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HoffnungsthalEin Drittel des Waldes auf dem Lüderich vom Borkenkäfer zerstört

Lesezeit 5 Minuten

Die neuen Ausblicke vom Lüderich sind durch eine Katastrophe für die Forstwirtschaft entstanden, die nun für einen neuen Wald erneut kämpfen muss.

Hoffnungsthal – „Was für ein Ausblick“, staunt der Wanderer und zückt sein Handy für ein Foto. Joachim Freiherr von Lüninck blutet das Herz. Er kennt die Kehrseite der neuen Fernsichten, die sich zurzeit vom Lüderich zwischen Rösrath und Overath bieten. Rund ein Drittel seiner Waldflächen hat er abholzen müssen, nachdem Borkenkäfer und Trockenheit Bestand um Bestand dahingerafft haben. 40.000 neue Bäume hat er im Herbst gepflanzt. Doch auch sie sind schon wieder bedroht. Nicht vom Borkenkäfer, sondern vielmehr durch die, die unbedacht die neuen Ausblicke vom Lüderich genießen wollen und dabei oftmals nicht auf den ausgewiesenen Wegen bleiben.

„Ich habe nichts gegen diejenigen, die hier vielleicht mit ihrer Familie Erholung suchen“, sagt von Lüninck, „ich habe selbst sechs Kinder und weiß, wie wichtig es ist, gerade in dieser Zeit hinaus in die Natur zu können.“ Manchmal aber traut der Waldbauer, der den Familienbetrieb im Nebenerwerb führt, seinen Augen nicht. „Da laufen oder fahren die Menschen mitten durch die frisch gepflanzten neuen Bestände.“

An zahlreichen Stellen hat von Lüninck daher Absperrungen montieren müssen und noch mehr Schilder aufgestellt. Denn er möchte die Waldnutzer sensibilisieren, nicht neben den Wegen zu wandern oder gar mit Mountainbikes durch Schonungen zu brettern. „Warum wir Ihre Hilfe brauchen“ steht auf den Infoschildern an den neu gepflanzten Beständen. Auf den Tafeln erläutert er, wie er im Herbst den „Umbau zum hoffentlich klimastabileren Wald“ auf dem Lüderich gestartet hat. 40 Hektar zerstörte Fichtenbestände hatte er abholzen müssen. Für die 20 000 Festmeter bekam er kaum mehr als das Fällen gekostet hat. „Der Markt in Deutschland ist am Boden“, sagt der Waldbauer. „Mehr als die Hälfte des Schadholzes geht nach China, aber schon der Transport kostet derzeit eine Menge.“

Die durch Borkenkäfer und Trockenheit zerstörten Flächen will Joachim Freiherr von Lüninck, hier mit Ehefrau Elisabeth und den beiden jüngsten der sechs Kinder, klimastabiler wieder aufforsten.

Dabei würde von Lüninck viel lieber das Holz an hiesige Verarbeiter verkaufen. „Einen nachhaltigeren Baustoff, den wir hier in Deutschland produzieren könnten, gibt es doch gar nicht“, plädiert er für mehr Holz und weniger Beton auch beim Wohnhausbau. Allein: Dazu sei wohl erst noch ein gutes Stück Umdenken nötig. Dabei arbeiteten in Deutschland mehr Menschen in Forstwirtschaft und Holzverarbeitung als in der Autoindustrie. „Nur hat die Forstwirtschaft überhaupt keine Lobby“, bedauert von Lüninck.

Verhalten im Wald

Um Konflikte zwischen Wanderern und wirtschaftlichen Nutzern von Wald zu vermeiden, empfiehlt Joachim Freiherr von Lüninck aus Rösrath:

Der Wald ist ein Naturraum. Schon der Tier- und Pflanzenwelt zuliebe sollten Wanderer auf den Wegen bleiben und Müll wieder mitnehmen.

Fahrzeuge nur auf ausgewiesenen Parkflächen am Waldrand abstellen.

