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„Nicht mehr schmutzig und schlecht bezahlt“Handwerker in Rhein-Berg fordern Umdenken

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Dachdecker gehören zu den Berufen, in denen noch Auszubildende gesucht.

Rhein-Berg – Wie dringend die Handwerksbetriebe in der Region ausgebildetes Fachpersonal suchen, zeigt dieses Beispiel: Ein frischgebackener Geselle, der kürzlich nicht übernommen wurde, hatte nach einer Rundmail acht Angebote, sich bei Betrieben vorzustellen. „Junge Fachkräfte, die nach ihrer Ausbildung nicht von ihrem Betrieb übernommen werden können, haben beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Marcus Otto, Chef der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land.

Auch anlässlich der Internationalen Handwerksmesse in München wird der Bedarf in allen Gewerken deutlich und der Ruf nach Fachkräften immer lauter. Neben dem fehlenden Fachpersonal wirken sich der Krieg in der Ukraine, Materialmangel und auch die Corona-Situation so aus, dass Verbraucher oft lange auf Handwerker warten müssen. Momentan sei es eine Wartezeit von einigen Wochen bis zu vier Monaten, so Otto.

Nachwuchs will Wertschätzung

Kein Gewerk im Rheinisch-Bergischen Kreis ist bei Jugendlichen so gefragt, dass von einer üppigen Zahl an Bewerbern und Auszubildenden die Rede sein könnte. „Bei der Werbung um den Nachwuchs müssen sich Betriebe mehr einfallen lassen, um attraktiv zu sein“, stellt Otto fest. Denn jungen Menschen gehe es nicht nur ums Geld. „Sie legen großen Wert auf Wertschätzung, Team-Spirit und solche Dinge. Deshalb gibt es seit geraumer Zeit ein Umdenken in den Betrieben.“

Der Ausbildungsmarkt

Rund 180 freie Lehrstellen

Für den Nachwuchs sieht es nach Angaben der Kreishandwerkerschaft auf dem Ausbildungsmarkt aktuell sehr gut aus. Rund 180 freie Ausbildungsplätze gibt es im gesamten Innungsgebiet mit Rhein-Berg, Oberberg und Leverkusen. Davon sind mehr als 90 Lehrstellen im Rheinisch-Bergischen Kreis noch offen. Bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in Rhein-Berg gibt es die positive Tendenz, dass die Zahlen von 2021 und von 2020 erreicht werden, sogar ein leichtes Plus möglich ist, teilt die Kreishandwerkerschaft mit. 126 Ausbildungsverträge sind im Rheinisch-Bergischen Kreis bereits geschlossen. Im gesamten Innungsbezirk sind es bisher 326 Verträge. Im Jahr 2021 waren es 360 Lehrverträge, im Jahr 2020 – also vor Corona geschlossen – 391. Es sei ein dynamischer Prozess, da noch nicht alle Verträge bearbeitet seien. Weitere Verträge würden wahrscheinlich geschlossen. Auch haben Jugendliche noch die Möglichkeit sich zu bewerben. Aktuell wird in Rhein-Berg vor allem für den Ausbildungsberuf zum Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung und Klimatechnik sowie Dachdecker-Nachwuchs gesucht. (dr)

Ein Umdenken fordert der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft auch von der Politik. „Ich möchte mich Hans-Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, anschließen, der bei der Eröffnung der Handwerksmesse von der Notwendigkeit einer Bildungswende und eines Gleichwertigkeitsgesetzes gesprochen hat“, erklärt Otto.

Krisensichere Berufe

Die duale Ausbildung im Handwerk müsse endlich mit der akademischen Ausbildung gleichgestellt und ebenso anerkannt werden. Otto: „Das Handwerk ist längst nicht mehr laut, schmutzig und schlecht bezahlt. Es ist krisen- und zukunftssicher.“

Ziel der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land ist es, das Interesse junger Menschen an Handwerksberufen so früh wie möglich zu wecken. Praktische Unterrichtsfächer an allen Schulen wären ein richtiger und wichtiger Schritt.

Werkunterricht an Schulen

Würde der Werkunterricht wieder eingeführt, nicht nur in der Grundschule, oder auch das Fach Wirtschaft in den weiterführenden Schulen angeboten, könnten Schülerinnen und Schüler für das praktische Handwerk sensibilisiert werden.

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Marcus Otto, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land

Für Marcus Otto liegt eine Voraussetzung, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, klar auf der Hand: „Es braucht in Politik und Gesellschaft die Erkenntnis, welche anspruchsvollen Inhalte die modernen Ausbildungsberufe haben. In Schulen, vor allem Gymnasien, und bei den Eltern muss viel stärker berücksichtigt werden, dass eine Ausbildung im Handwerk niemals nur Plan B ist.“

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Der Geschäftsführer weist auf mögliche Weiterbildungen nach der Ausbildung hin. Einige junge Leute würden ein Studium anschließen und andere hätten einfach Spaß an ihrem Beruf, den sie sich ausgesucht haben. Dass sich die Situation am Lehrstellenmarkt positiv entwickelt, zeigen die aktuellen Zahlen.

Das Handwerk in der Praxis will die Kreishandwerkerschaft wieder auf Ausbildungsmessen und Veranstaltungen vorstellen. Um die Betriebe bei der Suche nach dem Fachkräftenachwuchs zu unterstützen, wurde eine Azubi-App entwickelt. Mit dem Smartphone können sich Jugendliche über diese App Informationen zu Ausbildungsberufen und freien Lehrstellen suchen. Außerdem werden 13 Berufe in einer Videokampagne „Ausbildung im Handwerk“ vorgestellt, gemacht von jungen Leuten. Die Lehrstellenbörse, der Berufe-Check und die App sind über die Internetseite der Kreishandwerkerschaft zu finden.