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Kreishaus berichtetReaktivierter Krisenstab beantwortet Fragen der vergangenen Wochen

Lesezeit 5 Minuten

Probleme bei der Pandemiebekämpfung im vergangenen Monat und ihre Lösung erläuterte der reaktivierte Krisenstab.

Rhein-Berg – Dass das Krisenmanagement im Kreishaus mit der weitgehenden Stilllegung des Krisenstabs durch Landrat Stephan Santelmann vor fünf Wochen ins Wanken geriet, war an den täglich auch in dieser Zeitung berichteten Meldeverzögerungen und erheblichen nachträglichen Korrekturen zu sehen.

Zu Hintergründen und den Maßnahmen, mit denen man im Kreishaus die Krise nun wieder in den Griff bekommen hat, haben Mitglieder des seit vergangenen Freitag wieder vollumfänglich aktivierten Krisenstabs jetzt in einer Pressekonferenz Auskunft gegeben – auch zu Fragen, die vor dem Wiederhochfahren des Krisenstabs und seiner Stabsstelle für „Bevölkerungsinformation- und Medienarbeit“ über Wochen unbeantwortet geblieben waren.

Warum kam es zu den Verzögerungen bei der Meldung von Neuinfektionen an das Land, die nachträgliche Korrekturen der für die Pandemielage entscheidenden Sieben-Tages-Inzidenz von bis zu rund 60 Zähler nach sich zogen?

Dezernent Markus Fischer, der das Lagezentrum koordiniert, nennt mehrere Gründe: Seit Anfang April sei die digitale Meldung der Infektionszahlen über das bundesweite „Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz“ , kurz Demis, umgesetzt gewesen. Über den elektronischen Meldeweg aber liefen von den Testlaboren nicht nur Neuinfektionen beim Kreis ein, sondern auch die Ergebnisse von Nachtestungen zur Variantenbestimmung oder Zweittests von Infizierten.

Diese mussten mit erheblichem Mehraufwand an Arbeit heraussortiert werden, damit tatsächlich nur die Neuinfektionen ans Land gemeldet wurden. Gleichzeitig gab es die vom Kreis bereits gemeldeten technischen Probleme bei der Meldung ans Land. Darüber hinaus aber auch noch, so Fischer, ein Labor, das aufgrund von technischen Problemen mehr als 400 Testergebnisse doppelt an den Kreis gemeldet habe, die ebenfalls händisch heraussortiert werden mussten. Und bei alledem fehlte dem Lagezentrum Personal.

Warum ist dann nicht kurzfristig das Personal im Lagezentrum aufgestockt worden wie das ja auch in den Monaten seit März 2020 bei Bedarf immer wieder der Fall gewesen war?

Das zentrale Steuerungselement in solchen Fällen sei der Krisenstab, erläutert Fischer kurz. Dieser aber war wie berichtet bis auf Rumpffunktionen heruntergefahren. Der Landrat hatte mit einzelnen Personen aus dem Krisenstab selbst das Krisenmanagement übernommen. Ob es daran lag, dass Personal nicht kurzfristig aufgestockt wurde, dazu gab es in der Pressekonferenz keine Aussage. Tatsächlich aber gab es beim Personal offenbar eine nicht unerhebliche Fluktuation, auch weil sich Mitarbeiter mit Zeitverträgen wegbewarben und nicht zeitnah ersetzt wurden.

Warum gelang es nicht, dass die Arbeit des Krisenstabs von der „normalen“ Verwaltung übernommen wurde, wie dies Landrat Santelmann bereits Wochen vor seiner Erkrankung angekündigt hatte?

Ein Krisenstab ist gerade deshalb für Kreise und kreisfreie Städte vorgeschrieben, um in einer Krise schnelle Entscheidungen treffen zu können und auf alle beteiligten Abteilungen innerhalb der Verwaltung und Partner außerhalb wie die Hilfsdienste und Feuerwehren Zugriff zu haben, wie Cassandra Staehler, die hauptamtlich für den Krisenstab des Kreises zuständig ist, erläuterte. Dazu würden die in den Krisenstab berufen Mitglieder speziell geschult, seien bei Bedarf rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr im Mehrschichtbetrieb im Einsatz, was zudem regelmäßig geübt werde.

Das System Krisenstab funktioniert aber nur, wenn der Krisenstab – wie Staehler aus den rechtlichen Vorgaben zitierte – tatsächlich alle zur Krisenbewältigung erforderlichen Entscheidungen treffen kann, er alleiniger Ansprechpartner in Angelegenheiten der Krise ist und Zugriff auf und Weisungsbefugnis gegenüber allen Bereichen hat, die zur Krisenbewältigung notwendig sind.

Hatte der Krisenstab denn nicht alle erforderlichen Kompetenzen und Instrumente für seine Arbeit?

Nein, und das nicht erst als seine Expertise und Warnung vor Lockerungen nach Ostern übergangen wurden und der Landrat im Schulterschluss mit den Bürgermeistern die Landesnotbremse aushebelte. Schon Monate zuvor war Ende 2020 das neu eingerichtete Impfzentrum nicht – wie es nötig gewesen wäre – in den Krisenstab integriert, sondern allein der Leitung des Landrats unterstellt worden.

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Laut der rechtlichen Vorgaben sollte er als politisch Verantwortlicher eigentlich über dem Krisenstab stehen, nicht aber einzelne Funktionen aus dem Krisenstab an sich ziehen, weil damit die Steuerungsfunktion des Krisenstabs eingeschränkt wird. Weitere Einschränkungen gab es zudem zeitweise, weil der Krisenstab – bei der Einführung digitaler Strukturen – nicht den direkten Zugriff auf alle Abteilungen wie etwa die der IT hatte.

Wie hat man im Kreishaus das Krisenmanagement nun wieder in den Griff bekommen?

Indem Personal aus anderen Bereichen abgezogen und für den Abbau aufgelaufener Infektionsmeldungen eingesetzt wurde. Mit dem vollständigen Wiederhochfahren des Krisenstabs hat dessen Leiter, Kreisdirektor Dr. Erik Werdel, auch den „Impfstrang“ in den Krisenstab integriert, so dass nun alle für die Pandemiebewältigung relevanten Teile darin gebündelt sind.

Spielte die Digitalisierung dabei auch eine Rolle?

Laut Dezernent Fischer ist die Kontaktpersonennachverfolgung bereits sehr früh im vergangenen Jahr auf ein von der eigenen IT des Kreishauses entwickeltes digitales System umgestellt worden. Diese habe dazu beigetragen, dass man im Lagezentrum, in dem man während der ersten Pandemiewelle noch mehr als 140 Mitarbeitende benötigt habe, die zweite Welle bei mehr Fällen mit 100 Mitarbeitern gemeistert habe.

Wie sieht es mit einer Einführung der bundesweit auf dem Vormarsch befindlichen Sormas-Software aus, die vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und Deutschen Zentrum für Infektionsforschung entwickelt wurde?

„Unsere Software ist genauso leistungsfähig wie Sormas“, sagt Dezernent Fischer, gleichwohl werde auch der Rheinisch-Bergische Kreis auf Sormas umstellen. Die Administratorenschulungen hätten bereits stattgefunden, so Fischer. Allerdings mitten in der dritten Welle umzustellen, sei nicht sinnvoll gewesen, erläutert er. Das sähen auch zahlreiche andere Kreise so. Bisher arbeiteten erst 15 von 53 Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen mit Sormas.