Der Wald ist ein Wirtschaftsraum. Wenn Wege für Waldarbeiten kurzzeitig gesperrt werden, hat das seinen Sinn. Wer dennoch weitergeht, bringt sich und andere in Gefahr. Wer sieht, dass ein Baum gefällt wird, muss mindestens zwei Baumlängen Abstand halten. Zunächst Sichtkontakt mit dem Waldarbeiter herstellen, erst dann gegebenenfalls weitergehen oder umkehren.

Wanderer sollen unbedingt auf den in amtlichen Karten verzeichneten Wirtschaftswegen und Pfaden bleiben.

Reiten ist im rheinisch-bergischen Wald außerhalb ausgewiesener Reitwege verboten. Mit Fahrrädern nicht außerhalb von Wegen fahren. Mit Motorfahrzeugen grundsätzlich nicht durch den Wald fahren. „Bauen Sie keine Trails, Sprünge, Kurven oder Ähnliches“, appelliert Joachim von Lüninck an die Mountainbiker. Und: „Löschen Sie in Ihren Online-Routen wie auf Open-Street-Map oder Komoot alle über Waldflächen führenden Pfade und Wege.“

Wandern im Wald erfordert entsprechendes Schuhwerk. Nicht alle Wege können immer frisch geschottert sein. Bei naturnahen Pfaden ist das von Seiten der Wanderer auch gar nicht erwünscht. „Dann aber müssen sie sich mit entsprechend festem Schuhwerk auch darauf einstellen“, so von Lüninck.

Nicht auf Jagd-Hochsitze steigen. In keinem Fall im Wald rauchen oder Feuer entfachen.

Auch bei den Neuaufforstungen muss er kräftig drauflegen. „Es gibt Hilfen vom Staat, die aber sind marginal“, sagt er. Und die Sauerstoffproduktion oder die Erholungsnutzung, die zigtausenden Spaziergängern, Wanderern und Radfahrern alljährlich durch den Wald zugute komme, bekomme er als Waldbesitzer auch nicht vergütet. Allein die Verkehrssicherungspflicht auf den neu ausgewiesenen, besonders beworbenen Wegen des Bergischen Wanderlands habe die Stadt Rösrath für eine bestimmte Zeit übernommen. 40 000 Nadelbäume hat von Lüninck bereits im Herbst aus eigenen Mitteln neu gepflanzt. Douglasie, Schwarzkiefer, Küstentanne – allesamt Baumarten, bei denen Experten davon ausgehen, dass sie dem Klimawandel besser standhalten als die Fichte.

Waldbauer hofft auf Umdenken

40.000 Laubbäume sollen im Frühjahr folgen. Das landesweite Waldbaukonzept sieht vor allem Buchen vor, Traubeneichen und Roteichen kommen hinzu. Von Lüninck will dazu auch Schwarznuss und Kirsche pflanzen. „Vielleicht ist auch Kirschholz in 30 bis 40 Jahren wieder gefragt“, hofft der Waldbauer auf ein Umdenken nicht zuletzt der „Fridays for Future“-Generation. „Es ist doch viel besser, unser Holz zu verwerten, als Holz aus Sibirien zu importierten.“

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„Für die nächsten 50 Jahre ist es nach der Katastrophe mit einem Plus aus dem Nebenerwerbsbetrieb ohnehin Essig“, sagt der hauptberuflich als Einkaufsberater tätige Familienvater und denkt neben seinen Kindern auch bereits an die potenzielle Enkelgeneration. „Wenn wir etwas pflanzen, haben erst die etwas davon.“

Bei zehn bis 30 Prozent der bisher bewaldeten Flächen hat er vor, sie nicht neu zu bepflanzen. Hier soll sich selbstständig Wald entwickeln können, sogenannte Naturverfügung. „Birke, Erle und andere Pionierbaumarten“, sagt von Lüninck, der das Haus seiner Familie längst mit Hackschnitzelheizung heizt. „Unsere Wärme kommt zu 100 Prozent vom Lüderich“, sagt er und möchte auf sein Leben mit dem Wald nicht verzichten. Auch wenn das unter den Rahmenbedingungen oft ein harter Kampf sei. „Da muss man schon Herzblut für haben, wenn es einem da ums Geld ginge . . . auweia, dann wäre man da falsch.“