Odenthals Bürgermeister Robert Lennerts hatte im Interview die kommunale Struktur des Rheinisch-Bergischen Kreises infrage gestellt.
Nach InterviewWie die Politiker in Odenthal über den Vorstoß des Bürgermeisters denken
„Wir sollten ohne Tabus darüber nachdenken, ob die Struktur hier im Kreis mit acht eigenständigen Kommunen so bleiben kann“, hatte Bürgermeister Robert Lennerts (parteilos) vor wenigen Tagen im Interview mit dieser Zeitung gesagt. Hintergrund sind die strukturellen Probleme Odenthals und auch anderer Orte.
Finanznöte und Personalengpässe schränkten den Handlungsspielraum zunehmend ein, begründete Lennerts den Vorschlag, auch über Dinge offen nachzudenken und Lösungswege zu suchen, die erfahrungsgemäß nicht viel Applaus erhalten. Denkbar sei vieles, hatte er gemeint. Von interkommunaler Zusammenarbeit bis hin zur Gebietsreform. Messlatte müsse aber stets sein, das Beste für Odenthal zu erreichen. Was das ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Stimmen aus den Odenthaler Ratsfraktionen
In „Küburthal“ oder auch in einem „Odenkürscheid“ – einem zugegeben der Fantasie entsprungenen fiktiven Kunstort aus Burscheid, Odenthal und Kürten – möchte er nicht wohnen, sagt Norbert Dörper und lacht. Eine Gebietsreform stehe nicht auf der grünen Agenda, sagt der Vorsitzende von Bündnis90/Die Grünen. Seine Fraktion lege ihr Augenmerk auf die Sanierung von Straßen, Radwegen und Schulen. „Wir haben viele Hausaufgaben vor der Haustür.“
Beim Thema Interkommunale Zusammenarbeit hätten die Grünen „nie auf der Bremse gestanden“, sagte Dörper. Vielleicht sei der Bauhof künftig eine Möglichkeit neuer Kooperation, sagte Dörper. Ein gemeinsames Salzlager der Kommunen oder wenigstens die gemeinsame Beschaffung des Streumaterials könne er sich vorstellen.
CDU Odenthal will sich nicht eingemeinden lassen
„Wir sollten uns nicht eingemeinden lassen“, sagt auch CDU-Chefin Nicola Ciliax-Kindling in einer ersten Reaktion. Dennoch sehe auch sie die Probleme der Gemeinde, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Dies hänge nicht nur mit fehlendem Geld, sondern vor allem auch mit dem zunehmenden Fachkräftemangel zusammen.
Daher müsse man überlegen, ob die Kreisverwaltung mit ihrem größeren Apparat zeitraubende Aufgaben kleinerer Kommunen, etwa die Personalabrechnungen, übernehmen könnte. Denkbar wäre auch, dass Burscheid, Odenthal und Kürten je nach Personalausstattung wechselseitig Aufgaben für alle drei erledigten.
Die SPD-Fraktion lehne die „Gedankenspiele des Bürgermeisters“ um eine mögliche Gebietsreform und eine damit einhergehende Fusion der Kommunen Odenthal, Burscheid und Kürten ab, so Fraktionschef Oliver Deiters. „Unsere Gemeinde hat alle Voraussetzungen bei richtigem Einsatz der finanziellen Mittel und bei sinnvollen und strategischen Weichenstellungen immer autark zu agieren“, meint er.
Das beweise auch die Statistik, nach der in Odenthal, bezogen auf das durchschnittliche Jahreseinkommen, landesweit die zweitwohlhabendste Bevölkerung in NRW wohnt. „Die Dimension der Schulden ist hausgemacht“, bemängelt Deiters. Seit der Amtsübernahme des Bürgermeisters 2015 seien die Schulden von rund elf auf 35 Millionen angewachsen. Alle Sparvorschläge der SPD-Fraktion seien abgelehnt worden. „Es bedarf schon einer gewissen Chuzpe, die finanziellen Mittel über Jahre mit vollen Händen auszugeben, um dann festzustellen, dass es was eng wird und über Gebietsreformen zu sinnieren“, so Deiters.
