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Fachwerkhaus abgebautGerberei „Haus Kremer“ zieht von der Eifel ins Bergische

Lesezeit 4 Minuten

Mühsam müssen die einzelnen Balken aufgenommen werden.

  1. Die einzige erhaltene Lohgerberei des Rheinlandes aus dem 19. Jahrhundert soll für die Nachwelt gesichert werden
  2. Das Fachwerkhaus zieht aus Hellenthal nach Lindlar um.
  3. Auf dem Grundstück des „Haus Kremer“ soll bald eine neue Aldi-Filiale entstehen.

Hellenthal/Lindlar – Zeit für lange Gespräche hat Hajo Meiborg nicht. „Wir müssen gegen die Uhr arbeiten“, sagt er. Die Zeit drängt beim Abbau der alten Lohgerberei, die in Hellenthal besser unter dem Namen „Haus Kremer“ bekannt ist. Bis zum gestrigen Tag musste das Holz des Fachwerkrahmens verschwunden sein, ab heute wird das Gerüst abgebaut.

Über die Jahrhunderte hat sich jede Menge Staub auf den Balken angesammelt, die die ehrenamtlichen Helfer der IG Bauernhaus einen nach dem anderen abnehmen. Was nicht gebraucht wird, wird mit Nageleisen abgehebelt und segelt in die Tiefe des Kellers. „Das gute Brett“, scherzt einer und sieht dem verrotteten Stück Holz hinterher, das von einem Eichenbalken abgetrennt wurde.

Ziegelplombe gefunden, wo das Haus im Krieg getroffen wurde

In welchem Zustand das Gebäude tatsächlich ist, hat sich erst gezeigt, als die Eternitplatten von den Wänden genommen wurden. Doch der Zustand sei weitaus besser als vermutet, sagt Dr. Julia Ricker, IG-Vorsitzende. „Es sieht so aus, als könnten wir das meiste wiederverwenden“, stellt sie mit fachmännischem Blick auf die Balken fest, die vorbeigetragen werden.

Der Fahrplan

Bis Ende des Monats wird der Abbau der Lohgerberei weitergehen. Laut Markus Rodenbüsch von der Gemeinde Hellenthal hat die IG Bauernhaus noch bis Ostern Gelegenheit zum Rückbau der Fundamente. Ab 23. April wird die Firma Backes die Reste des Fundaments nach Lindlar bringen.

Am 29. April soll der Kellerboden mit Unterstützung der archäologischen Fachfirma Archäonet aus Bonn weggenommen werden. „Es werden ältere Gebäudereste unter dem Kellerboden vermutet“, beschreibt Martha Aeissen von Archäonet.

Vorbereitende Arbeiten sind auf dem Gelände der geplanten Aldi-Filiale im Gange. Die letzten Reste des Hauses Keuer wurden am Donnerstag abgefahren, der Parkplatz an der Grenzlandhalle ist mittlerweile entsiegelt. Laut der Planungsfirma PE Becker aus Kall wird zeitnah ein offizieller Spatenstich erfolgen. (sev)

Probleme bereiten massive Kriegsschäden. So ist am Kamin eine Ziegelplombe wie am Kölner Dom zu sehen, wo das Haus im Zweiten Weltkrieg einen Treffer kassiert hat. Dadurch drohte der Kamin beim Abbau abzukippen.

Älteste, nachgewiesene Lohgerberei im Rheinland

Auch in den Balken wurden etliche Granatsplitter gefunden. Der Dachstuhl ist bereits abgebaut und nach Lindlar ins Bergische Land transportiert worden, wo dem Gebäude erst einmal zumindest ein vorübergehendes „Asyl“ gewährt wird. Denn in Hellenthal weicht es dem Neubau einer Aldi-Filiale. Die Gemeinde unterstützt den Abbau, stellt technisches Gerät und Container zur Verfügung und übernimmt auch den Transport der einzelnen Bauteile.

Komplett in ihre Einzelteile zerlegt wird die Lohgerberei in Hellenthal, um in Lindlar vom Förderverein des Freilichtmuseums eingelagert zu werden.

Dass so viel Aufwand für ein auf das Jahr 1817 datiertes Gebäude geleistet wird, ist für Ricker selbstverständlich: „Es ist die älteste nachgewiesene Lohgerberei im Rheinland.“ Deshalb solle das Gebäude auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Wir wissen aber nicht, ob und wann und wo“, sagt sie. Die Hauptsache sei, dass das Gebäude erst einmal gerettet werden konnte.

„Viel Holz, kleine Fache, dünne Balken“

„Normalerweise versuchen wir, die Gebäude vor Ort zu erhalten“, erzählt Ricker. Doch da dies in Hellenthal nicht möglich gewesen sei, habe ihr Verein sich bemüht, eine andere Lösung zu finden. Mit dem Förderverein des Freilichtmuseums in Lindlar sei eine gute Lösung gefunden worden. „Wir würden auch beim Aufbau helfen“, bietet sie an. Der Verein habe einige Mitglieder, die das schon gemacht hätten: „Die Fachkenntnis ist da.“

Der alte Backofen soll ebenfalls erhalten werden.

Etwa bei Hajo Meiborg. Die Lohgerberei sei mittlerweile das sechste oder siebte Fachwerkhaus, das er abbaue. Umso mehr hat er über das Haus Kremer gelernt: „Es ist besonders, sonst würde sich der ganze Aufwand nicht lohnen.“

Auffallend sei schon das Fachwerk. „Viel Holz, kleine Fache, dafür aber recht dünne Balken“, charakterisiert Meiborg den Bau.

Keller wohl auch als Stall genutzt

Rund um das Gebäude sei der Boden aufgeschüttet worden, weswegen das Erdgeschoss zum Keller geworden sei. „Auf der Rückseite fehlt uns eine ganze Reihe Fachwerk“, erzählt er. Aber die Bruchsteinwand mit dem großen Kamin sei grandios.

Den Kellerboden begutachten Dr. Julia Ricker und Hajo Meiborg.

Eine große Halle ohne eine einzige Stütze sei das Gebäude einst gewesen: „Die Schornsteine und Stützen sind erst dazugekommen, als die Einbauten für die Wohnung dazugekommen sind.“

Nur auf der Südseite habe es eine Zwischendecke gegeben. In den Mauern weist er auf die Rundbögen hin, durch die einst das Wasser durch das Gebäude floss. „Hier steht oft das Wasser“, konnte er beobachten.

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„Wahrscheinlich ist der Keller auch als Stall genutzt worden“, vermutet Meiborg. Über die Steinplatten, die er als unterste Lage identifiziert hat, sei ein Boden aus gestellten Steinen gelegt worden, wie er für Tierhaltung typisch gewesen sei. Geplant sei, auch den Backofen mitzunehmen, der im Keller steht, auch wenn der nicht zur originalen Ausstattung gehörte. Für das Wochenende hatten sich noch weitere Helfer angesagt, erzählt Ricker.

Ganz unkompliziert ist der Abbau nämlich nicht, wie Hajo Meiborg von der IG Bauernhaus erläutert. In der Mitte sei das gesamte Gebäude etwa 30 Zentimeter abgesackt, so dass der komplette Fachwerkrahmen unter Spannung stehe. „Das ist zäh“, sagt er.