Kürten – Jens Nowotny wird auf der Straße erkannt. Natürlich. Das ist auch in seinem Wohnort Kürten so. Er hat sich daran gewöhnt, gibt Auskunft und schreibt gerne Autogramme, wenn er höflich darum gebeten wird. Als Nationalspieler war der Abwehrspieler Säule bei Fußballbundesligist Bayer Leverkusen, in den größten europäischen Stadien hat er gespielt.
Jetzt steht Jens Nowotny im Einkaufsmarkt von Thomas Oberbörsch im kleinen Kürten, Ortsteil Eichhof. Bergische Idylle ist das. Nowotny mag bergische Idylle. Er wohnt seit elf Jahren in Kürten, kürzlich ist er von Biesfeld in die Umgebung des Hauptortes gezogen. Nowotny ist im Bilde über die aktuelle Entwicklung: „Der Einkaufsmarkt darf nicht erweitern, habe ich gehört. Wer soll das verstehen? Das ist doch an der Realität vorbei“, ärgert er sich. „Typisch Beamte.“
Thomas Oberbörsch nickt zustimmend, für ihn steht die Marktexistenz auf dem Spiel. „Wir werden alles versuchen, um eine Genehmigung zu bekommen.“ Der Marktleiter hat nach dem Nein der Bezirksregierung nicht aufgegeben. Zuspruch, wie von Nowotny, tut gut. Die IG Eichhof hat 2800 Unterschriften für Oberbörsch gesammelt.
Zurückgezogen wohnt Nowotny mit Ehefrau und drei Kindern in der Gemeinde. „Die Natur hier ist doch toll“, meint er überzeugt. Setzt aber flink hinzu: „Im Schwarzwald ist es auch nicht schlecht.“ Der Schwarzwald ist seine Heimat, die Großstädte Freiburg und Karlsruhe gehören auch dazu.
Vereinen bleibt er fern
Bei der Fahrt über die Landstraße surrt typisch Bergisches vorbei, weite Täler, grüne Wiesen, offenes Land. „Es geht um die Menschen“, philosophiert Nowotny. Ein paar gute Freundschaften hat er in Kürten gefunden. Etwa die zu Toni und Dimi, den beiden griechischen Gastwirten aus der Bechener Taverne Kalyva. „Die haben eine große Herzlichkeit, das ist beeindruckend“, findet er. Auch die ehemaligen Nachbarn in Biesfeld zählt er zu seine Freunden.
Von Aktivitäten in den Kürtener Vereinen hält sich der heute 42-Jährige hingegen fern, auch wegen seines Prominentenstatus. „Das ist nicht meine Sache.“ Dass er strikt ohne Alkohol lebe, spiele dabei auch eine Rolle, sagt er. Auf Fußball angesprochen zu werden sei ein Teil seines Lebens. „Okay, ich habe in der Bundesliga gespielt.“ Damals sei er von 80 Millionen Einwohnern einer der elf besten deutschen Fußballer gewesen. Nicht mehr und nicht weniger. Er wolle aber nicht permanent vorhersagen müssen, wer in diesem Jahr Deutscher Fußballmeister werde. Nowotny schätzt es, als Normalbürger betrachtet zu werden.
Hinter dem Weiler Rote Furth beginnt die Lieblingslaufstrecke Nowotnys. „50 Minuten Laufen sind zeitlich eine gute Grenze“, meint er schmunzelnd. Eine einsame Parkbank beim Weiler Hamböcken lädt zum Ausruhen ein, sie steht auf halber Strecke. Nowotny genießt das bergische Panorama. „Hier passt alles“, beschreibt er seinen Wohnort Kürten.
Gleichwohl will er kein Dogma daraus machen. Der schulpflichtigen Kinder zuliebe sei man mit dem jüngsten Umzug in der Gemeinde geblieben. Dass er irgendwann, bei veränderten Vorzeichen, in einen anderen Ort, in ein anderes Land ziehen könnte, will er nicht ausschließen. „Vielleicht passt es dann dort ja auch.“
Im Hauptort Kürten kehrt Jens Nowotny an Vormittagen gern mit seiner Frau ins Café Bauer ein. Das Landcafé gefällt ihm, es füge sich gut ein in den Platz am Rathaus und ergänze das Ensemble, erklärt er. Im Oberdorf, in den Geschäften rund um die katholische Kirche St. Johann Baptist, schätzt er besonders die kleine Familienmetzgerei Stefer.
