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Nachruf auf Philomena Franz„Wenn wir hassen, verlieren wir“

Lesezeit 3 Minuten
Philomena Franz auf dem Empfang zu ihrem 100. Geburtstag in Rösrath.

Philomena Franz (100), Ehrenbürgerin von Bergisch Gladbach und Auschwitz-Überlebende, ist gestorben.

Philomena Franz, Auschwitz-Überlebende und Bergisch Gladbacher Ehrenbürgerin, ist mit 100 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Im Alter von 100 Jahren ist die Bergisch Gladbacher Ehrenbürgerin Philomena Franz gestorben. Als Sintiza wurde sie vom Nazi-Regime verfolgt und überlebte das Konzentrationslager Auschwitz. Nach 1945 engagierte sie sich als Zeitzeugin, verarbeitete ihre Erfahrungen als Autorin und setzte sich für Versöhnung ein.

Dafür wurde sie vielfach ausgezeichnet – mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, mit dem Preis „Frauen Europas“ der Europäischen Bewegung Deutschland, mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und der Ehrenbürgerwürde der Stadt Bergisch Gladbach.

„Wir Überlebende sind gezeichnet“, schrieb sie in ihrer 1985 erschienenen Autobiografie „Zwischen Liebe und Hass“ angesichts des Holocaust. „Aber eines hat mich mein Leben gelehrt: Wenn wir hassen, verlieren wir. Wenn wir lieben, werden wir reich.“ Daher wolle sie „nicht anklagen“, sondern mit ihren Berichten an das Geschehene erinnern. Die Leiden der Sinti und Roma sollten „einen Platz in der Geschichte finden“.

Wir Überlebende sind gezeichnet.
Philomena Franz, Holocaust-Überlebende

Für Kinder schrieb Franz das Buch „Zigeunermärchen“, in dem sie nicht nur Märchen erzählte, sondern auch in die Kultur der „Zigeuner“ einführte. Ihre Seite als Lyrikerin zeigte sie in der Gedichtsammlung „Tragen wir einen Blütenzweig im Herzen, wird sich immer wieder ein Singvogel darauf niederlassen“.

Philomena Franz wurde 1922 im württembergischen Biberach in eine renommierte deutsche Sinti-Musikerfamilie hineingeboren und wuchs in Oberschwaben auf. Schon in ihrer Jugend stand sie als Sängerin auf der Bühne.

Von Kindheit an erfuhr sie aber auch die Ausgrenzung und Verfolgung durch das NS-Regime – zunächst mit Schulverbot, Berufsverbot und Zwangsarbeit. Schließlich wurde sie ins KZ Auschwitz deportiert. Sie überlebte, aber ihre Eltern, Onkel, Neffen, Nichten und fünf ihrer sieben Geschwister wurden ermordet.

Philomena Franz trägt sich am 22. Juli zu ihrem 100. Geburtstag in das Goldene Buch der Stadt Bergisch Gladbach ein.

Im Juli 2022 trug sich Philomena Franz in das Goldene Buch der Stadt Bergisch Gladbach ein.

In „Zwischen Liebe und Hass“ beschrieb Franz ihren Leidensweg in den Konzentrationslagern Auschwitz, Ravensbrück, Oranienburg und erneut Auschwitz. Sie berichtete von Flucht und erneuter Verhaftung sowie einer 1945 geglückten Flucht, bis sie bei der sowjetischen Armee schließlich in Sicherheit war.

Rösrath: Philomena-Franz-Forum gegründet

Sie schilderte Unmenschlichkeit, aber auch Solidarität: Eine Schulfreundin hielt zu ihr bis zu ihrer Deportation, nach ihrer zweiten Flucht aus dem KZ nahm ein uniformierter Mann sie in seinem Haus auf. Dass sie mehrfach nah am Tod war und doch überlebte, betrachtete Franz als göttliche „Vorsehung“: Gott habe ihr einen „Schutzengel“ geschickt, damit sie über ihr Leiden während der Nazi-Herrschaft berichten könne.

Nach 1945 trat die glücklich Überlebende wieder in einer Sinti-Musikergruppe auf, gründete eine eigene Familie und brachte fünf Kinder zur Welt. Sie litt aber unter Alpträumen und schweren Depressionen. Durch die Aufarbeitung des Vergangenen fand sie einen Ausweg: „Ich musste über meine Leiden sprechen“, erklärte sie.

Schließlich sah sie das als Lebensaufgabe an. 2021 sagte sie im Interview mit dieser Zeitung, es sei seit Jahrzehnten ihr Anliegen, „für die jungen Menschen da zu sein. Das ist sozusagen mein Beruf geworden. Deswegen gehe ich in die Schulen und erzähle von meinem Leben. Davon verspreche ich mir sehr viel.“

Philomena Franz 2013 inmitten von Schülern des AMG in Bensberg.

Philomena Franz, hier 2013 inmitten von Schülern des AMG in Bensberg, erzählte ihre Geschichte.

In Rösrath, wo sie vor ihrem Umzug nach Bergisch Gladbach viele Jahre lebte, wurde Anfang 2021 der Verein Philomena-Franz-Forum gegründet, der an ihr Lebenswerk anknüpft. „Ihr Name ist Programm für uns“, sagte der Vereinsvorsitzende Matthias Buth zu der Nachricht von ihrem Tod. „Sie war eine wunderbare Frau und ein toller Mensch.“

Zum letzten Geburtstag von Franz am 21. Juli organisierte der nach ihr benannte Verein das Programm „100 Jahre Philomena Franz“, im Mittelpunkt stand eine wissenschaftliche Tagung im Rösrather Schloss Eulenbroich. Der Tod der 100-Jährigen kam unerwartet, sie hatte noch mit Angehörigen Weihnachten gefeiert. Danach sei sie in der Nacht auf Mittwoch „friedlich in ihrem Bett eingeschlafen“, teilte das Philomena-Franz-Forum mit.