„Fair-Teiler“So arbeiten die Bergischen Lebensmittelretter in Overath
Overath – Es ist 10 Uhr am Morgen und ein sonniger Märztag in Overath. Hartmut Wolters steht in seiner Einfahrt und entlädt ein eben angekommenes Auto voller Lebensmittel in den „Fair-Teiler“ der „Bergischen Lebensmittelretter“. Hier geht es um Lebensmittel, die ansonsten weggeschmissen worden wären.
Im März 2020 fingen Wolters und seine Frau mit der Arbeit der „Bergischen Lebensmittelretter“ an. Entstanden ist das Projekt aus einem Foodsharing-Verteiler. „Damals, als alles mit Corona neu war, war es auf einmal schwieriger, Foodsharing zu betreiben und dann schlossen auch noch die Tafeln“, berichtet Wolters. Jedoch: Gerade in solchen Zeiten der Krise sollte es einfacher für Hilfsbedürftige sein, schnell an Lebensmittel zu kommen, findet Wolters. Mittlerweile rettet der Verein wöchentlich circa 36 Kubikmeter an noch verwendbaren Lebensmitteln.
Jeder kann zu Lebensmittelrettern kommen
Das Konzept ist einfach: Freiwillige Helferinnen und Mithelfer des Vereins fahren fast alle Supermärkte in der Umgebung an, nehmen aussortierte Lebensmittel mit, die von den Tafeln nicht mitgenommen werden, kontrollieren diese auf Essbarkeit und bringen sie anschließend zum Verteiler. Dort werden sie in Kühlschränke und Schränke geräumt - Leute können nun kommen und kostenlos alles mitnehmen, was sie möchten. „Sogar die Tageszeitung bekommen wir für die Leute gespendet“, berichtet Wolters lachend. Und nicht nur das: Die Jaeger-Tankstelle in Overath spendet jeden Tag frisch belegte Brötchen.
Ein wichtiger Grundsatz der Arbeit der Lebensmittelretter ist, dass alle Menschen, unabhängig ob arm oder reich, kommen können, um kostenlose Lebensmittel zu erhalten. „Die einen kommen für den Umweltschutz und um das Wegschmeißen von Lebensmittel zu verhindern, andere kommen weil sie sich vielleicht gerade kein Essen leisten können“, berichtet Wolters. Genug ist für alle da. Mit diesem Grundsatz unterscheidet sich das Konzept der Lebensmittelretter von den Tafeln.
Kochen lernen mit dem, was da ist
Menschen, die auf Tafeln angewiesen sind, müssten zunächst nachweisen, um an einen Tafelausweis zu kommen. Ein hoher Aufwand und eine zu lange Wartezeit seien damit verbunden, finden Wolters und seine Frau. Menschen die sich plötzlich durch Scheidung oder Jobverlust in einer akuten finanziellen Notlage wiederfinden, könnten nicht solange warten, sondern bräuchten sofortige Unterstützung. „Mit unserem Verteiler, schaffen wir es, Menschen zu erreichen, die die Tafeln nicht erreichen“, erzählt Wolters.
Und nicht nur das: Auch bei den Overatherinnen und Overathern trägt der Lebensmittelverteiler zu einer Bewusstseinsänderung bei, sich auf das Essen zu fokussieren, was eben schon vorhanden ist. „Menschen kommen her, schauen was sie bekommen können und müssen schauen, was sie sich daraus kochen können“, berichtet Wolters uns. Währenddessen packt eine Frau gerade eine Tüte mit Rosenkohl ein und bejaht seine Aussage lächelnd.
140 Unterstützerinnen und Unterstützer für Lebensmittelretter
Sollte sich die Corona -Situation bald verbessern, soll der Verteiler auch zu einem sozialen Ort werden, wo Menschen zusammentreffen können, erzählt Wolters. Auch wenn er das unter Einhaltung aller Corona-Maßnahmen jetzt schon häufiger der Fall ist. Sogar eine Jobvermittlung hat es schonmal in der Schlange zum Verteiler gegeben. „Damals stand eine Frau an und erzählte, sie hätte ihren Job in der Krankenpflege verloren. Auf einmal meldete sich eine andere Stimme aus der Schlange und fragte: Krankenpflege? Wir suchen gerade!“, berichtet Wolters. Nicht nur zum Retten von Lebensmitteln ist der Verteiler also gut.
Das könnte Sie auch interessieren:
Mittlerweile besteht der Verein der „Bergischen Lebensmittelretter“ aus circa 140 Unterstützern, die im Rheinisch-Bergischen Kreis, dem Oberbergischen Kreis, dem Rhein-Sieg-Kreis und in Bonn tätig sind. Viele von ihnen sind in Rente oder Frührente und engagieren sich in ihrer freien Zeit ehrenamtlich. „Das hat sich einfach so ergeben“, berichtet Wolters. Aus Bonn habe sich beispielsweise eine Freiwillige gemeldet, die dann alle organisatorischen Aspekte vor Ort im Namen der Lebensmittelretter übernommen hat.
Bergische Lebensmittelretter, Frielinghausener Straße 37, Overath-Steinenbrück, Montags bis samstags 7 Uhr bis 20 Uhr, an Sonntagen von 14 Uhr bis 17 Uhr.