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Wahl in Rhein-BergCDU muss herbe Verluste hinnehmen – Jubel bei der FDP

Lesezeit 4 Minuten

Ein Handschlag für die Fotografen: Der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Hermann-Josef Tebroke (rechts), mit seinem Vorgänger Wolfgang Bosbach.

Rhein-Berg – Der Ausgang der Bundestagswahl sorgte gestern im Kreishaus für strahlendes Lächeln, hängende Köpfe und ratlose Gesichter. Und nach dem Blick auf das eigene Ergebnis war die entscheidende Frage: Welche Auswirkungen wird dieses Wahlergebnis haben?

Aber der Reihe nach. Also die strahlenden Gesichter. Exakt um 19.49 Uhr betrat Dr. Hermann-Josef Tebroke den Saal. Applaus, Jubel und ein Noch-Landrat, der mit seiner Familie die Glückwünsche entgegen nahm. Es gab ein kurzes Händedrücken mit Nikolaus Kleine, dem SPD-Gegenkandidaten und kurz darauf eine kurze Ansprache: Der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete des Rheinischen Bergischen Kreises bedankte sich. Bei den Wählern, bei den Helfern, bei der Familie. Aber dann sagte er auch: „Als Mitglied der CDU kann ich heute Abend nicht froh sein.“ 40 Prozent der Erststimmen hat Tebroke für sich gewonnen und die CDU 35 Prozent der Zweitstimmen. Bundesweit hat die CDU 33 Prozent der Zweitstimmen gewonnen. 2013 hatte die CDU fast 44 Prozent der Stimmen und Wolfgang Bosbach konnte gar 58 Prozent der Stimmen einfahren. Also: Tebroke hat die Wahl gewonnen – aber seine Partei hat erhebliche Verluste zu verkraften.

Lindner kommt in Bergisch Gladbach auf 15,7 Prozent

Ein Trend, der sich auf Bundesebene bereits nach den ersten Hochrechnungen abzeichnete. Denn da war klar, dass CDU/CSU und SPD erhebliche Stimmenanteile verlieren würden. Und es war klar, dass die FDP massiv dazugewinnt. Die FDP-Mitglieder jubelten lautstark, als die Hochrechnung präsentiert wurde. Die Liberalen kehren unter der Führung von Christian Lindner zurück in den Bundestag. Lindner, der als Direkt-Kandidat in Rhein-Berg auf 15,7 Prozent der Stimmen kam, jubelte in Berlin. Auf Anfrage sagte er: „Das Ergebnis freut mich sehr. So stark bei Erst- und Zweitstimmen ist ein klarer Auftrag, nach vier Jahren Reisen in Deutschland wieder öfter in der Heimat zu sein. Darauf freue ich mich.“

Alles zum Thema Wolfgang Bosbach

Bei den Grünen war es Maik Außendorf, der strahlen konnte. Zwar hätte er sich noch ein paar Erststimmen mehr gewünscht, aber ein Wahlkampf gegen Bundesprominenz wie Christian Lindner sei eben schwierig. 9,0 Prozent wählten die Grünen. Für eine Jamaika-Koalition in Berlin sah Außendorf gestern Abend eine gute Ausgangslage: Auch FDP und Grüne hätten etwa bei den Bürgerrechten einige Gemeinsamkeiten. Die skurrilste Szene gab es allerdings an einem kleinen Stehtisch ganz hinten rechts im großen Sitzungssaal des Kreishauses. Da stand Dr. Roland Hartwig mutterseelenallein und beobachtete die auf dem Fernseher angezeigten Wahlergebnisse.

Hartwig ist AfD-Direktkandidat und auf Platz 14 der NRW-Liste. Er erreichte 7,2 der Erststimmen, seine Partei 8,0 Prozent. Erreiche die AfD zehn Prozent der Stimmen in Nordrhein-Westfalen, wäre er Bundestagsabgeordneter, hatte sich Hartwig ausgerechnet. Sicher war das bis zum Redaktionsschluss noch nicht. Da lag die AfD bei 9,9 Prozent der Stimmen – also ganz knapp. Für ihn trotzdem ein Grund zur Freude. „Egal was die Leute hier im Saal über uns schimpfen, wir geben vielen Menschen eine Stimme.“ Sein Kollege aus dem AfD-Kreisvorstand, Professor Dr. Harald Weyel, sei bereits auf dem Weg nach Berlin, um die Sitzungen der kommenden Tage vorzubereiten. Weyel zog als Drittplatzierter auf der Landesliste in den Bundestag ein.

Hängende Köpfe gab es – trotz des Erfolges von Tebroke – bei der CDU. Denn die Verluste schmerzten. „Der Erfolg der AfD ist doch unser Versagen“, hieß es immer wieder. „Ich bin mehr als nur erstaunt, dass unser Ergebnis jetzt auch noch schöngeredet wird“, sagte der scheidende Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (CDU) mit Blick auf die Wahlanalyse der Parteikollegen in Berlin. „Ich hoffe, dass da am Montag Realismus einkehrt, und ich bin gespannt, wie da Jamaika zustande kommen soll, ohne dass es CSU und Grüne zerreißt.“ Bei der Wahlanalyse der Kreis-CDU am Montagabend müsse in jedem Fall eine ehrliche Analyse gemacht werden, sagte Bosbach.

Das Ergebnis seines Nachfolgers in Berlin bewertet er als positiv. Tebroke sei bereits zu Gesprächen bei ihm in Berlin gewesen, sagt er. „Am 19. Oktober werde ich mein Büro räumen, das war’s“.

Innenminister kam in Kreishaus

Auch NRW-Innenminister Herbert Reul, der um kurz vor 21 Uhr aus Düsseldorf in Rhein-Bergs Kreishaus eintraf, redete Tacheles. Seine Analyse: „Die Bayern haben uns reingerissen. Die ganze Sch . . . im letzten Jahr.“ Das Ergebnis der CDU in seinem Kreis allerdings sei super, da lässt der Leichlinger Reul nichts drauf kommen.

Wer mehr hängende Köpfe sehen wollte, der musste zu den Sozialdemokraten gehen. Nikolaus Kleine, der Direktkandidat erreichte 24,5 Prozent der Stimmen, die Partei 21,0 Prozent. „Ich persönlich fühle mich nicht als Verlierer – aber für meine Partei ist heute ein rabenschwarzer Tag.“ Die Reaktion auf die Wahlniederlage war eindeutig: „Unser Platz ist definitiv in der Opposition.“ Die SPD-Parteibasis hat von der Koalition mit der CDU die Nase voll.