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Start-ups in Rhein-BergMit dieser Software revolutionieren Overather Eigentümerversammlungen

Lesezeit 5 Minuten
Marko Steinbach und Denis Agca zeigen ihre Software.

Marko Steinbach (l.) und Denis Agca haben eine digitale Lösung für Eigentümerversammlungen entwickelt.

Durch Zufall haben die Gründer eine unterschätzte Nische entdeck. Doch sie wussten von Anfang an, dass sie „etwas Großem auf der Spur“ sind.

Alles hat mit einem Abendessen vor fünf Jahren angefangen, nachdem sich die Schulfreunde Denis Agca und Marko Steinbach aus den Augen verloren und ein paar Jahre nicht gesehen hatten. „Ich dachte, Denis wollte einfach an unsere Freundschaft anknüpfen“, erinnert sich Steinbach. Doch Agca hatte etwas anderes im Sinn: „Ich wollte, dass Marko seinen Job kündigt“, sagt der Bergisch Gladbacher und lacht.

Das sollte Steinbach tun, um in der Digital-Agentur smarteins anzufangen, die Agca nach seinem Abschluss in Wirtschaftsinformatik an der FHDW gegründet hatte. Ihm fehlte ein Designer, der die Aufträge nach den Vorstellungen seiner Kunden umsetzt, da er selbst von Design „keine Ahnung“ habe. „Marko war der beste, den ich kannte. Also habe ich mein Glück versucht“, sagt Agca.

Bergisch Gladbacher tauscht Sicherheit gegen Neuanfang

Und Glück hatte er: Steinbach, der am bib Design studiert hatte und zu dieser Zeit als Teamleiter in einer Düsseldorfer Agentur arbeitete, kündigte zwei Wochen nach dem Abendessen seinen Job. Agenturen seien dafür bekannt, dass sie ihre Mitarbeitenden schnell ausbrennen und das habe Steinbach auch gemerkt. Den Job als Teamleiter habe er noch nicht lange gemacht, als Agca mit seinem Angebot auf ihn zukam. Trotzdem entschied er sich für einen Neuanfang.

„Meine Eltern waren geschockt, dass ich meinen guten Job, in dem ich zehn Mitarbeitende hatte, quasi für nichts aufgebe. Sie können mit Start-ups nicht so viel anfangen“, erzählt Steinbach und lacht. So ganz hätten sie sich auch immer noch nicht daran gewöhnt. Es komme immer noch zu „Kulturschocks“, das letzte Mal, als die beiden eine siebenstellige Summe von einem Investor erhalten und sehr zeitnah investiert haben.

Overather Start-up organisiert sich neu

Dieses Geld haben sie nicht etwa für eine besonders schöne Webseite bekommen. Aus smarteins ist in der Zwischenzeit „Vulcavo“ geworden und die beiden bauen keine Webseiten mehr, sondern bieten jetzt digitale Lösungen für Eigentümerversammlungen an. Damit hätten sie eine Nische gefunden, in der es bisher kaum Konkurrenz gebe und die auch für größere Investoren interessant sei.

Eine Hand hält ein Handy, auf dem die Vulcavo-Software zu sehen ist.

Über das Handy oderden Laptop können die Teilnehmenden abstimmen und erfahren sofort das Ergebnis.

Die Versammlungen würden oft nämlich noch so, wie bei den alten Römern ablaufen und bei vielen Hausverwaltungen gebe es seit Corona eine erhöhte Nachfrage nach digitalen Ansätzen. Möglich sind hybride Versammlungen seit der Pandemie, da erst dann ein entsprechendes Gesetzt verabschiedet wurde, das vor kurzem angepasst wurde: Eigentümerversammlungen können auch rein virtuell stattfinden.

Gesetzesänderung hilft Vulcavo

Für Vulcavo ein Vorteil: Viele Hausverwaltungen hätten hybride Versammlungen gemieden, da Kombination aus Präsenzteilnehmern und Onlineteilnehmern ist bei größeren Gruppen auch immer damit verbunden, technische Möglichkeiten für den hybriden Austausch zu schaffen, in Form von Mikrofonen oder Kameras, erklärt Steinbach. Außerdem hätte es Hausverwaltungen abgeschreckt, dass sie sich mit den Personen vor Ort und den Zugeschalteten um zwei Gruppen gleichzeitig hätten kümmern müssen.

