Alina Dahmen möchte mit ihrer Masterarbeit für mehr Artenschutz sorgen. Deswegen bezieht sie auch die Tierpfleger mit ein.
„Wo ist der Boss?“Studentin beobachtet die Persönlichkeiten der Gorillas im Kölner Zoo
„Wo ist der Boss?“, fragt ein kleiner Junge seine Mutter. Mit Boss meint das Kind das Gorilla-Männchen im Urwaldhaus des Kölner Zoos. Hier beobachtet Alina Dahmen für ihre Masterarbeit die fünf Gorillas des Zoos.
Der Westliche Flachlandgorilla kommt in Zentralafrika vor und ist auf der Roten Liste vom Aussterben bedroht, beispielsweise durch Lebensraumverlust. Der Kölner Zoo sowie auch weitere europäische Zoos managen eine Population in Menschenobhut als Reserve für die Wildpopulationen, aber auch um die Menschen über dieses Wesen zu informieren und ihre Notlage aufzuklären.
Seit drei Wochen verbringt die gebürtige Gladbacherin mit ihrem Tablet mehrere Stunden täglich im Urwaldhaus und lässt die Affen nicht aus den Augen. Ziel ihrer Untersuchung ist, es anhand Verhaltensbeobachtung die verschiedenen Persönlichkeitstypen von Gorillas herauszufinden. Eigentlich wohnt Alina seit fünf Jahren in England. Dort studiert sie an der University of the West of England in Bristol (UWE Bristol).
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Die Persönlichkeiten der Affen
Für den Zeitraum ihrer Studie im Kölner Zoo wohnt sie bei ihren Eltern in Rösrath. Doch wieso Gorillas? Und seit wann haben Affen Persönlichkeiten? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, besuche ich Alina im Kölner Zoo. Mein Name ist am Eingang bereits hinterlegt. Ich werde durch einen Seiteneingang reingelassen und von Alina abgeholt. Als wir im Urwaldhaus ankommen, findet soeben die Fütterung der Gorillas statt.
Die Luft ist warm und feucht. Die Tierpfleger verteilen verschiedene Gemüsesorten, wie Möhren, Auberginen, Zucchinis und sogar ganze Salatköpfe im Gehege. Jetzt werden die Gorillas wieder ins Gehege gelassen. Insgesamt gibt es fünf Gorillas im Kölner Zoo: Gina, N'Datwa auch „Daggi“ genannt, Kito, Kissa und Kiano. Gina und Daggi, die älteren Gorilla-Damen, sind jeweils 42 und 34 Jahre alt.
Der Silberrücken oder der Boss, wie Kinder ihn nennen, ist Kito, Sohn von Gina. Kito ist 20 Jahre alt, genau wie die junge Gorilla-Dame Kisa. Kitos und Kissas Sohn Kiano ist mit acht Jahren der jüngste Gorilla im Gehege.
Gorillas auf Futtersuche im Kölner Zoo
Nach und nach suchen sich die Fünf ihr Futter zusammen. Mal ein Stück Möhre vom Boden hier und mal ein großer Salatkopf da. Gina klettert mit Salat in ihren Händen und einer Aubergine im Fuß rauf auf ein Holzpodest. Ich bin beeindruckt. Dort setzt sie sich hin und isst mit ausgestreckten Beinen und geradem Rücken ihr Essen. Genau wie ein Mensch.
Auch Kito gibt ein lustiges Bild ab und tut es Gina gleich, während er seinen Salat isst. Einen muskulösen Gorilla, der sich wie ich zum Essen hinsetzt, sehe ich nicht alle Tage. Während die Affen ihr Abendessen zu sich nehmen, beobachtet Alina mithilfe ihres Tablets fokussiert das Verhalten der Gorillas.
Erkenntnis über Persönlichkeit soll Haltung von Affen verbessern
Mithilfe des Programms Zoomonitor hält sie ihre Beobachtungen fest, erklärt sie mir. Im Programm stehen die Namen der Gorillas, außerdem kann Alina angeben, welche Verhaltensformen die Gorillas an den Tag legen, wie Essen, Liegen, miteinander Spielen oder sich auf die Brust schlagen.