„Für mich ist das eine Bankrotterklärung“, sagt Hans-Josef Schmitz, Fraktionschef der FDP, zu den Denkanstößen des Bürgermeisters. Ein eigenständiges Odenthal aufzugeben, das bedeute den „Verlust unserer Identität“. Viele Schulden seien „hausgemacht“, ist Schmitz überzeugt. Eine stärkere Zusammenarbeit der Nachbarkommunen könne allerdings von Vorteil sein. „Es ist nicht zielführend, wenn jede kleine Kommune für sich alleine herumwurschtelt“. Vorschläge zur interkommunalen Zusammenarbeit etwa der Bauhöfe von Odenthal und Kürten seien aber nicht umgesetzt worden.
„Odenthal, Kürten und Burscheid haben auch kein eigenes Jugendamt“, so Schmitz. Dessen Aufgaben übernimmt bisher der Rheinisch-Bergische Kreis, die Kosten dafür werden per Kreisumlage von den Kommunen gezahlt. Sich hier mit den beiden Nachbarkommunen zusammenzutun sei bisher gescheitert. Schmitz: „Da befinden wir uns noch im Dornröschenschlaf.“
Odenthal nutzt Kompetenzen anderer Verwaltungen
Für Kommunen werden die Spielräume enger, alle ihre Aufgaben in Eigenregie zu erfüllen. Besonders kleinere Orte mit eigenem Rathaus leiden unter finanzieller Schwindsucht und zunehmend auch unter personellen Engpässen. Vor diesem Hintergrund rückt die Frage nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Kommunen verstärkt in den Fokus. Auf welchen Gebieten können kleine Kommunen kooperieren, personelle Ressourcen und Kompetenzen optimal einsetzen, wechselseitig Aufgaben übernehmen und davon vielleicht auch noch finanziell profitieren?
In einigen Bereichen hat Odenthal damit schon Erfahrung. Die wohl älteste kommunale Zusammenarbeit besteht seit 1979 mit der Stadt Bergisch Gladbach für die Angebote der Volkshochschule. Angeschlossen ist auch Kürten. 2022 zahlte Odenthal hierfür einen Pauschalbetrag von rund 4300 Euro. Die Beihilfeangelegenheiten der Beamten und Pensionäre lässt Odenthal vom Rheinisch-Bergischen Kreis erledigen.
Der Gerichtsvollzieher kommt im Fall der Fälle aus der Stadt Leichlingen, ebenso stellt sie den Datenschutzbeauftragten. Auch die Klimamanagerin, die stundenweise Aufgaben in Odenthal übernimmt, hat eigentlich in Leichlingen ihren Schreibtisch. In Wermelskirchen werden Fälle säumiger Unterhaltspflichtiger aus Odenthal bearbeitet (2021 waren es lediglich vier Fälle) und juristische Beratung kann die Odenthaler Verwaltung, in der kein Volljurist angestellt ist, im Zweifelsfall in der Burscheider Verwaltung erhalten.
Für die elektronische Datenverarbeitung und ihre Sicherheitsaspekte hat sich Odenthal dem Kommunalen Zweckverband Südwestfalen-IT in Hemer angeschlossen und zahlt dafür rund 100.000 Euro im Jahr. Aufgelöst wurde hingegen die interkommunale Zusammenarbeit mit Burscheid zur Bearbeitung Odenthaler Wohngeldfälle. Seit 2013 waren diese von der Nachbarstadt miterledigt worden.
Im Juni 2021 hatte der Odenthaler Rat die Aufgabe dann einstimmig wieder zurückgeholt, weil man den Service, für den man 45.000 Euro im Jahr zahlte, für zu teuer hielt. Von der Bearbeitung der Odenthaler Wohngeldfälle in Eigenregie versprach sich Odenthal Einsparungen von rund 8000 Euro jährlich.