Rhein-Berg – Harald Weyel wählt den Deutschen Platz in Bensberg als Ausgangspunkt für seine „1000 Schritte zur Bundestagswahl“. Wen wundert’s? Der vormalige Professor für Betriebswirtschaftslehre und heutige Bundestagsabgeordnete tritt ja für die am rechten Rand stehende AfD an. Aber er ist auch für eine Überraschung gut.
Wichtige Frage wird sein, wo er selbst steht: Diesseits oder jenseits der roten Linie, die Radikalität und Extremismus trennt? Konservativer Kritiker oder Reichstagstürmer?
Weyel über Kriegsdenkmal am Deutschen Platz
Professor Dr. Weyel wirkt meist wie ein freundlich-kultivierter Bildungsbürger, der mit Intelligenz, Wissen und Wortgewandheit beeindruckt. Und irritiert: Direkt zu Beginn begründet er absolut unklischeemäßig, was ihm am Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf dem Deutschen Platz so gefalle.
Um das Direktmandat für den Bundestag im Wahlkreis 100/Rheinisch-Bergischer Kreis bewerben sich bei der Bundestagswahl am 26. September Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU), Kastriot Krasniqi (SPD), Christian Lindner (FDP), Maik Außendorf (Grüne), Dr. Harald Weyel (AfD), Isabelle Casel (Linke) , Uwe Wirges (Freie Wähler), Markus Blümke (Volt) und Helga Aufmkolk (Die Basis). (wg)
Dass es nicht um „Verherrlichung“ gehe, dass vielmehr die behelmten Soldatenköpfe „Melancholie“ ausstrahlten. Nichts mit Tschingderassabum und Preußens Gloria. Weyel spricht im Zusammenhang mit den Weltkriegen von einer Wiederholung von Fehlern: „Ich sag’ hier nur: Afghanistan.“
Wirtschaftspolitik und Abbau der Bürokratie
Wie bitte, Herr Professor? Wo ist der Zusammenhang zwischen Hitlers Überfall auf Polen und Afghanistan? Weyels Worte klingen wie die Antwort eines Kriegsdienstverweigerers aus der Zeit, in der es noch Wehrpflicht und Gewissensprüfungen gab: „Krieg ist Krieg. Im Krieg wird gestorben, im Krieg wird geopfert. Krieg wird oft mit Lügen begründet. Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Das gilt für jeden Krieg.“
Wahrlich eine Überraschung. Verbal-Pazifismus ist nicht Markenkern der AfD. Der Kandidat und seine Gesprächspartner – Sascha Wandhöfer von Radio Berg und der Verfasser dieser Zeilen – gehen bergauf in Richtung Schloss. Es geht um Wirtschaftspolitik, um den Abbau bürokratischer Hürden. Das „Grundprinzip, dass kleine Anbieter genauso reglementiert werden wie große“, sei falsch. Zum Thema Steuersenkung: „Wenn der Staat zu viel Geld hat, muss man nicht davon ausgehen, dass er auf bessere Ideen kommt als der Bürger.“
Gerechtigkeit sei nicht Gleichbehandlung
Ein Lieblingsthema der AfD ist die „illegale Einwanderung“. „Wir reden im Regelfall von wehrpflichtigen jungen Männern mit Großfamilien oder Clans.“ Es sei völlig daneben, „Gerechtigkeit so zu definieren, dass jeder gleich behandelt werden muss bis hin zum gleichen Pro-Kopf-Einkommensanspruch“ – und nun wird die Rhetorik noch schärfer – „bis hin zum gleichen Taschengeldanspruch von mindestens hundert Euro netto – pro Tag, bitte schön, und das notfalls auch ohne Arbeit“.
Kandidaten-Podcast
„1000 Schritte zur Bundestagswahl“: Spaziergänge, bei denen Redaktionsmitglieder mit den Direktkandidaten der im Bundestag oder Rhein-Bergs Räten vertretenen Parteien über ihren Weg in die Politik, ihre Ziele und Arbeit sprechen, kann man im Internet kostenlos anhören und herunterladen – im Podcast von Bergischer Landeszeitung, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Radio Berg.
Weiter geht’s am Schloss vorbei. Weyel erinnert sich, wie er als junge Mensch mit dem Interrail-Tickt der Bundesbahn in Frankreich unterwegs war und findet harsche Worte zur EU. Die müsse gegebenenfalls durch eine Neugründung ersetzt werden. In der „befahrbaren Fußgängerzone“ von Bensberg begründet er die Forderung nach einer „Ent-Ideologisierung der Energiepolitik“. Der Klimawandel sei älter als die Menschheit und habe in den Warmphasen durchaus positive Auswirkungen gehabt.
Gretchenfrage: Was ist mit dem Extremismus in der AfD?
Dann erntet Weyel mit dem von ihm zitierten Spruch „Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsgericht?“ die Gretchenfrage, wie er es mit unserem demokratischen Staat und mit den Extremisten in der AfD halte.
Er antwortet wortreich. Die Deutschen würfen den Polen eine Politisierung der obersten Gerichtsbarkeiten vor und täten selbst nichts anderes. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts sei vorher CDU-Abgeordneter gewesen, die Urteile fielen im Sinne der Regierung aus.
Den Einwand, dass sich Verfassungsrichter (die übrigens nicht alleine, sondern in achtköpfigen Senaten urteilen) von ihren politischen Wurzeln emanzipieren könnten, lässt er nicht gelten: „Theoretisch ja, aber praktisch sieht’s anders aus.“ Ob er die Verfassungsrichter für Marionetten halte? „Die Urteile, die Richter Harbarth gesprochen hat, sprechen für sich.“
Weyel sieht AfD als „junge Organisation“
Im Übrigen sei die AfD innerparteilich sehr demokratisch. Dass aus der AfD heraus demokratische Institutionen lächerlich gemacht würden, sehe er nicht: „Gewisse Dinge machen sich selbst lächerlich.“ Nach der Frage, ob der Rechtsextremist Björn Höcke für die AfD stehe oder der eine oder andere kritisch-kompetente Professor, gräbt er historische verbale Fehlgriffe anderer aus.
Harald Weyel, der vormalige Professor mit Wohnsitz in Bensbergs Multikulti-Klein-Manhattan, sieht die AfD als „junge Organisation“. Warum sie immer wieder auf der Trennlinie von Radikalität und Extremismus tänzelt und gelegentlich sogar Polka darauf tanzt, sagt er nicht. Sondern tut es bei der Richterschelte selbst.