Ein vorbestrafter Intensivtäter aus Rösrath hat ein halbes Jahr unschuldig in Haft gesessen. Jetzt wurde der 21-Jährige freigesprochen.
FreispruchRösrather Intensivtäter saß ein halbes Jahr unschuldig in Haft
Nach einem halben Jahr Untersuchungshaft ist am Montag ein als Intensivtäter bekannter 21-jähriger Rösrather vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und aus der Haft entlassen worden. Zuvor hatten sich mehrere junge Männer aus seiner Clique vor Gericht als die wahren Täter eines Übergriffs auf eine Gruppe Overather Jugendlicher bezichtigt. Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode bezeichnete die Polizeiarbeit als „Skandal“. Auch die Staatsanwältin hatte Freispruch gefordert.
Dem Angeklagten steht nun eine Entschädigung für die U-Haft zu: nach Angaben seines Verteidigers 75 Euro pro Tag, also rund 15 000 Euro. Der junge Mann war vor Jahren als Waise durch Flucht von Nordafrika über Italien und die Niederlande nach Deutschland gekommen. Ein Dutzend Freunde begrüßte ihn leise, aber mit herzlichen Umarmungen in der Freiheit.
Im Vormonat als Räuber auf dem Gladbacher Stadtfest verurteilt
Von seinen Vorstrafen her hätte man Ahmed A. (Name geändert) den neuerlichen Übergriff am 26. Mai 2023 durchaus zutrauen können. Overather Jugendlicher waren wie berichtet auf dem Rückweg von einem Handballspiel am Rösrather Bahnhof in eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe dort „chillender“ Jugendlicher hineingezogen worden.
Ein Overather meinte anschließend, auf einem Instagram-Video A. zu erkennen. Die Beamten nahmen A. fest, eine Jugendrichterin schickte den jungen Mann, der erst kurz zuvor, am 24. April, wegen eines Raubes am Rande des Bergisch Gladbacher Stadtfest zu einem Jahr Jugendhaft auf Bewährung verurteilt worden war, am 28. Juni in Untersuchungshaft.
Was danach passiert sein soll, ist das, was Jurist Bode gestern als Skandal geißelte: Mehrere Jugendliche aus Ahmeds Clique pilgerten nach eigenem Bekunden zur Polizeiwache Untereschbach, um sich dort selbst zu bezichtigen, wie sie am Montag aussagten. Sie seien vertröstet worden: Die zuständige Sachbearbeiterin sei krank, die Polizei werde sich bei ihnen melden. Das sei nie passiert.
Dazu Bode: „Es ist allgemein bekannt, dass immer weniger Leute zum Arbeiten da sind“ Aber bei einer so wesentlichen Wende könnten die Beamten nicht untätig bleiben, sondern müssten die Information weiterleiten: „Wo zum Teufel ist der Bericht der Polizei?“
Im Prozess hatten zuvor vier Freunde aus dem Umfeld des Angeklagten aus Rösrath und Köln ausgesagt: Sie hätten am Bahnhof „gechillt“, die grölenden Overather seien gekommen und auch Flaschen geflogen. Einer der Chillenden, Martin, habe die Overather gefragt, was das solle und dann auch zugeschlagen. Weitere aus der Rösrather Gruppe seien gekommen und hätten auch geprügelt, aber Ahmed sei nicht dagewesen.
Staatsanwältin spricht von „komischem Beigeschmack“
Martin habe einen roten Trainingsanzug und eine weiße Baseball-Kappe getragen, anhand derer der verprügelte Overather Ahmed als Täter erkannt zu haben meinte. Martin (16) zeigte im Gericht sogar ein Foto, auf dem er laut Richter Ertan Güven tatsächlich Ähnlichkeit mit Ahmed hatte. Die Zeugen gaben weiter an, sie hätten es nicht ertragen können, dass ein Unschuldiger in Haft sitze.
Angesichts dieser Aussagen forderte sogar die Staatsanwältin Freispruch, sprach aber von einem „komischen Beigeschmack“. Der möglichen Deutung, die Rösrath-Zeugen könnten ihre Aussage abgesprochen haben, trat Verteidiger Bode entgegen: „Wir haben es hier nicht mit der Mafia zu tun, sondern mit jungen Männern zwischen 16 und 18 Jahren. Wer sollte denn mit ihnen so ein Schauspiel einstudiert haben?“
Verteidiger: Es geht nicht um Mord oder Bankraub
Auch gehe es nicht um Mord oder Bankraub, sondern um Körperverletzung, so der Jurist weiter. Die Zeugen hätten keineswegs nervös gewirkt und schlüssig berichtet. Sie hätten keinen Grund, sich selbst zu bezichtigen und ihre Aussagen später zu widerrufen, schließlich drohe ihnen dann eine Strafe wegen Falschaussage, die höher sei als die für Körperverletzung.
Salomonisch urteilte am Ende das Jugendschöffengericht. Ob da wohl etwas abgesprochen gewesen sein könnte, möge jeder für sich selbst entscheiden. Richter Güven: „Für eine Verurteilung reicht es jedenfalls nicht. Darum war der Angeklagte freizusprechen.“