Stadtverwaltung berichtetDas Logbuch der Sülz-Sintflut in Rösrath
Rösrath – Die Bewältigung der großen Flut vom 14./15. Juli wird dauern. Lange dauern. Neben einem Todesopfer, mehr als zwölf Millionen Euro Schaden an der öffentlichen Infrastruktur sowie immensen Schäden an Privathäusern haben die Wassermassen auch zu nicht-materiellen Verwerfungen geführt, wie die Sitzung des Rösrather Zukunftsausschusses am Mittwochabend in der Turnhalle des Gymnasiums deutlich machte.
Wieso hat die Feuerwehr-Leitstelle des Kreises zweimal einen Sirenenalarm zur Warnung der Sülz-Anlieger verweigert? Wieso ist der Krisenstab des Kreises, die originär zuständige Katastrophenschutz-Behörde, erst am 15. Juli um 11 Uhr aktiviert worden? „Da waren wir schon fast 24 Stunden im Einsatz“, sagt Christoph Herrmann, Fachbereichsleiter Bauen und Umwelt und an diesem Abend in der Turnhalle fast Alleinunterhalter. Bürgermeisterin Bondina Schulze (Grüne) lässt ihrem Fachmann den Vortritt.
Umwelt-Fachbereichsleiter kritisiert Verwaltung
An die 50 Bürgerinnen und Bürger verfolgen die Sitzung mit hoher Disziplin. Fast alle bemühen sich um einen zivilen, respektvollen Ton. Gelegentlich gibt es Beifall, was es an diesem Abend nicht gibt, sind Beleidigungen, höchstens mal eine äußerst zugespitzte Frage. „Warum hat uns der Kreis im Stich gelassen?“, formuliert die vormalige SPD-Landrats-Kandidatin und Parteivorsitzende Tülay Durdu.
Umwelt-Fachsbereichsleiter Christoph Herrmann gibt einen ausführlichen Überblick über Abläufe und die Lage und macht keinen Hehl daraus, dass er „angefressen“ ist. Er erwähnt, dass sich die Stadtverwaltung am Mittwoch, 14. Juli, um 14 Uhr zusammengesetzt habe. „Da war die Sülz noch niedrig, aber in Hagen war schon Land unter.“
Wöllnerstift in der Nacht evakuiert
Um 15 Uhr habe die Feuerwehr einen Meldekopf gebildet, um 16 Uhr sei der Krisenstab der Stadt aufgestockt worden, um 17.30 Uhr nach einem Hangrutsch die erste Straße gesperrt, um 18.20 Uhr der Campingplatz geräumt worden, um 19.30 Uhr habe die Feuerwehr Lautsprecherdurchsagen gemacht, um 20 Uhr der Kreis den Sirenenalarm abgelehnt, um, wie später Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden erklärte, nicht den Notruf durch Nachfragende lahmzulegen.
Später in der Nacht wurde das Wöllnerstift evakuiert. Am Morgen stand das Rathaus unter Wasser, die Verwaltung musste sich wieder handlungsfähig machen. Stand 3. August betrage der Schaden an der Infrastruktur 12,2 Millionen Euro, er werde sich aber noch erhöhen.
Wasser an Stellen, wo es nie vermutet wurde
Als Sofortmaßnahme seien dann die Brücken kontrolliert worden: „Im Vergleich zum Ahrtal sind wir noch glimpflich davongekommen.“ Herrmann kritisiert indirekt die Nachbarstadt Overath wegen der dort bislang nicht begrabenen Pläne für ein neues Gewerbegebiet an der Sülz: Da sei Rösrath wohl schon ein bisschen weiter.
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In der Flutnacht sei der Pegel so hoch gestiegen, dass Wasser an Stellen geflossen sei, „an denen wir das nie vermutet hätten“. Gleichwohl sagt er bitter: „Wenn wir in drei Monaten irgendwo einen Damm aufschütten wollen, werden wieder Bedenkenträger kommen und auf Gräser und Laubfrösche hinweisen. Dann wird sich die Solidarität wieder in den einzelnen Fachsichten verlieren.“
Ganz so schlimm ist es am Mittwochabend noch nicht: Da beschloss der Zukunftsausschuss einstimmig, den Flächennutzungsplan im Bereich des Sülzbogens zu ändern, um sicherzustellen, dass sich dort künftig nur noch die Natur austoben darf, aber kein Grundbesitzer und kein Bauträger – und das, obwohl damit auch der Stadt als Grundbesitzerin satte Einnahmen verlorengehen.