Rhein-Berg – Eine Tischtennisplatte, ein Spielplatz, ein rostiger Unterstand, im Hintergrund zwei graue Wohnblöcke: Unsere 1000-Schritte-Tour zur Bundestagswahl mit dem SPD-Direktkandidaten für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Kastriot Krasniqi, startet an der Flüchtlingsunterkunft an der Jakobstraße in Bergisch Gladbach. Den Ort hat Krasniqi ganz bewusst als Startpunkt ausgewählt, denn hier ist der 28-Jährige aufgewachsen.
Als er ein Kleinkind war, floh seine Familie aus dem Kosovo vor dem Krieg und kam nach Gladbach. „Vieles sieht hier noch genauso aus wie damals. Hier schien alles so klein und begrenzt. Die Welt hat aufgehört hinter dem Zaun“, erinnert er sich und macht eine Art Stillstand an dem sehr separierten Ort aus. Das Thema Integration liegt ihm am Herzen.
Krasniqi will sich für bessere Integration einsetzen
„Die Menschen, die zu uns kommen, müssen schneller in den Wohnungsmarkt integriert werden und die deutsche Sprache lernen. Das Asylverfahren muss beschleunigt werden, Arbeitserlaubnisse schneller erteilt werden“, zählt der SPD-Kandidat auf, betont aber auch: „Wenn Sie einen Migrationshintergrund haben, wird Ihnen in der Politik oft unterstellt, sie wären Spezialist in Sachen Integration. Aber dass Sie sich auch mit Verkehr, Klimaschutz, mit sicheren und guten Arbeitsplätzen auskennen können, das wird oft nicht so in den Fokus gerückt.“
Als fast 15-Jähriger trat Krasniqi in die SPD ein, um anzupacken, dort, wo es politisch und gesellschaftlich hakt, erzählt er und muss etwas lauter sprechen, denn die 1000-Schritte-Tour führt von der Jakobstraße in Richtung S-Bahn- und Busbahnhof. Im Minutentakt kommen Busse an oder fahren wieder ab.
Kandidaten-Podcast
„1000 Schritte zur Bundestagswahl“: Spaziergänge, bei denen Redaktionsmitglieder mit den Direktkandidaten der im Bundestag oder Rhein-Bergs Räten vertretenen Parteien über ihren Weg in die Politik, ihre Ziele und Arbeit sprechen, kann man im Internet kostenlos anhören und herunterladen – im Podcast von Bergischer Landeszeitung, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Radio Berg.
Die Mobilität im Rheinisch-Bergischen Kreis auszubauen und zu verbessern, ist ein großes Ziel, das weiß Krasniqi. Oft genug habe er selbst nicht gerade die besten Erfahrungen im öffentlichen Personennahverkehr oder als Radfahrer gesammelt. „Wir müssen es den Menschen leichter machen, auf Bus und Bahn umzusteigen oder ein Fahrrad zu benutzen. Aber das geht nicht, wenn die Infrastruktur fehlt, die Straßen schlecht ausgebaut und Busverbindungen nicht vorhanden sind.“
SPD-Kandidat will Elektromobilität stärken
Der 28-Jährige möchte auch die Elektromobilität stärken. Doch auch hier sei der Weg noch weit. „Ich habe fünf Ladesäulen gesehen im Kreis – bei 280 000 Einwohnern. Das ist eine einfache Rechnung, dass das nicht reicht“, so Krasniqi, der gleichzeitig weiß: „Wir können nicht von heute auf morgen umsteigen. Aber wenn wir heute nicht anfangen, dann ist es morgen zu spät“, sagt der Politiker, während er auf drei Elektrofahrräder blickt, die an der Ausleihstation am Busbahnhof parat stehen, um per App gemietet zu werden. Unsere Tour setzen wir aber lieber zu Fuß fort und steuern die Innenstadt an.
Am Impfzentrum können wir nicht anders, wir müssen auch über Corona reden. Wie sehr die Krise einige Menschen finanziell getroffen hat, weiß Krasniqi, der bei einer gesetzlichen Krankenkasse arbeitet. „Wegen der Pandemie sind viele in die Hartz IV-Spirale geraten.“ Er befürworte es, dass Menschen, die viel verdienen, auch mehr Steuern zahlen müssen. „Was wollen wir von denen, die nichts haben und durch Corona alles verloren haben, nehmen? Wir brauchen die Gutverdiener.“
Eigene Wahlplakate erfüllen ihn mit Stolz
Den Job verloren und keinen Verdienst mehr – das haben auch die Mitarbeiter bei Zanders erlebt. Auf dem Gelände ist es leer. Wie es mit der Papierfabrik und dem Gelände weitergehe, dazu hält sich Krasniqi lieber bedeckt. Nur so viel: „Ich würde mir wünschen, dass Menschen hier einen neuen Arbeitsplatz finden, egal in welcher Form.“
Direktkandidaten
Um das Direktmandat für den Bundestag im Wahlkreis 100/Rheinisch-Bergischer Kreis bewerben sich bei der Bundestagswahl am 26. September Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU ), Kastriot Krasniqi (SPD), Christian Lindner (FDP), Maik Außendorf (Grüne), Dr. Harald Weyel (AfD), Isabelle Casel (Linke) , Uwe Wirges (Freie Wähler), Markus Blümke (Volt) und Helga Aufmkolk (Die Basis). (wg)
Und dann stehen wir plötzlich davor – vor dem riesigen Wahlplakat der SPD an der Gohrsmühle, auf dem Krasniqi den Autofahrern entgegenblickt. Für den Kandidaten ist das selbst ein ungewohnter Anblick, der ihn aber auch stolz macht. „Meine Familie sollte abgeschoben werden und jetzt kandidiere ich für den Deutschen Bundestag.“
Die 1000 Schritte führen weiter am schulpsychologischen Dienst vorbei. Er setze sich für Bildungsgerechtigkeit ein, sagt Krasniqi. „Meine Wunschvorstellung ist, dass Bildung kostenlos wird und auch einkommensschwache Bürger ihre Kinder zur Uni schicken können.“ Dass das Handwerk erst durch Krisen wie Corona und das Hochwasser wieder seine Wertschätzung erhalten habe, sei traurig.
Das findet wohl auch der Himmel, denn es fängt an zu schütten. Wie könnte es da passender sein, als im Nass zum Regenrückhaltebecken an der Gladbacher Hauptstraße zu laufen. Auf dem über dem Becken liegenden Kinderspielplatz stellen wir uns unter einem Klettergerüst unter. Welche Lehren er aus der Naturgewalt ziehe, wollen wir von Kastriot Krasniqi wissen. „Wir müssen die Anschlussstellen anpassen. Was nutzt ein großes Becken, wenn am Gulli gar nicht so viel Wasser durchkommt.“
Am Ende der Tour stellt sich heraus: Kastriot Krasniqi ist bereits ein Podcast-Profi. Jeden Freitag veröffentlicht er mit Parteikollege Ralph Liebig einen Podcast und spricht darin mit seinen Gästen über Politik. Denn Wahlkampf finde heute längst auf vielen Plattformen statt.
Und wie sieht Krasniqi selbst seine Chancen bei der Wahl? „Ich setze mein Augenmerk nicht auf den Listenplatz, sondern auf das Direktmandat. Als gewählter Bundestagsabgeordneter käme für mich nur eine Ampel in Frage. Für eine Koalition mit der CDU gebe ich keine Ja-Stimme. Das steht fest.“