„Viele Hausverwaltungen haben deshalb auf die rein virtuelle Eigentümerversammlung gewartet. Man klappt einfach den Laptop auf und kann versammeln“, erklärt er. Es müsste auch kein Versammlungsort mehr gebucht und organisiert werden und die Anreise entfalle komplett. Die Gesetzesänderung würden sie als Chance sehen, mit Hausverwaltungen in Kontakt zu treten und über das Thema der virtuellen Teilnahme hinaus, auch über die Digitalisierung und Prozessoptimierung zu sprechen.

Zufall führt Gründer zu neuer Idee

In die Nische seien sie „aus puren Zufall gerutscht“. Sie hätten versucht Toni Altindagoglu, Geschäftsführer der Pandion, eine Webseite zu verkaufen. Die wollte er nicht haben. Dafür brauchte er aber eine Lösung für eine Tochterfirma, die als Hausverwaltung mehrere Objekte betreut und deren Eigentümerversammlungen oft langwierig und unübersichtlich gewesen seien. „Wir waren selbst noch nie auf Eigentümerversammlungen und hatten mit dem ganzen Thema nichts zu tun. Aber wir haben trotzdem gesagt, dass wir eine Lösung finden. Und so hatten wir den Auftrag“, erinnern sich die beiden.

Seitdem hätten sie alles umstrukturiert, den Namen geändert und seien von Refrath nach Overath umgezogen, bis sie sich dazu entschieden haben, den Großteil der Arbeit von zu Hause zu erledigen. Das Wichtigste: Sie haben sich darauf spezialisiert, Eigentümerversammlungen einfacher zu gestalten. Sie hätten ausprobiert, Infos zusammengetragen und sich immer wieder mit Altindagoglu abgesprochen.

Vulcavo hat eine digitale Lösung gefunden

Schließlich haben sie eine Lösung gefunden: Mit der Software von Vulcavo können die Hausverwaltungen die Einladungen und Tagesordnungspunkte mit einem Baukastensystem zusammenstellen. „Wir sind dabei quasi Word und was unsere Kunden in die Einladung oder Tagesordnung reinschreiben, obliegt ihnen“, erklärt Agca. Die Eigentümer kommen über einen QR-Code mit ihrem Handy oder Laptop zu den Tagesordnungspunkten und können dort auch über diese Abstimmen.

Das Ergebnis ist sofort abrufbar. „Vorher mussten die Hausverwaltungen selbst durchzählen oder Drücker, wie sie die Zuschauer bei Wer wird Millionär haben, kaufen“, erklärt Agca. Die würden um die 3000 Euro kosten und öfter kaputt gehen. Außerdem erstellt die Software automatisch ein Protokoll.

Das Geld für die Entwicklung hätte die Pandion nicht zur Verfügung gestellt, „sie hat aber als unsere Spielwiese fungiert“, sagt Agca. Durch diese Zusammenarbeit hätten sie besser herausfinden können, was man für Eigentümerversammlungen wirklich braucht, als wenn sie nur an den Gesetzestexten orientiert hätten. „Das Gesetzt sieht zum Beispiel vor, dass die Vorlagen nicht mehr verändert werden dürfen, wenn sie einmal beschlossen sind. Also hatten wir am Anfang die Einstellung, dass an die Texte später nicht mehr bearbeiten kann“, sagt Steinbach. In der Realität müssten aber noch regelmäßig Fehler behoben werden. Also hätten sie diese Funktion zum Beispiel angepasst.

Die beiden hätten sofort gewusst, dass sie „etwas großem auf der Spur“ sind. Das hätte sich im Laufe der Jahre immer wieder bestätigt. Durch die Rückmeldung von Kunden und Investoren. Und besonders durch die neue Gesetzeslage.