Auch beim „Weidener“, dem Fleischhandel oberhalb von Kürten-Bechen, kauft er gern ein. Bodenständig ist dies alles, und so zeigt sich auch Jens Nowotny. Dazu gehört auch sein Einsatz in den Schulen. „Ich komme gerne vorbei und spreche mit den Jugendlichen.“ In der Kürtener Gesamtschule hat er Schülern schon geduldig Auskunft gegeben über sein ehemaliges Leben als Profifußballer.
Früher ist er auch ehrenamtlich als Trainer beim Jugendfußballclub (JFC) Biesfeld/Kürten/Olpe unterwegs gewesen. Auf dem Sportplatz in Kürten-Bornen, unserem Fotomotiv, hat er die kleinen Kicker trainiert. Ansonsten ist er aber eher selten auf einem der Plätze anzutreffen – Nowotny drängt sich ungern in den Vordergrund. Er muss schon lange überlegen, wann er zuletzt ein Spiel in Kürten besucht hat. „Im letzten Jahr haben die Biesfelder Mädchen im Pokal gegen den 1. FC Köln gespielt. Das habe ich mir angeschaut.“
Einsatz für die „Lesewolke“
Direkt neben dem Café in Kürten hat die Gemeinde eine große Tafel zu Ehren ihres Komponisten Karlheinz Stockhausen aufgestellt. „Nein, da habe ich nichts mit zu tun“, sagt Nowotny. Zur Musik des Komponisten könne er nichts sagen. Den in jüngster Zeit aufgewerteten Platz findet er aber gut. Das Geschäftshaus mit dem Café wirke so, als habe es dort schon immer gestanden. Der Verkehr in Kürten sei allerdings heftig, außerorts werde auf der Landstraße Richtung Wipperfürth stark gerast. „Das fällt schon negativ auf.“
Eine Sache kreidet Nowotny den Kürtenern an: ihr Kirchturmdenken. In Eichhof kämpfe die IG um die Erweiterung des Marktes. In den Nachbarorten würden aber negative Auswirkungen gefürchtet. In Karlsruhe habe er erlebt, dass es Vereinsfeste für die ganze Stadt gebe. So etwas fehle in Kürten. Vor Jahren habe er die Idee gemeinsamer Bundesjugendspiele in Kürten nach vorn gebracht. „Die Grundschulen wollten lieber für sich allein etwas machen“, bedauert er. Die Idee sei nicht umgesetzt worden. „Wirklich schade“ , bedauert Nowotny.
An seinem langjährigen Wohnort Biesfeld unterstützt Nowotny die „Lesewolke“-Aktion der Gemeinschaftsgrundschule. Immer montags schaut er vorbei, liest Kindern vor, gemeinsam mit seiner Ehefrau. Diese ehrenamtlichen Dinge macht Nowotny sehr gern, das ist beim Treffen mit ihm sofort zu spüren.
In der letzten Ferienwoche hilft er mit beim Fußballcamp von Union Blau-Weiß Biesfeld. Mitte August geht das Trainingslager ins zehnte Jahr. Der prominente Namen hilft dem Verein, öffnet ihm auch Türen. Für Nowotny ist die Unterstützung von Schule und Sportverein eine Herzensangelegenheit. Und auch ein Grund, weshalb er in Kürten Wurzel geschlagen hat.
Zur Person
Jens Nowotny, geboren 1974 in Malsch/Schwarzwald, ist verheiratet und hat drei Kinder. Er spielte von 1990 bis 1996 beim Karlsruher SC und von 1996 bis 2006 bei Bayer 04 Leverkusen. In 336 Bundesligaspielen schoss er elf Tore. Im Europameisterschaftskader stand er 2000 und 2004, bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wurde er im Spiel um den dritten Platz eingesetzt.
Beruflich ist Nowotny als Spielerberater im Fußballsport tätig. Mit einem Partner ist er außerdem Geschäftsführer des Restaurant Salinas in Mönchengladbach. (cbt)