die Sorge zu nehmen, dass Urnen und Särge an die Oberfläche gelangen“, sagt Friedhofsmeisterin Yvonne Paetzold bei einem Rundgang. Höchstens 30 Zentimeter tief durchwühlten Wildschweine den Boden. Regelrecht plattgewalzt sind bereits abgelaufene Reihengräber sowie pflegefreie Grabstätten, die meist aus Rasen bestehen.
Seit Wildschweine im Dezember zum ersten Mal Gräber beschädigt haben, hat die Stadt mehrere Schutzmaßnahmen getroffen, um ihren Teil des Geländes zu schützen: Ein 240 Meter langer Elektro-Wildschutzzaun im nördlichen Bereich sowie hin zum Rodenbach wurde errichtet, Löcher im vorhandenen Metallzaun wurden geflickt, alle fünf Tore mit automatischen Türschließern ausgestattet sowie Schilder angebracht, mit der Bitte, diese immer zu schließen.
Keine Sondergenehmigung zur Jagd auf dem Friedhof
Letzteres nicht immer mit Erfolg. „Vor allem das Tor zum Wald hin wird immer wieder aufgebrochen“, ärgert sich sagt Paetzold. Sie bittet Besucher und Spaziergänger um Mithilfe, darauf zu achten, dass die Türen zu sind.
Zwei Mal, Anfang Dezember und Anfang Januar, hat die Stadt Sondergenehmigungen beantragt, damit auf dem Friedhof gejagt werden darf. „Doch dies wurde aus Sicherheitsgründen von der Unteren Jagdbehörde des Kreises abgelehnt“, berichtet Sabine Tacke, Sachgebietsleiterin für die städtischen Friedhöfe.
„Die Verwendung von Schusswaffen im dicht besiedelten Bereich ist zu riskant“, lautet die Begründung der Unteren Jagdbehörde auf Anfrage dieser Zeitung. „Geschosse fliegen bis zu fünf Kilometer weit“, heißt es, „insbesondere Querschläger stellen eine Gefahrenquelle dar.“ Die zuständigen Jäger würden aber über die Sichtung von Schwarzwild in Kenntnis gesetzt, um ihm an Stellen, die geeignet sind, nachzustellen.
Noch so massive Schäden wie in diesem Jahr
„Wir tun alles, damit das bald ein Ende hat“, versichert Norbert Kemper, Vorsitzender des Friedhofsausschusses von St. Laurentius, „aber von heute auf morgen können wir den Zaun nicht erneuern.“ Derzeit würden Angebote eingeholt. Denn der alte Zaun ist nicht stabil genug und nicht im Boden versenkt. Mehrere Schlupflöcher zum Wald hin sind zu erkennen – leichtes Spiel für die als überaus clever geltenden Paarhufer.
Kemper bedauert ausdrücklich den Schaden, der Grabinhabern entstanden ist. Die Kirchengemeinde habe die Friedhofsgärtner angewiesen, die ruinierten Gräber wenigstens so herzustellen, dass man sie wieder erkennen könne. So massiv wie in diesem Jahr sei so etwas noch nie vorgekommen: „Jetzt hat das Ganze Dimensionen angenommen, die nicht mehr tragbar sind“, sagt Kemper.
Bauzäune als provisorische Regelung
Als provisorische Sofortmaßnahme ist der bisher offene Eingang des katholischen Geländes am Refrather Weg mit Bauzäunen abgeriegelt worden: „Aber man glaubt es nicht. Die Leute versetzen die Zäune einfach, um den kürzesten Weg nehmen zu können.“ Kemper könne nicht stündlich daran vorbeigehen, um zu kontrollieren, ob alles zu sei. Auch Friedhofsgärtner und Bestatter hielten sich nicht immer daran, die Tore zu schließen.
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