Auch die Temperatur und das Wetter bezieht Alina in ihre Beobachtungen mit ein. Innerhalb eines Zeitraums von fünfzehn Minuten beobachtet sie immer ein Tier. Am Ende speichert sie ihre Aufzeichnungen und das Programm erstellt eine Tabelle und Zusammenfassung der Ergebnisse.
Die häufigsten Verhaltensarten der Gorillas sind Liegen, Sitzen, Essen und Laufen. Aggressives Verhalten, wie Beißen oder Schlagen, treten eigentlich gar nicht auf. Ziel ihrer Studie ist es, die Persönlichkeiten der Gorillas herauszufinden. „Wie ist das Tier, um das man sich kümmert, wie muss das Gehege aufgebaut sein“, erklärt Alina. Ihre Masterarbeit soll später Affenpflegern helfen, die Tiere besser zu verstehen und dient somit allem voran der Optimierung der artgerechten Tierhaltung und Zucht, und damit dem Arterhalt.
Tierpfleger werden in Untersuchung mit eingebunden
Dazu schaut Alina sich zwei Methoden zur Verhaltens- und Persönlichkeitsforschung an und vergleicht diese. Bei der ersten Methode werden die Persönlichkeitstypen durch Verhaltensbeobachtung herausgefunden. Diese Methode wendet Alina selbst an.
Die zweite Methode bezieht die Tierpfleger mit ein. Diese sollen anhand von Fragebögen die Persönlichkeiten der von ihnen betreuten Affen beurteilen. Insgesamt 54 Adjektive sind in den Bögen aufgezählt. Die Pfleger bewerten auf einer Skala von eins bis sieben, wie sehr das Adjektiv auf den jeweiligen Gorilla zutrifft. Der entscheidende Unterschied: die Pfleger kennen die Tiere, Alina nicht. „Tiere waren schon immer mein Hobby, ich bin bereits mit Katzen aufgewachsen“, sagt die Studentin aus Bristol.
Rösratherin arbeitete mit verwaisten Pavianen
Bei einem achtmonatigen Auslandsjahr in Namibia kam Alina das erste Mal in Kontakt mit Affen. Während ihres Auslandsaufenthalts arbeitete sie als freiwillige Mitarbeiterin auf einer Farm für verwaiste Paviane. Über ihre Faszination von Affen sagt Alina: „Ich finde Affen total spannend. Sie sind uns sehr ähnlich und leben ebenfalls in komplexen sozialen Gruppenstrukturen.“ Das sie sich der misslichen Lage der bedrohten Art sehr bewusst ist, stand nach drei Monaten ihr Wunschstudium bereits fest: Tierschutz.
Also ab nach England, wo sich Alina für den Studiengang Wildlife Ecology and Conservation Science, zu Deutsch Tierschutz, einschrieb. Nach drei Jahre Studium und einem praktischen Jahr als Tierpflegerin in Howletts Wild Animal Park, bei dem sie noch mehr Affenarten kennenlernte, absolvierte Alina erfolgreich ihren Bachelor.
Bergisch Gladbacherin will Menschen und Affen helfen
Doch wie sollte es weitergehen? Die 25-Jährige entschied sich für einen einjährigen Master in Research, zu Deutsch Forschung. Dieser Studiengang bot Alina die Möglichkeit, sich voll und ganz dem Thema Tierschutzforschung zu widmen. „Ich hoffe, meine Arbeit wird später Tieren und Tierpflegern helfen. Pfleger müssen wissen, wie es Tieren geht, vor allem bei so intelligenten Tieren wie den Menschenaffen“, erklärt die Studentin das Hauptanliegen ihrer Masterarbeit. Nach einem Monat Themensuche und Hintergrundforschung kontaktiert Alina Zoos, in denen sie gerne Gorillas beobachten möchte.
Ende Februar kann sie mit der Verhaltensobservation beginnen. Insgesamt vier Monate verbringt sie damit. Deadline für die Masterarbeit ist Ende August. Und wie soll es nach dem Master weitergehen? „Hoffentlich mit einer Veröffentlichung in einer Forschungszeitschrift, die viele Zoomitarbeiter, Forscher und Artenschützer lesen können! Und wenn ich einen Job in der Forschung finden könnte, wäre das ideal“, sagt Alina.